Folge 83: Probleme bei Gehaltsüberzahlung I
Immer wieder kommt es durch ein Versehen vor, daß ein Arbeitnehmer auf seinem Gehaltskonto zu wenig oder zu viel Geld erhält. Erhält er zu wenig Geld, so
kann er den Fehlbetrag nachfordern. Problematisch ist die Situation, wenn der Arbeitnehmer zu viel erhält. Manchmal ist das Geld ausgegeben, bevor es der Arbeitgeber zurückfordert. Was dann?
Der Fall:
Constanzia von Cosel beschäftigt den Stubenheizer Aegidius Wurz sowie zum Bau des Taschenberg-Palais in Dresden den Baumeister Daniel Pöppelmann. Aegidius
Wurz erhält als Stubenheizer monatlich 1.000 Euro netto. Arbeitgeberin Constanzia ließ ihm versehentlich ab dem 1.7.2002 1.020 Euro netto überweisen. Aegidius Wurz freut sich über die vermeintliche Lohnerhöhung und
verpraßt sie regelmäßig mit Freunden in der Kneipe “Zum grünen Gewölbe”. Baumeister Pöppelmann dagegen erhält von Constanzia monatlich 10.000 Euro netto. Durch ein Bankversehen landet auf seinem Gehaltskonto im Juli
2002 ein einmaliger Betrag von 50.000 Euro, der ebenfalls von der Arbeitgeberin Constanzia gezahlt wurde. Constanzia wollte das Geld eigentlich an den Goldschmied Johann Melchior Dinglinger für diverse Geschmeide
bezahlen. Baumeister Matthäus Daniel Pöppelmann freut sich über den Betrag, faßt ihn als Gratifikation auf und zahlt damit die erste Jahresrate für sein Ferienhaus auf Mallorca. Die empörte Constanzia von Cosel
will sowohl von Aegidius wie von Pöppelmann ihr Geld zurück. Beide haben das Geld nicht mehr. Sie weigern sich und berufen sich auf Entreicherung.
Die Lösung:
1. Bereicherung
Aegidius Wurz und Pöppelmann sind um die jeweiligen überzahlten Beträge bereichert. Es handelt sich dabei um eine rechtsgrundlose Bereicherung nach
§ 812 BGB. Arbeitgeberin Constanzia schuldete das Geld nicht. Die Zahlungen beruhten auf einem reinen Versehen.
2. Wegfall der Bereicherung
Nach § 818 Abs. 3 BGB muß der Empfänger einer solchen rechtsgrundlosen Leistung das Erlangte dann nicht mehr herausgeben, wenn er das Geld ausgegeben hat,
also nicht mehr bereichert ist. Weitere Voraussetzung ist, daß er gutgläubig war, d.h. also von dem Versehen nichts wußte. Dies war bei Aegidius Wurz, vielleicht auch bei Pöppelmann der Fall. Beide haben darauf
vertraut, die Leistung wissentlich mit Rechtsgrund von Constanzia erhalten zu haben. Allerdings hätte Pöppelmann stutzig werden müssen bei der Höhe der Summe! Bei der Überzahlung von Gehalt kommt es für die Frage
der Entreicherung darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht hat. Sofern er sich mit dem Geld andere Werte verschafft hat, die noch in seinem Vermögen vorhanden
sind, ist er nicht entreichert.
3. Beweislast
Der Empfänger der Leistung, d.h. der Bereicherte, muß den Wegfall der Bereicherung darlegen und im Zweifel auch beweisen. Es handelt sich nämlich um eine
rechtsvernichtende Einwendung. Aegidius Wurz und Pöppelmann müssen im einzelnen darlegen und beweisen, wie sie das Geld ausgegeben haben, daß die Bereicherung weggefallen ist. Sie müssen auch beweisen, daß sie
weder Aufwendungen erspart haben, noch Schulden getilgt haben, noch ihren Vermögensstand verbessert haben, noch Anschaffungen getätigt haben etc. Matthias Wurz fällt dies nicht schwer. Er hat das Geld in der
Kneipe “Zum grünen Gewölbe” mit Freunden vertrunken. Hätte er es nicht gehabt, hätte er es auch nicht vertrinken können. Bei Pöppelmann ist dies anders. Er hatte schon das Haus auf Mallorca gekauft. Die Abzahlung
einer Jahresrate von 50.000 Euro hat ihn entsprechend von Schulden entlastet. Die Bereicherung ist damit nicht weggefallen. Etwas anderes wäre denkbar, wenn Pöppelmann aufgrund des Geldsegens eine vielleicht sonst
niemals getätigte Weltreise mit seiner Geliebten Lieselotte von der Pfalz durchgeführt hätte
>> Nächste Folge: Gehaltsüberzahlung II - Wegfall der Bereicherung oder Rückzahlung?
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