Folge 80: Private Internetnutzung am Arbeitsplatz
Der Fall:
Arbeitgeber Mephistopheles beschäftigt den Verkaufsmanager Faust seit 3 Jahren. Wegen der Internationalisierung der Geschäfte richtet Mephistopheles für
Faust einen Internet-Zugang ein. Mephistopheles kennt das Problem der Versuchung. Um vorzubeugen, vereinbart er mit Faust schriftlich einen Zusatz zum Arbeitsvertrag. Darin ist geregelt:
– Der Internet-Zugang darf nur für dienstliche Zwecke verwendet werden. – Das Herunterladen von Daten mit gesetzwidrigem, rechtsradikalem oder pornografischem Inhalt ist unzulässig. – Bei Verstößen gegen diese
Vereinbarung kann der Arbeitgeber den Internet-Zugang vorübergehend oder dauernd sperren. Nach 1 Jahr führt Mephistopheles eine Überprüfung der Internet-Nutzungen sämtlicher Mitarbeiter durch. Dabei stellt er
fest, daß Faust während seiner Arbeitszeit Dateien mit pornografischem Inhalt heruntergeladen hat. Faust hat mindestens 22 Stunden mit pornografischen Dateien verbracht. Auf dem geschäftlichen Laptop sind mindestens
15 einschlägige Videoclips gespeichert. Außerdem hat Faust über seine geschäftliche E-Mail Kontakte mit diversen Gespielinnen geführt. Arbeitgeber Mephistopheles kündigt nach Bekanntwerden sofort fristlos. Faust
klagt gegen die Kündigung und trägt vor, daß die Überprüfung der E-Mails des Klägers einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstelle. Eine Kündigung sei auch deshalb ausgeschlossen, weil für den Fall
von Verstößen gegen die Internet-Vereinbarung nur die Sperrung des Internet-Zugangs vereinbart sei. Zumindest aber hätte wegen der massiven Versuchungen und Möglichkeiten des Internet Arbeitgeber Mephistopheles erst
einmal abmahnen müssen, bevor er kündigt. Wird Faust obsiegen?
Die Lösung:
1. Ultima-Ratio-Prinzip
Nach dem Willen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung soll die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Vertragspflichtverletzungen stets nur als letztes
Mittel angewandt werden (ultima-ratio-Prinzip). Ist dem Arbeitgeber eine weniger einschneidende Maßnahme, wie z.B. eine Ermahnung oder Abmahnung, eine Versetzung oder Umsetzung zumutbar, so muß er zunächst diese
Maßnahme ergreifen. Fristlos kann nach § 626 BGB das Arbeitsverhältnis nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, nämlich dann, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem kündigenden Arbeitgeber unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden
kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt, d.h. der Vorwurf und die Vertragspflichtverletzung an sich überhaupt geeignet ist, eine außerordentliche, fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
2. Private Internet-Nutzung
Die private Internet-Nutzung im Arbeitsverhältnis kann je nach Umständen des Einzelfalles zum Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung
ausreichen, muß es aber nicht. Es ist zunächst einmal festzustellen, wie die Gebräuchlichkeiten und Anweisungen in dem Unternehmen sind und welche vertraglichen Vereinbarungen getroffen oder nicht getroffen wurden.
Vom Prinzip her verhält es sich ähnlich wie mit der privaten Telefon-Nutzung während der Arbeitszeit. Die Nutzung des Internet zu Privatzwecken während der Arbeitszeit ohne ausdrückliche Erlaubnis des
Arbeitgebers ist für den Arbeitnehmer immer gefährlich. Der Arbeitnehmer kann ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht davon ausgehen, daß er dazu berechtigt ist. Arbeitnehmer Faust mußte daher mit arbeitsrechtlichen
Maßnahmen des Mephistopheles rechnen. Sofern im Betrieb von seiten der Vorgesetzten oder des Arbeitgebers die private Internet-Nutzung während der Arbeitszeit, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, geduldet
wurde, muß von einer entsprechenden betrieblichen Übung ausgegangen werden. In diesem Falle darf der Arbeitgeber jedenfalls das Arbeitsverhältnis nicht ohne vorherige Abmahnung kündigen. Auch wenn eine solche
betriebliche Übung nicht existiert, muß Arbeitgeber Mephistopheles zunächst prüfen, ob eine Abmahnung ausreicht, um das Fehlverhalten abzustellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Privatnutzung des Internet nicht
gewisse Grenzen und Schwellenwerte überschritten hat.
3. Ausdrückliches Verbot
Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber die private Internet-Nutzung ausdrücklich verboten oder gar – wie im vorliegenden Fall – eine entsprechende
Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer getroffen hat. Die Frage der unberechtigten Internet-Nutzung zu privaten Zwecken durch den Arbeitnehmer ist bislang zwar in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Die
Rechtsprechung zur privaten Telefon-Nutzung kann jedoch dazu herangezogen werden. Deshalb gilt auch hier der Grundsatz, daß eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber immer dann gerechtfertigt
sein kann, wenn ein ausdrückliches Verbot von Arbeitgeberseite vorliegt.
4. Vertrauensbereich
Mit der privaten Internet-Nutzung gegen das ausdrückliche Verbot des Arbeitgebers oder gegen die hier vorhandene Vereinbarung zwischen Mephistopheles und
Faust, hat der Arbeitnehmer Faust den Arbeitgeber massiv geschädigt und in zweifacher Weise Betrug begangen. Er hat nämlich seine private Internet-Nutzung vom Arbeitgeber bezahlen lassen und außerdem hat er sich für
diese Zeit auch noch Lohn bezahlen lassen (Zeitbetrug). Die Vertragsverletzung von Faust stellt eine Störung im Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses dar. Da es sich um eine schwere Pflichtverletzung im
Vertrauensbereich handelt, ist regelmäßig eine Abmahnung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Kündigung entbehrlich. Faust konnte aufgrund der von ihm unterzeichneten Vereinbarung ohne weiteres erkennen, daß
Arbeitgeber Mephistopheles seine privaten Internet-Praktiken nicht akzeptieren würde.
5. Vertraglicher Kündigungsausschluß
Zwar haben Mephistopheles und Faust in ihrer Vereinbarung als Folge eines Verstoßes den Entzug der Internet-Nutzung für den Arbeitnehmer geregelt. Diese
Regelung beseitigt jedoch nicht das Recht des Arbeitgebers, bei schwerwiegender Vertragsverletzung eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Dieses Recht kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden.
6. Interessenabwägung
Die bei einer fristlosen Kündigung stets vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Kündigung. Der Arbeitnehmer hat in besonders
grober Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, indem er sich stundenlang auf Kosten des Arbeitgebers mit Pornoprogrammen beschäftigt hat und dieses sogar auf die Einrichtungen des Arbeitgebers
herunterlud. Auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist nicht geeignet, diesen Vertrauensverstoß zu relativieren. Mephistopheles kann den Manager Faust nicht bei der Internet-Nutzung ständig kontrollieren.
7. Merke
Der Arbeitgeber kann zur Vornahme einer außerordentlichen Kündigung berechtigt sein, wenn der Mitarbeiter trotz ausdrücklicher entgegenstehender Vereinbarung
das Internet zu privaten Zwecken nutzt. In diesem Fall ist eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich.
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