Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 44: Keine Erstattung von Geldbußen und Strafen

Der Fall:

    Spediteur Friedrich Barbarossa beschäftigt 2 Fahrer, nämlich den wilden Junker Hans von der Schwalm und den getreuen Ferdinand. Friedrich Barbarossa und sein Disponent Eisenhans drängen auf Tempo.
    Als der getreue Ferdinand und Junker Hans wegen der zu erwartenden Geldbußen und Strafen Dienst nach Vorschrift machen, sichert Friedrich Barbarossa bei seinem roten Barte den beiden Fahrern zu, daß eventuelle Geldbußen und Strafen von ihm übernommen werden.
    Die ersten Geldbußen des wilden Junkers Hans übernahm Barbarossa auch. Als der getreue Ferdinand aber zu einer Geldbuße von 3.600 DM wegen erheblicher Lenkzeitüberschreitungen verurteilt wurde und auch Junker Hans wiederum mit neuen Geldbußen antrat, verweigerte der alte Barbarossa die Erstattungen.
    Durch die vielen Geschwindigkeitsüberschreitungen, Geldbußen und Punkte in Flensburg hat der wilde Junker Hans auch noch seinen Führerschein verloren. Der dadurch neu zu absolvierende Führerschein hat ihn 10.000 DM gekostet. Auch den soll der alte Barbarossa ersetzen. Da Barbarossa sich weigert, klagen beide vor dem Arbeitsgericht. Sie berufen sich darauf, daß die Zusagen des Barbarossa dazu dienten, die Fahrer zu veranlassen, die knappen Termine und Ladezeiten des Disponenten Eisenhans einzuhalten.

Die Lösung:

1. Zusagen

    Im Rechtsverkehr hat generell jedermann seine Zusagen einzuhalten, sofern er sich damit rechtlich binden wollte, bzw. rechtlich gebunden hat. Dies gilt auch für Zusagen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern.
    Allerdings müssen bei solchen Zusagen und Verträgen stets die zwingenden Gesetze, Tarifverträge und anderen Rechtsvorschriften beachtet werden. Deshalb besteht kein genereller Verlaß darauf, daß eine Zusage letztendlich auch immer gerichtlich durchsetzbar ist.
    Bei mündlichen Zusagen wie denen des Altarbeitgebers Friedrich Barbarossa muß außerdem die Frage der Beweisbarkeit bedacht werden. Nicht umsonst hat Friedrich Barbarossa zu mittelalterlichen Zeiten alle wichtigen Verträge und Zusagen stets auf Pergament schreiben lassen, besiegelt und unterschrieben.
    Da der alte Barbarossa ein Ehrenmann ist, hat er die entsprechenden Zusagen im Prozeß aber nicht bestritten. Junker Hans und der getreue Ferdinand hatten insoweit noch Glück. Ohne entsprechende Zeugen wäre ihnen nämlich der Nachweis der Kostenerstattungszusage durch Barbarossa schwergefallen.

2. Sittenwidrigkeit

    Sittenwidrige Verträge sind nach § 138 BGB nichtig und damit rechtsunwirksam. Sittenwidrige Zusagen müssen deshalb nicht eingehalten werden.
    Nach ständiger Rechtsprechung sind Zusagen über die Erstattung von Geldbußen für Verstöße gegen Vorschriften im allgemeinen Straßenverkehr sittenwidrig und daher unwirksam. Die Zusage des alten Barbarossas, die Geldbuße des getreuen Ferdinands bei der Lenkzeitüberschreitung von letztendlich 3.600 DM zu übernehmen, ist unwirksam. Trotz der Zusage kann der getreue Ferdinand wegen der Sittenwidrigkeit der Zusage nicht obsiegen. Dasselbe gilt für die Geldbußen des wilden Junker Hans bei den Geldbußen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Hier gilt der Grundsatz: “Pacta sunt servanda” wegen Sittenwidrigkeit nicht. Den beiden Fernfahrern nützt auch der Hinweis nichts, daß der schlaue Barbarossa sie dadurch nur veranlaßt hat, die engen Termine des Disponenten Eisenhans einzuhalten. Wenn die Termine des Disponenten nicht einzuhalten waren ohne rechtswidrige Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung, so mußte den entsprechenden Anweisungen nicht gefolgt werden.
    Jedenfalls rechtfertigt das Handeln im Firmeninteresse nicht den Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Auch die Sittenwidrigkeit der Zusage des alten Barbarossa wird dadurch nicht geheilt.

3. Auftrag / Anordnungen

    Von allgemeinen Zusagen der Art Friedrich Barbarossas zu unterscheiden sind konkrete Anordnungen des Arbeitgebers. Generell muß der Arbeitgeber bei konkreten Anordnungen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wie auch nach den Vorschriften des BGB über den “Auftrag” die daraus entstehenden Kosten und Belastungen tragen.
    Soweit die konkrete Anordnung des Arbeitgebers sittenwidrig ist, ist er außerdem nach § 826 BGB gegenüber dem Arbeitnehmer zum Schadenersatz verpflichtet.
    Im vorliegenden Fall hat Barbarossa keine konkreten Anordnungen gegeben, gegen Gesetze zu verstoßen. Schon deshalb entfällt ein gesetzlicher Schadenersatzanspruch des wilden Junkers Hans und des getreuen Ferdinands.
    Könnte der getreue Ferdinand nachweisen, daß Barbarossa ihn im konkreten Fall bei einer bestimmten Tour anwies, die Lenkzeit zu überschreiten, so hätte sich Barbarossa selbst strafbar im Sinne der Verkehrsordnung gemacht.
    Allerdings gehört auch in diesem Falle der Anweisung die Erstattung von Geldbußen nur in seltenen Fällen zu dem vom Arbeitgeber zu ersetzenden Schaden.
    Selbst bei einer solchen konkreten Anweisung des Arbeitgeber, bei einer bestimmten Tour gegen die Lenkzeitverordnung zu verstoßen, wäre im Zweifel die Geldbuße von 3.600 DM vom getreuen Ferdinand alleine zu tragen gewesen.

4. Merke:

    Der Arbeitgeber hat kein Recht, den Arbeitnehmer zur Rechts- und Gesetzesverletzung anzuweisen. Verstößt der Arbeitnehmer gegen Gesetze, z.B. gegen die Straßenverkehrsordnung, so tut er das generell auf sein eigenes Risiko. Dies gilt insbesondere wegen der zu erwartenden Geldbußen. Der Arbeitgeber haftet nur im Ausnahmefall auf Schadenersatz.
    Etwaige Zusagen des Arbeitgebers auf Ersatz von Geldstrafen und Geldbußen sind sittenwidrig und nicht bindend. Der Arbeitnehmer tut gut daran, bei solchen Anweisungen dem Arbeitgeber zu widersprechen und sich nicht danach zu richten, auch wenn dies ggf. den Arbeitsplatz gefährden sollte.

>> Nächste Folge: Falsche Eingruppierung und Bezahlung
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug