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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 32: Erziehungsurlaub – Antragsverfahren und Möglichkeiten

Die Umsetzung der gesetzgeberischen Wünsche und der Förderung des Erziehungsurlaubs stößt auf betriebliche Grenzen. Hier kann es erhebliche Interessengegensätze geben. Dies hat der Gesetzgeber vorausgesehen. 


Der Fall:

    Arbeitnehmerin Antoinette will mit ihrem widerstrebenden Ehemann Louis wegen des zu erwartenden gemeinsamen Kindes Erziehungsurlaub bei ihrem gemeinsamen Arbeitgeber Robespierre beantragen. Ihr ist aber das Verfahren nicht so geläufig. Was verlangt das Gesetz?
    Arbeitgeber Robespierre ist mit den Wünschen des Ehepaares Antoinette und Louis nicht einverstanden. Er will insbesondere die Ausweitung des Erziehungsurlaubs auf das 6. - 8. Lebensjahr des Kindes verhindern.
    Wegen der laufenden Schwierigkeiten mit Robespierre wechselt die Angestellte Antoinette im 5. Lebensjahr ihres Kindes zu dem neuen, galanteren Arbeitgeber Danton. Sie hatte schon bei Robespierre 12 Monate Rest-Erziehungsurlaub für das 6. Lebensjahr ihres Kindes beantragt. Ist Danton daran gebunden?


Die Lösung:

1. Verfahrensablauf

    In § 16 Abs. 1 BEerzGG hat der Gesetzgeber die Formalien der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs geregelt:
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen den Erziehungsurlaub, wenn er unmittelbar nach der Geburt des Kindes oder nach Ablauf der Mutterschutzfrist beginnen soll, spätestens 6 Wochen vor dem Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen.
    Soll der Erziehungsurlaub nicht direkt nach der Mutterschutzfrist, sondern erst später beginnen, so muß die schriftliche Erklärung der Arbeitnehmer Antoinette und Louis spätestens 8 Wochen vor dem geplanten Beginn beim Arbeitgeber angelangen.
    Die Arbeitnehmer Antoinette und Louis müssen gleichzeitig in dieser Erklärung mitteilen, für welche Zeit innerhalb der ersten zwei Jahre sie Erziehungsurlaub nehmen wollen.
    Nur in dringenden Fällen können die Fristen angemessen verkürzt werden. Die Eltern Antoinette und Louis dürfen den Erziehungsurlaub jeweils allein oder gemeinsam nehmen. Er darf insgesamt auf bis zu 4 Zeitabschnitte verteilt werden!

2. Vorteile für Eltern

    Diese neue Regelung des § 16 Abs. 1 BEerzGG hat für die Eltern den Vorteil, daß sie sich jetzt nur noch für einen Zeitraum von zwei Jahren im Voraus festlegen müssen (bisher 3 Jahre).
    Spätestens 8 Wochen vor Ablauf dieses 2-Jahres-Zeitraums müssen die Eltern Antoinette und Louis sich aber entscheiden, ob sie von ihrem Recht auf Verlängerung des Erziehungsurlaubs bis zum 3. Lebensjahr Gebrauch machen oder ob sie beantragen, den restlichen Erziehungsurlaub (maximal 12 Monate) aufzuschieben auf ein späteres Lebensalter des Kindes (bis zum 8. Lebensjahr). Spätestens dann müssen sich die Eltern festgelegt haben.

3. Schriftlichkeit

    Es ist zwingend vorgeschrieben, daß der Antrag der Eltern schriftlich zu erfolgen hat. Auch die Zeiträume und die Modalitäten des Erziehungsurlaubs sind schriftlich niederzulegen.
    Weiterhin empfiehlt es sich dringend, daß die Antragsteller sich vom Arbeitgeber den Eingang des Antrags mit Datum schriftlich bestätigen lassen.
    Weiterhin hat der Gesetzgeber geregelt, daß der Arbeitgeber den Erziehungsurlaub dann auch den Arbeitnehmern schriftlich bescheinigen soll. Darauf sollten die Eltern dringend achten!

4. Erziehungsurlaub - Splitting

    Angestellte Antoinette will mit ihrem Louis 12 Monate des Erziehungsurlaubs bei der Einschulung ihres Kindes im 6./7. Lebensjahr ihres Kindes übertragen. Sie haben dies bei Arbeitgeber Robespierre beantragt. Dieser will nicht.
    Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 2 BEerzGG zwar geregelt, daß der Arbeitgeber diesem Splitting zustimmen muß. Einzelheiten fehlen aber in der gesetzlichen Regelung.
    Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber einem solchen Splitting schon widersprechen kann, wenn sachliche, rationale und nachvollziehbare Gründe aus der Sphäre des Betriebes dem entgegenstehen.
    Dies können verschiedene Gründe sein: Probleme in der Neuorganisation des Betriebes, Fachkräftemangel, erhebliche betriebliche Kosten. Allerdings müssen diese Gegengründe schon bei Antragstellung verdichtet, nachvollziehbar und ggf. beweisbar sein.
    Dies wird in der Praxis mehrere Jahre im Voraus für Robespierre recht schwierig sein.

5. Arbeitsplatzwechsel

    Arbeitnehmerin Antoinette ist wegen der ständigen Querelen mit Robespierre zu dem charmanteren Arbeitgeber Danton gewechselt. Sie will nach wie vor mit ihrem erziehungsfaulen Ehemann Louis 1 Jahr Erziehungsurlaubs-Splitting ab dem 6. Lebensjahr ihres Kindes durchführen.
    Als es soweit ist, macht Danton Probleme. Kann Antoinette ihn zwingen?
    Nach ständiger bisheriger Rechtsprechung kann der Anspruch auf Erziehungsurlaub auch im Anschluß an einen Arbeitgeberwechsel geltend gemacht werden, solange der Anspruch auf Erziehungsurlaub im Vorarbeitsverhältnis noch nicht verbraucht worden ist. Diese Rechtsprechung gilt auch heute weiter. Allerdings muß die Arbeitnehmerin Antoinette den nicht verbrauchten Anteil des Erziehungsurlaubs beim Folgearbeitgeber Danton erneut beantragen. Da das Gesetz keine Einschränkung für den Arbeitgeberwechsel enthält, muß nach § 15 Abs. 2 BEerzGG auch der neue Arbeitgeber Danton dem restlichen Erziehungsurlaub bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes noch zustimmen. Auch hier hätte Danton die Möglichkeit, beim Vorliegen und der Nachweisbarkeit entgegenstehender fachlicher, rationaler Gründe aus der Sphäre des Betriebes dem späteren Erziehungsurlaub zu widersprechen.
    Dieses Problem ist allerdings gerichtlich noch nicht ausdiskutiert.

6. Kein vertraglicher Ausschluß

    Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 2 Satz 4 BEerzGG ausdrücklich bestimmt, daß der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Dies gilt auch für den Restanspruch auf Erziehungsurlaub, wenn ein Teil des Erziehungsurlaubs beim Vorarbeitgeber schon genommen wurde.
    Im Klartext heißt dies, daß der charmante und schlaue Danton gegenüber der Angestellten Antoinette bei der Einstellung eventuelle Rest-Erziehungsurlaubsansprüche nicht rechtswirksam mindern konnte. Er kann sich gegen den Anspruch von Antoinette nur wehren, wenn er sachliche betriebliche Gründe besitzt, die dagegensprechen. 

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug