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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 333: Schutz der behinderten Menschen IV
Frage:
Was mache ich als Arbeitgeber, wenn ich eine Stelle besetze und nicht unbedingt schwerbehinderte Bewerber einstellen will? Wie
kann ich andererseits mich als schwerbehinderter Bewerber dahingehend sichern, daß meine Bewerbung nicht gleich im Papierkorb landet. Kann mich das Engagement der Schwerbehindertenvertretung dabei helfen?
Der Fall:
Arbeitgeber Johannes Calvinus ist gottesfürchtig und partiell gesetzestreu. Dies führt im Ergebnis dazu, daß er die vom
Gesetz vorgesehene Schwerbehindertenquote in seinem Betrieb nicht erfüllt. Als eine freie Stelle zu besetzen ist, will er den gutmütigen Freund seiner mißratenen Tochter Marcel Proust einstellen, ohne großes
Aufsehen zu erregen. Er schließt deshalb schnell mit ihnen einen Arbeitsvertrag ab und schickt die Bewerbungsunterlagen des schwerbehinderten Bewerbers George de Chirico diesem etwa ¼ Jahr später ohne Kommentar
zurück. Georgio ist mit dieser Vorgehensweise überhaupt nicht einverstanden. Auch der Vorsitzende der Schwerbehindertenvertretung Marc Chagall protestiert. Er reklamiert, daß sein Arbeitgeber grob
gesetzwidrig gehandelt habe.
Die Lösung:
1. Schwerbehinderten-Beschäftigungspflicht
Nach § 71 SGB IX müssen private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20
Arbeitsplätzen auf wenigstens 5 % der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. In kleineren Betrieben gibt es Sonderregelungen.
Arbeitgeber zwischen 20 und 40 Arbeitsplätzen müssen im Jahresdurchschnitt pro Monat 1 schwerbehinderten Menschen beschäftigen, Arbeitgeber mit 40 – 60 Arbeitsplätzen müssen durchschnittlich pro Monat 2
schwerbehinderte Menschen beschäftigen.
2. Erörterungspflicht
Arbeitgeber, die die Schwerbehindertenquote des § 71 SGB IX nicht erfüllen, müssen Neueinstellungen oder andere personelle
Maßnahmen wie Beförderungen und Versetzungen mit der Schwerbehindertenvertretung wie auch mit dem Betriebsrat/Personalrat nach § 81 Abs. 1 Satz 7 zunächst erörtern, wenn diese mit der beabsichtigten Entscheidung
des Arbeitgebers nicht einverstanden sind. Arbeitgeber Calvinus muß dem Schwerbehindertenvertreter Chagall die Gründe seiner Entscheidung darlegen und diese mit ihm erörtern. Dasselbe gilt für den
Betriebsrat/Personalrat. Im Zuge dieser Erörterung muß nach § 87 Abs. 1 Satz 8 SGB IX der schwerbehinderte Mensch, der sich beworben hat, zwingend angehört werden. Für diese Anhörung gibt es keine
Formvorschriften. Theoretisch könnte sie auch telefonisch erfolgen. In der Praxis empfiehlt sich dies aber nicht.
3. Unterrichtungspflicht
Wenn nach diesen pflichtgemäß vorgenommenen Erörterungen und Beratungen ein Ergebnis gefunden bzw. eine Entscheidung
getroffen ist, so muß diese Entscheidung vom Arbeitgeber Calvinus allen Beteiligten, also sowohl der Schwerbehindertenvertretung, wie auch dem Betriebsrat/Personalrat und dem schwerbehinderten Bewerber
unverzüglich mitgeteilt werden. Diese Unterrichtungspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX ist generell schriftlich unter Angabe der Entscheidungsgründe vorzunehmen. Diese unverzüglich Mitteilung hat u.a. auch
den Sinn, sowohl dem Bewerber wie auch den Gremien die Möglichkeit zu geben, gegen die Entscheidung des Arbeitgebers vorzugehen. Wenn Arbeitgeber Calvinus einen Vertrag hinter dem Rücken der zu beteiligenden
Personen abschließt und diese dann erst ½ Jahr später unterrichtet, verstößt er grob gegen die gesetzlichen Verpflichtungen. Aus diesem Gesetzesverstoß des Arbeitgebers Calvinus folgt nicht ein
Einstellungsanspruch des Bewerbers Georgio. Allerdings kann Georgio nach § 15 AGG ggf. vom Arbeitgeber eine Entschädigung oder Schadenersatz verlangen.
4. Vorstellungsgespräch
Bewerber, sowohl schwerbehinderte Bewerber wie auch andere Bewerber haben gegen den Arbeitgeber generell keinen Anspruch
auf Durchführung eines Vorstellungsgespräches. Allerdings hat der Gesetzgeber für den öffentlichen Arbeitgeber in § 82 SGB IX eine solche Verpflichtung festgelegt. Danach muß der öffentliche Arbeitgeber
schwerbehinderte Menschen, die sich beworben haben oder von der Agentur für Arbeit vorgeschlagen wurden, zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Diese Einladung und das Vorstellungsgespräch ist nur dann
entbehrlich, wenn die fachliche Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fehlt. Bei dieser Prüfung sind insbesondere die Ausbildungsvoraussetzungen, das Anforderungsprofil, die
berufliche Erfahrung des Bewerbers zu berücksichtigen. Es ist nicht zulässig, bei Vorliegen solcher erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eine fehlende Eignung des Bewerbers mit der Behinderung zu begründen.
Wenn ein Bewerber wegen seiner Behinderung nicht zu einem Vorstellungsgespräch geladen wird, so folgt im allgemeinen daraus schon die Vermutung einer unzulässigen Diskriminierung. Nach § 81 Abs. 1 Satz 6
SGB IX i.V.m. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX folgt, daß die Schwerbehindertenvertretung (ausnahmsweise) einen Anspruch auf Teilnahme am Vorstellungsgespräch mit einem schwerbehinderten Bewerber besitzt. Es ist dort
geregelt, daß die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Beteiligung am Verfahren und die Teilnahme an Vorstellungsgesprächen hat. Dies ist neu. Ob die Schwerbehindertenvertretung darüber hinaus auch das
Teilnahmerecht an Vorstellungsgesprächen mit nichtbehinderten Bewerbern besitzt, ist streitig. Dafür gibt aber m.E. das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Achtung: Nach der Rechtsprechung und dem
Betriebsverfassungsgesetz hat dagegen der Betriebsrat keinen Anspruch auf Teilnahme an Bewerbungs- und Vorstellungsgesprächen! Verweigert der Arbeitgeber der Schwerbehindertenvertretung die Teilnahme, so kann
dies gerichtlich durchgesetzt werden, soweit es sich um das Vorstellungsgespräch der schwerbehinderten Bewerber handelt.
5. Dauerhafte Beschäftigung
Nach § 81 Abs. 3 SGB IX muß der Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, daß in seinen Betrieben wenigstens
die vorgeschriebene Zahl der schwerbehinderten Menschen beschäftigt werden und eine dauerhafte behindertengerechte Beschäftigung stattfindet.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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