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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 31: Neues im Erziehungsurlaub

Zum 1.1.2001 traten wichtige Änderungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes in Kraft. Diese sind in der Praxis unbedingt zu berücksichtigen. Sie haben für die Arbeitnehmer wie für die Arbeitgeber wichtige Auswirkungen. 


Der Fall:

    Arbeitnehmerin Antoinette ist schwanger. Sie möchte den Erziehungsurlaub so gut wie möglich nutzen. Wichtig ist für sie, daß insbesondere auch ihr bequemer und stammtischfreudiger Ehemann Louis an der Kindererziehung und am Erziehungsurlaub teilnimmt. Sie möchte auch zu Beginn der Schulzeit ihres Kindes eine besondere Betreuungszeit einlegen.
    Als Arbeitgeber Robespierre vor diesen vielen Wünschen mißtrauisch in Deckung geht, beruft sich Arbeitnehmerin Antoinette auf das neue Erziehungsurlaubsgesetz. Zu Recht?


Die Lösung:

1. Zweck der Neuregelung

    Der Gesetzgeber wollte mit der neuen Fassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes ab dem 1.1.2001 einerseits die Betreuungsmöglichkeit für Eltern nach der Geburt deutlich verbessern.
    Zum anderen wollte der Gesetzgeber durch die Einführung eines Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungslaubs die Benachteiligung der Erziehungsurlauber minimieren. Auch während des Erziehungsurlaubs soll es möglich sein, die Eingliederung in den Betrieb und die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten.

2. Anspruchsvoraussetzungen

    In § 15 Abs. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) sind die Anspruchsvoraussetzungen für den Erziehungsurlaub geregelt.
    Wichtig ist, daß die berechtigte Person in einem Haushalt mit dem Kind zusammenlebt und dieses Kind selbst betreut und erzieht.
    Dabei ist es möglich, daß es sich
    – um das eigene Kind handelt, für das die Personensorge besteht,
    – das Kind des Ehegatten,
    – ein Kind, das adoptiert werden soll oder
    – um ein Kind, für das aus besonderen Gründen ein Anspruch auf Erziehungsgeld besteht.

3. Dauer des Erziehungsurlaubs

    Wie bisher besteht der Anspruch auf Erziehungsurlaub nur bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes.
    Das bedeutet, daß beim Erziehungsurlaub von Müttern der Erziehungsurlaub erst nach dem Ablauf der nachgeburtlichen Mutterschutzfrist beginnt und deshalb nicht volle 3 Jahre erreicht. Bei Männern kann der Erziehungsurlaub dagegen bereits mit der Geburt des Kindes und damit volle 3 Jahre dauern.
    Die gesetzliche Grenze des § 15 Abs. 2 BEerzGG bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres gilt auch für die Geburt von Zwillingen oder Drillingen. Bei Mehrlingsgeburten verlängert sich die Frist nicht.

4. Neu: 8. Lebensjahr

    Als wichtige Neuerung hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 BEerzGG eingeführt, daß der Erziehungsurlaub mit einem Anteil von bis zu 12 Monaten auf eine spätere Lebenszeit des Kindes übertragen werden darf. Dieses Übertragungsrecht besteht bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes.
    Achtung: Das Recht auf Übertragung von 12 Monaten Erziehungsurlaub, z.B. auf das erste Schuljahr des Kindes, besteht aber nur, wenn der Arbeitgeber diesem Splitting zustimmt! Umfang und Grenzen der Ablehnungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber in der nächsten Folge.

5. Neu: Beide Elternteile gemeinsam

    Der Erziehungsurlaub kann nach § 15 Abs. 3 BEerzGG wie bisher von jedem Elternteil alleine genommen werden.
    Neu ist, daß der Erziehungsurlaub auch von beiden Elternteilen ganz oder teilweise gemeinsam genommen werden kann. Auch in diesem Falle ist der Erziehungsurlaub auf 3 Jahre begrenzt.
    Auch in diesem Falle wird die Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz auf diese 3 Jahre angerechnet.
    Fall: Arbeitnehmerin Antoinette hat gegebenüber ihrem bequemen und erziehungsscheuen Ehemann Louis demnach alle Trümpfe in der Hand, wenn sie sich durchsetzen kann. Ihr Ehemann kann dann in Abschnitten alleine Erziehungsurlaub nehmen. Das gleiche gilt für Antoinette.
    Beispiele:
    a) Antoinette nimmt Erziehungsurlaub im 1. Lebensjahr, Louis während des 2. Lebensjahres und im 3. Lebensjahr jeder 1/2 Jahr.
    b) Louis nimmt 1,5 Jahre Erziehungsurlaub und Antoinette 1,5 Jahre nacheinander.
    c) Die Eltern nehmen jeweils für 3 Jahre abwechselnd immer 1/2 Jahr Erziehungsurlaub.
    d) Antoinette nimmt bis zum Ende des 2. Lebensjahres Erziehungsurlaub und Louis im fußballfähigen 3. Lebensjahr.

    Andererseits wäre es möglich, daß das Ehepaar Antoinette und Louis gemeinsam für eine bestimmte Zeit oder gar bis zu 3 Jahren Erziehungsurlaub nehmen.
    Arbeitgeber Robespierre hat dagegen keine Einspruchsmöglichkeiten. Er muß den Wünschen der Eltern folgen.
    Die Möglichkeit des gemeinsamen Erziehungsurlaubes wirft in den allermeisten Fällen allerdings finanzielle Probleme auf. Kaum ein Paar wird sich diese leisten können, um einen solchen gemeinsamen Erziehungsurlaub zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber allerdings eine weitere Möglichkeit vorgesehen:
    Die Eltern haben die Möglichkeit zur erweiterten Teilzeit während des Erziehungsurlaubs. Dies gilt für beide Eheleute, sowohl für Antoinette, wie auch für Louis (dazu in späteren Folgen).

>> Nächste Folge: Erziehungsurlaub – Antragsverfahren und Möglichkeiten
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug