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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 115: Mobbing I - Psychische Belastung

Der Fall:

    Operettenchef Gotthilf Schiffer leidet unter seinen Mitarbeitern. Die Chormitglieder George Harrison und Ringo Starr fühlen sich von Harry Bellafonte gemobbt. Die Solisten Peter Alex und Roy Black ertragen den Termindruck nicht mehr. Maria Callas versagt die Stimme, wenn sie Gotthilf nur sieht. Die Erste Geige Yoko Duo ist depressiv geworden. Die Krankenquote im Ensemble steigt. Was ist zu tun?

Die Lösung:

1. Steigende psychische Erkrankungen

    Nach den Feststellungen der Krankenkassen steigen die psychischen Erkrankungen insbesondere im Arbeitsverhältnis. Dies entspricht auch den Feststellungen bei den Arbeitsgerichten. Die Zahl der Prozesse mit psychischen Erkrankungen als Auslöser oder Begleitumstände nehmen zu.
    In der Vergangenheit scheuten sich viele Arbeitnehmer, ihre psychischen Probleme gegenüber dem Arbeitgeber, den Arbeitskollegen oder bei Gericht zuzugeben. Dies hat sich mittlerweile geändert. Vielleicht ist die steigende Anzahl der Krankenfälle im Betrieb wegen psychischer Erkrankungen auch auf diese zunehmende Offenheit zurückzuführen. Früher wurden solche Erkrankungen jedenfalls z.T. in anderer Weise diagnostiziert.

2. Definition nach DIN

    Nach der Norm DIN EN ISO 10075-1 “Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung” wird die psychische Belastung definiert
    als die Gesamtheit der erfaßbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn psychisch einwirken.
    “Psychische Beanspruchungen” werden dort definiert als
    die individuelle, zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand.
    Zu den psychischen Belastungen im Arbeitsprozeß sind nach Meinung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verschiedene Einflüsse verantwortlich. Diese Einflüsse kommen aus dem Arbeitsauftrag, dem organisatorischen Rahmen am Arbeitsplatz, den Belastungen aus den sozialen Bedingungen im Betrieb und den Einflüssen aus den unmittelbaren, sog. “harten” Arbeitsbedingungen des Arbeitsplatzes und der Maschinen.

3. Qualifikation

    In der Vergangenheit gingen die Fachleute davon aus, daß die Fähigkeit zur Problemlösung umso größer sei, je größer die Qualifikation der beschäftigten Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Je weiter der Handlungsspielraum, insbesondere im Führungsbereich, umso größer war die Möglichkeit, Belastungen stand zu halten.
    Im Rahmen der mittlerweile auftretenden psychischen Erkrankungen, insbesondere im Rahmen der Mobbing-Probleme, kann dies jedoch nicht mehr so uneingeschränkt gelten. Gerade dem Phänomen des Mobbing stehen Vorgesetzte manchmal hilflos gegenüber. Dies gilt zum einen, wenn in ihrer Abteilung Mobbing-Probleme herrschen. Dies gilt zum anderen auch dann, wenn sie selbst von Mobbing durch Untergebene oder durch den Arbeitgeber betroffen sind.

4. Unterscheidung zwischen Mobbing und psychischem Druck

    Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen psychischer Belastung am Arbeitsplatz, Streß, psychischer Ermüdung und Druck am Arbeitsplatz einerseits und Mobbing andererseits. Viele Arbeitnehmer werfen die Begriffe durcheinander bzw. zählen alle psychischen Probleme unter den Oberbegriff des Mobbing. Dies ist nicht hilfreich, da der Begriff Mobbing dadurch ähnlich konturlos wird, wie z.B. der Begriff “Rheuma” im medizinischen Bereich. Es ist deshalb zu trennen zwischen der psychischen Belastung am Arbeitsplatz im allgemeinen und den Mobbing-Phänomenen im speziellen.

5. Streß

    Streß erlebt jeder, in der Familie, in der Freizeit, aber auch am Arbeitsplatz. Streß ist eine natürlich Reaktion des Organismus auf äußerliche Belastungen jeder Art. Bei Streß steigt der Adrenalinspiegel, Blutdruck und die Atmungsfrequenz. Entwicklungsgeschichtlich ist Streß eine Überlebensfunktion gewesen.
    Arbeitsbedingter Streß kann zunächst positiv sein und die Arbeitsleistung steigern. Im Übermaß ist er jedoch gesundheitsgefährdend. Deshalb wird arbeitsbedingter Streß heute als emotionale oder physiologische Reaktion auf ungünstige oder schädliche Aspekte der Arbeit verstanden. Dazu zählt auch das Arbeitsumfeld und die Arbeitsorganisation.
    Streß ist mit einem hohen Belastungsniveau verbunden, manchmal mit dem Gefühl der Ohnmacht oder der Leistungsschwächung. Der Arbeitnehmer hat das Gefühl, daß er die Kontrolle über seine Arbeitsbelastung oder seine Situation zu verlieren droht.
    Insbesondere die neuen, veränderten Arbeitsbedingungen, aber auch Arbeitsverdichtung im Dienstleistungsbereich bringen Streß hervor oder steigern ihn. Dies kann zum einen durch die Einführung neuer Technologien, Computersoftware, steigenden Qualitätsanforderungen, gegeben sein, zum anderen aber auch durch Personalknappheit, Zeitvorgaben oder wachsenden Verantwortungsdruck.

6. Psychische Ermüdung

    Während Streß zumindest kurzfristig eine Leistungssteigerung bewirkt, führt die psychische Ermüdung zu einer Verschlechterung der körperlichen und psychischen Funktionstüchtigkeit. Psychische Ermüdung kann als Reaktion auf Streß oder übermäßigen Arbeitsdruck, Zeitdruck etc. ausgelöst werden.
    Beispiel: Ein Arbeitnehmer arbeitet über die Pausen durch, stundenlanges hochkonzentriertes Arbeiten am PC, Kassiererin im Supermarkt ohne Pause.
    Im Erziehungs- und Gesundheitsbereich kann eine psychische Ermüdung auch durch eine zu intensive emotionale Anteilnahme ausgelöst werden. Bekannt ist der sog. “Burn-Out-Effekt”, der vermehrt bei Pädagogen zu finden ist.
    Die Folgen können gravierend sein, z.B. Aggressionen gegen die zu Betreuenden (Kinder, pflegebedürftige Menschen), Verdrängen und Wegschieben von wichtigen Entscheidungen, immer langsamere Arbeitsbewältigung, Dienst nach Vorschrift und psychische Verhärtung, Sehstörungen, Nachlassen bis zum völligen Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Schwierigkeiten bei Formulierungen, Satzbildung oder Wortfindung, Störungen bei der Koordination von Bewegungen und Tätigkeiten, Veränderungen der Handschrift etc.
    Am Schluß steht die psychische Erkrankung, wie bei Yoko Duo. Ausfallerscheinungen sind aber bei Maria Callas sehr deutlich.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug