|
|
|
Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
|
|
|
|
Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
|
|
|
Folge 73: Die Abmahnung
Die Abmahnung bereitet im Arbeitsleben immer wieder erhebliche Probleme. Es ist deshalb wichtig, sich diesem Rechtsinstitut sorgfältig zu widmen.
Der Fall:
Arbeitgeber August der Starke beschäftigt den Hofbildhauer Balthasar Permoser und seine Geliebte Aurora von Königsmarck, die jetzt als Haushälterin am
Hof tätig ist. Mit beiden ist er unzufrieden. Er will beide entlassen. August der Starke hat jedoch Angst vor der unberechenbaren Rechtsprechung seiner Arbeitsgerichte. Deshalb fragt er sich, ob er zuvor
Balthasar und Aurora abmahnen müsse und welche Funktion die Abmahnung habe. Er befragt seinen Personalamtsleiter Graf Flemming darüber, ob er mündlich abmahnen kann oder Schriftform mit Begründung
erforderlich ist, was ihm peinlich wäre.
Die Lösung:
1. Form der Abmahnung
Für die Abmahnung gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Aus diesem Grunde ist die Abmahnung sowohl schriftlich wie auch mündlich möglich und
rechtswirksam. Es ist jedoch jedem Arbeitgeber dringend zu raten, die Abmahnung schriftlich auszusprechen. Zum einen ist dann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer klar, wie die Abmahnung ausgesehen hat und
wie deren Inhalt war. Zum anderen kann die Abmahnung zur Personalakte genommen werden. Bei späteren Streitigkeiten braucht nicht durch eine schwierige Beweisaufnahme versucht zu werden, zu ermitteln, wie die
Abmahnung vielleicht ausgesehen hatte. Beide Seiten haben vielmehr etwas festes in der Hand. Der Arbeitnehmer kann sich überlegen, ob er die Abmahnung angreift oder hinnimmt. Bei ausländischen Arbeitnehmern
führt die Schriftlichkeit der Abmahnung auch dazu, daß dieses sich bei Sprachschwierigkeiten die Abmahnung übersetzen lassen können und über deren Inhalt auf diese Weise keine unnötigen Mißverständnisse
entstehen. Die Abmahnung dient dazu, die Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, daß der Arbeitgeber mit einem bestimmten Verhalten nicht einverstanden ist oder dieses Verhalten als nicht vertragsgemäß betrachtet.
Aus diesem Grunde ist es wichtig, daß die Abmahnung klar und eindeutig ausgesprochen wird. Es ist wichtig, daß der Sachverhalt, auf den sich die Abmahnung bezieht, vom Arbeitgeber konkret und möglichst
substantiiert dargelegt wird. Dies ist vor allem später im Falle eines Kündigungsschutzprozesses von erheblicher Bedeutung. Für die genaue Bezeichnung des Gegenstandes und der vorgeworfenen Vertragsverletzung
ist auch wichtig, daß damit der Arbeitnehmer in der Zukunft tatsächlich die Gelegenheit hat, sich anders, d.h. vertragstreu zu verhalten.
2. Warn-/Androhungsfunktion
Nach dem “Idealmodell” soll die Abmahnung nicht als Kündigungsvorbereitung dienen. Vielmehr soll die Abmahnung den Arbeitnehmer warnen und ihm vor Augen
führen, daß er bei weiteren Verstößen mit einer Kündigung rechnen muß. Sinn und Zweck der Abmahnung ist es deshalb, den Arbeitnehmer “auf den Pfad der Tugend” zurückzubringen und Konflikte, Mißverständnisse,
atmosphärische Störungen im Arbeitsverhältnis abzubauen. Insofern ist vom Ursprung her die Abmahnung zunächst als positives Instrument zur Bewahrung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen.
3. Kündigungsvorbereitung
Leider ist die Abmahnung aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mehr oder weniger zu einem “Kündigungsvorbereitungsinstrument” mutiert. Da
eine verhaltensbedingte Kündigung i.d.R. stets eine oder mehrere Abmahnungen (also: Warnungen!) voraussetzt, betrachten viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Abmahnung nur noch als Vorstufe zur Kündigung. Dies
ist eigentlich falsch und stellt eine Perversion des ursprünglichen Zweckes der Abmahnung dar.
4. Dokumentations-/Beweisfunktion
Nur die schriftliche Abmahnung hat die von der Rechtsprechung gewünschte Dokumentationsfunktion. Die schriftliche Abmahnung ist hilfreich für Arbeitgeber
wie Arbeitnehmer. Beide Vertragsparteien können sich im Streitfall auf den schriftlichen Inhalt der Abmahnung berufen. Wenn in einem späteren Kündigungsschutzverfahren auf die früheren Abmahnungen
zurückgegriffen wird, stellt die Schriftlichkeit der Abmahnung eine erhebliche Beweiserleichterung dar. In der Regel ist davon auszugehen, daß nach längeren Zeiträumen (Monaten, Jahren) kein Zeuge mehr
vernünftig oder ausreichend klar darlegen kann, wie und mit welchem Inhalt eine bestimmte Abmahnung ausgesprochen wurde.
5. Fazit
Arbeitgeber August der Starke unterliegt vor dem Arbeitsgericht, wenn er seine Arbeitnehmer Balthasar Permoser und Aurora von Königsmarck nicht auf ihre
Fehler oder seine Unzufriedenheit per Abmahnung hinweist und ihnen Gelegenheit gibt, ihr Verhalten zu bessern. Sein Unbehagen vor der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte besteht zu Recht. Nur bei
schwerwiegendsten Vertragsverletzungen, wie beispielsweise Straftaten, braucht er nicht abzumahnen. Die Peinlichkeit einer exakten Begründung der Vorwürfe bleibt August nicht erspart.
>> Nächste Folge: Abmahnung - Abgrenzung zu anderen Sanktionen des Arbeitgebers << Zurück zur Übersicht
|
|
|
|
Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle: Reine Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung. Wichtiger Hinweis:
Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
|
Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
|
Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
|
|
|
|
|
|
Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
|
Folgenübersicht:
|
1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
|
|
|