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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 4:
Bewerbung: Recht zur Einstellungsuntersuchung?

In vielen Bereichen wird schon von seiten des Gesetzes oder der Berufsgenossenschaft vor der Einstellung eine ärztliche Untersuchung oder die Vorlage eines ärztlichen Attestes gefordert und auch viele Arbeitgeber haben ein Interesse daran, nur gesunde Arbeitnehmer einzustellen.


Der Fall:

    Arbeitgeber Cleverle will nur Bewerber in die engere Auswahl ziehen, die durch den arbeitsmedizinischen Dienst oder seinen Werksarzt untersucht sind. Bewerber Max Mager will sich aber nur durch seinen Hausarzt untersuchen lassen. Bewerber Albert Otto schwört auf seinen Krankenhausarzt. Müssen sie sich gleichwohl durch den Werksarzt untersuchen lassen?
    Cleverle will wegen der jüngsten Vorfälle stets eine Hepatitis C-Untersuchung und eine HIV-Untersuchung durchführen lassen. Auch Bluter haben im Betrieb nichts zu suchen. Max Mager will hier nicht mitmachen.
    Schließlich verlangt Cleverle von den untersuchenden Ärzten eine genaue Diagnose aller Krankheiten einschließlich der Kinderkrankheiten. Müssen sich das die Bewerber gefallenlassen?


Die Lösung:

1. Die arbeitsmedizinische Untersuchung

    Arbeitsmedizinische Untersuchungen vor einer Einstellung sind generell sinnvoll. Sie haben insbesondere die Funktion zu prüfen, ob bestimmte Arbeitnehmer in der Lage sind, die vertraglich zu erbringende Arbeitsleistung zu verrichten. Es muß geprüft werden, ob nicht ggf. die Arbeit geeignet oder zu schwer ist, um zum Schutz des Arbeitnehmers Langzeitschäden zu vermeiden.
    Deshalb hat Arbeitgeber Cleverle durchaus ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob ein Arbeitnehmer generell geeignet ist, die bei ihm zu verrichtenden Arbeiten auch tatsächlich zu erbringen.

2. Freie Arztwahl

    Der Arbeitgeber kann niemanden zwingen, sich gegen seinen Willen vom Werksarzt untersuchen zu lassen. Max Mager ist berechtigt, die notwendige Untersuchung von einem fachlich geeigneten Arzt durchführen zu lassen.
    Es stellt sich jedoch die Frage, ob jeder praktizierende Hausarzt oder Krankenhausarzt in der Lage ist, die entsprechenden Kriterien medizinisch ordnungsgemäß zu würdigen. Dies kann sehr fraglich sein, insbesondere dann, wenn der Arzt den Arbeitsplatz gar nicht kennt.
    Aus diesem Grunde ist es in der Regel auch vom Bewerber nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber Cleverle ihn auffordert, sich vom arbeitsmedizinischen Dienst untersuchen zu lassen. Beim arbeitsmedizinischen Dienst handelt es sich nämlich regelmäßig um eine vom Arbeitgeber unabhängige Einrichtung mit entsprechend ausgebildeten Ärzten.
    Sofern Bewerber Max und Otto sich weiter weigern, sich der Untersuchung des unabhängigen arbeitsmedizinischen Dienstes zu unterwerfen, kann Cleverle sie nicht zu der Untersuchung zwingen. Andererseits aber müssen Otto und Max Mager damit rechnen, daß dann Cleverle sie aus der Bewerberliste streicht und nicht einstellt.

3. Das Untersuchungsverlangen

    Da ein sachlicher Grund für eine Einstellungsuntersuchung bei einem neu zu besetzenden Arbeitsplatz besteht, hat der Arbeitgeber Cleverle ein berechtigtes Interesse an der Untersuchung. Sie ist generell zulässig.
    Die Untersuchung kann jedoch nicht unbeschränkt vorgenommen werden. Cleverle muß die rechtlichen Grenzen beachten.
    Zunächst einmal muß die Untersuchung auf das geplante Arbeitsverhältnis und die dort zu erbringenden Arbeitsleistungen sowie die sonstigen Anforderungen des Arbeitsplatzes beschränkt werden. Dies gilt auch, sofern gesetzlich eine Einstellungsuntersuchung vorgeschrieben ist. Nach § 32 Jugendarbeitsschutzgesetz muß der Arbeitgeber bei der Einstellung von Jugendlichen (bis 18 Jahren) grundsätzlich immer eine ärztliche Untersuchung vornehmen. Vorher darf der Jugendliche gar nicht beschäftigt werden. Auch viele Berufsgenossenschaften verlangen für bestimmte gefährliche oder schwierige Bereiche eine Einstellungsuntersuchung.

4. Kosten

    “Wer die Musik bestellt, bezahlt”. Soweit der Arbeitgeber eine Einstellungsuntersuchung verlangt, muß er die Kosten tragen.
    Will der Arbeitnehmer dagegen die Untersuchung von einem anderen Arzt vornehmen lassen, so muß der Bewerber ggf. die Kosten selbst tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber z.B. mit dem arbeitsmedizinischen Dienst eine entsprechende Pauschalvereinbarung getroffen hat.

5. Auskunft des Arztes

    Cleverle will zwar auf Nummer Sicher gehen. Der untersuchende Arzt hat jedoch die ärztliche Schweigepflicht zu beachten.
    Soweit der Bewerber Max Mager oder Otto in eine ärztliche Untersuchung einwilligen, befreien sie den untersuchenden Arzt lediglich von der ärztlichen Schweigepflicht wegen des Ergebnisses der Untersuchung gegenüber dem Arbeitgeber. Der Arzt darf dem Arbeitgeber deshalb nicht die Diagnose und die verschiedenen Ergebnisse mitteilen.
    Der Arzt darf dem Arbeitgeber Cleverle nur mitteilen, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Position gesundheitlich geeignet ist oder nicht.
    Sofern der Arzt ohne entsprechende Einwilligung des Arbeitnehmers Diagnosen, Krankheitsverläufe etc. dem Arbeitgeber mitteilen würde, würde er sich schadenersatzpflicht, evtl. sogar strafbar machen.
    Der Arzt – egal ob Werkarzt, Hausarzt, arbeitsmedizinischer Dienst oder Krankenhausarzt – teilt dem Cleverle deshalb nicht mit, ob ein Bewerber an Hepatitis, an HIV oder an anderen Erkrankungen leidet!
    Im übrigen ist festzuhalten, daß nach herrschender Ansicht an einer generellen HIV-Untersuchung bei Einstellung des Arbeitnehmers kein berechtigtes Interesse besteht. Eine solche Untersuchung ist nicht generell vorzunehmen.
    Auch Kinderkrankheiten gehen den Arbeitgeber regelmäßig nichts an.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug