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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 279: Arbeitslosengeld – Sperrzeit I

Der Fall

    Die leidenschaftliche Arbeitnehmerin Simone Beauvoir geriet mit ihrer Arbeitgeberin Maria Callas so in Streit, daß beide nur noch Arien von sich gaben. Über den Anlaß des Streits konnten beide Kontrahentinnen keine genauen Angaben mehr machen. Jedenfalls beendete Simone Beauvoir die disharmonische Polyphonie mit dem Bemerken: „In diesem Orchester flöte ich nicht mehr mit.“ Sodann zog sie eine schriftliche fristlose Kündigung aus ihrem Dekoltee und verließ postwendend und für immer die Bühne.
    Alexander Mitscherlich diente immer treu seinem Arbeitgeber Sigmund Freud. Als dieser aber zum wiederholten Male mit dem Lohn mehr als 3 Monate im Rückstand war, kündigte Alexander Mitscherlich das Arbeitsverhältnis, um bei Wilhelm Reich eine neue Existenz zu beginnen. Leider war dieser auch pleite. Mitscherlich mußte sich wie Simone Beauvoir arbeitslos melden.
    Arbeiter Emil Zatopek zeigte seinen Arbeitgeber Harry Belafonte ohne Vorankündigung bei der Gewerbeaufsicht an, weil er zum zweiten Mal unerlaubte Sonntagsarbeit leisten mußte.
    Arbeitnehmer Willy Birgel wies seinen Arbeitgeber Gustav Gründgens seit zwei Jahren vergeblich darauf hin, daß das von ihm geleitete Lager für Feuerwerkskörper und Sprengstoffe in einem Wohngebiet jeglicher Sicherheitsvorkehrungen entbehre und höchste Explosionsgefahr bestehe. Da Arbeitgeber Gründgens sich dafür überhaupt nicht interessierte, zeigte Willy Birgel den Arbeitgeber schließlich bei der Gewerbeaufsicht und der Polizei an.
    Die Arbeitgeber Belafonte und Gründgens warfen ihre Mitarbeiter Zatopek und Birgel jeweils fristlos raus. Alle 4 Arbeitnehmer meldeten sich bei der Arbeitsagentur Marburg pflichtgemäß arbeitslos mit dem Begehren um Arbeitslosengeld.
    Die Arbeitsagentur verhängte jedoch für alle 4 Arbeitnehmer eine Sperrzeit von 12 Wochen.
    Dagegen wenden sich die Arbeitnehmer. Sie halten die Sperrzeitregelung für ungerecht bzw. falsch. Simone Beauvoir wies nach, daß sie von ihrer Chefin Callas vor dem Streit mehrfach tief gedemütigt worden war. Die Callas habe sogar versucht, ihren Lebensgefährten Jean Paul Sartre zu verführen.
    Ist die Sperrzeit berechtigt?

Die Lösung

1. Sperrzeitregelung

      In § 144 SGB III hat der Gesetzgeber geregelt, daß der Arbeitslosengeldanspruch bis zur Dauer von 12 Wochen ruht, wenn die arbeitslose Person zum Eintritt der Arbeitslosigkeit oder zur Fortdauer der Arbeitslosigkeit durch versicherungswidriges Verhalten in entsprechendem Maße selbst beigetragen hat. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die arbeitslose Person einen wichtigen Grund für ihr versicherungswidriges Verhalten nachweisen kann.
      Dieser Ruhenstatbestand führt dazu, daß die arbeitslose Person während der Sperrzeit von der Arbeitsagentur keine Arbeitslosengeldzahlungen erhält. Das kann zu erheblichen finanziellen Engpässen bei den Betroffenen führen.
      Der Gesetzgeber hat 7 verschiedene Sperrzeittatbestände in § 144 Abs. 1 Ziff. 1 – 7 SGB III aufgeführt.

2. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe

    Nach Nr. 1 liegt versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst hat, z.B. durch eine Eigenkündigung. Ein weiterer Sperrzeittatbestand ist gegeben, wenn der Arbeitslose durch ein vertragswidriges Verhalten Anlaß für die Lösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat, z.B. für eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers oder einen Auflösungsvertrag. Voraussetzung für die Verhängung der Sperrzeit ist allerdings die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit durch das entsprechende Verhalten des Arbeitnehmers.

3. Sperrzeit bei Arbeitsablehnung

    Versicherungswidriges Verhalten mit der Folge der Sperrzeit liegt auch vor, wenn der Arbeitslose oder ein noch in Arbeit befindlicher, aber arbeitssuchend gemeldeter Arbeitnehmer trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit angebotene neue Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt.
    Zur Sperrzeit führt in diesem Zusammenhang auch ein Verhalten des Arbeitslosen, der die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert.

4. Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen oder Ablehnung einer Eingliederungsmaßnahme

    Die Sperrzeit kann verhängt werden, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen Eigenbemühungen und Maßnahmen nicht nachweist, die zuvor von der Agentur für Arbeit von ihm gefordert wurden.
    Die Sperrzeit kann von der Arbeitsagentur auch dann verhängt werden, wenn der Arbeitslose sich nach Belehrung weigert, an einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung, einer Trainingsmaßnahme, einer Maßnahme der Eignungsfeststellung und Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen.
    Zwar empfinden manche Arbeitslose die Aufforderung der Arbeitsagentur Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme als Schikane. Insbesondere schränkt dies erheblich ihren Raum zur Freizeitgestaltung ein. Gleichwohl ist allen Arbeitslosen dringend anzuraten, diesen Aufforderungen der Arbeitsagentur ordnungsgemäß nachzukommen.

5. Sperrzeit bei Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme, bei Meldeversäumnis oder verspäteter Arbeitssuchendmeldung

    Mit einer Sperrzeit rechnen muß jeder Arbeitslose, der eine Trainingsmaßnahme, eine Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder beruflichen Weiterbildung oder Teilhabe am Arbeitsleben abbricht. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitslose durch maßnahmewidriges Verhalten Anlaß für den Ausschluß aus einer dieser Maßnahmen gegeben hat.
    Wer trotz Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung der Arbeitsagentur zur Meldung nicht nachkommt, oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin nicht erscheint, muß ebenso mit einer Sperrzeit rechnen, wie der Arbeitslose, der seine Meldung zur Arbeitssuche verspätet vornimmt.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug