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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 


Folge 13:  Einstellung: Psychologisches Gutachten

In der Wirtschaft wird von Arbeitnehmern immer mehr verlangt. Das betrifft nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch das psychische Durchhaltevermögen, Charakterstärke, Härte gegenüber sich und anderen. Um die besten und schlagkräftigsten Arbeitnehmer zu bekommen, wird die Auswahl oft schon mittels psychologischer Gutachten getroffen. Gegenüber anderen Gutachten kann hier insbesondere die Durchhaltekraft, die Konzentrationsfähigkeit etc. viel besser getestet werden.


Der Fall:

    Arbeitgeber Willi Wüst braucht zwei persönliche Assistenten. Sie müssen treu, zuverlässig, stets einsatzbereit, hart, konzentriert und biegsam wie eine Weidenrute sein.
    Deshalb will Willi Wüst mit den Bewerbern Kalle Holzfuß und dem jung-dynamischen Jack Klemm einen umfangreichen Psychotest durchführen. Über Einzelheiten des Tests klärte er allerdings nicht auf. Im Laufe des Tests erkennt Kalle Holzfuß die Tragweite. Er bereut die Teilnahme und bricht den Test ab. Er will die Herausgabe aller Testergebnisse. Jack Klemm dagegen besteht den Test. Es wurmt ihn aber, daß er die Ergebnisse nicht kennt. Hat er ein Recht auf Einsicht?
    Ole Hering will auch die Vermögensverhältnisse des Max Hinkel wissen, seine Schulden, seinen Kontenstand und Vermögen.
    Max Hinkel wird ganz plümerant zumute. Er mimt einen Schwächeanfall, zieht sich zurück und fragt auf der Toilette leise den Betriebsrat, ob denn das alles zulässig sei. Auch der Betriebsrat Ungerührt ist sprachlos. Doch auch er weiß keine Antwort.
    Was darf Ole Hering nun fragen? 


Die Lösung:

1. Zulässigkeit

    Psychologische Tests sind mit Zustimmung der betroffenen Bewerber vom Grundsatz her zulässig. Es ist allerdings festzustellen, daß in der Wirtschaft heute – insbesondere in den besser bezahlten Bereichen – viele verschiedenartige Psychotests gängig sind. Die Vielfalt läßt sich kaum überblicken.
    Gegen viele dieser Tests bestehen massive Bedenken. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tests darauf ausgerichtet sind, die Persönlichkeit eines Bewerbers und sein Privatleben zu durchleuchten. Keinesfalls zulässig ist es, daß sich ein Test auf die gesamte Persönlichkeit des Arbeitnehmers erstreckt. Er muß sich auf die geplante Arbeitstätigkeit und die entsprechenden Anforderungen beschränken.
    Deshalb sind viele Tests in ihrer Tragweite problematisch oder unzulässig. Es lassen sich in der Praxis zwei wichtige Gruppen von Tests methodisch unterscheiden, nämlich der psychometrische Test und der projektive Test.

2. Psychometrischer Test

    Bei diesem Test werden bestimmte Eigenschaften oder Fähigkeiten eines Menschen mittels eines Meßverfahrens ausgetestet. Da dieser Test begrenzt ist, erhebt er keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere verfolgt der psychometrische Test nicht das Ziel, die Gesamtpersönlichkeit eines Bewerbers zu durchleuchten oder zu erfassen.

3. Projektiver Test

    Der projektive Test ist in der Regel sehr umfassend. Dem Bewerber werden z.B. Zeichnungen oder andere graphische Darstellungen, Symbole oder Texte, verbale Äußerungen etc. vorgelegt. Bei diesem Test werden auch verschwommene Bilder gezeigt. Der Bewerber soll die verschiedenen Darstellungen im graphischen, verbalen oder optischen Bereich deuten, umgestalten oder weiterentwickeln. Z.T. soll er auch Geschichten zu den Bildern erzählen, seine Gedanken preisgeben und weiterentwickeln.
    Projektive Tests sind generell problematisch und unzulässig im Bewerbungsverfahren, da sie versuchen, die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers zu erfassen (gläserner Bewerber). Gleichwohl sind sie in der Praxis häufig anzutreffen. Bewerber sollen und dürfen sich gegen solche Tests wehren.
    Wird ein Bewerber aufgrund eines solchen Tests abgelehnt, so kann er z.B. versuchen, durch eine Klage beim Arbeitsgericht Schadenersatz oder Schmerzensgeld vom Arbeitgeber zu bekommen.

4. Aufklärung/Einwilligung

    Da psychologische Tests sehr in die Tiefe gehen können, hätte der Arbeitgeber Willi Wüst die Bewerber exakt über den Zweck, die Methode, die Möglichkeiten und die Reichweite des von ihm veranstalteten Tests vor Beginn informieren müssen. Das hat Willi aber nicht getan.
    Aus diesem Grunde bezog sich die Zustimmung der Bewerber Kalle Holzfuß und Jack Klemm nicht auf die tatsächlich vorgenommenen Tests. Willi Wüst hat somit das Persönlichkeitsrecht der Bewerber verletzt. Sie könnten evtl. Schmerzensgeldansprüche gegen ihn besitzen.
    Intelligenztests, Kreativitätstests und andere Tests dieser Art dürfen ebenfalls grundsätzlich nur nach Aufklärung und nach ausdrücklicher Einwilligung der Bewerber durchgeführt werden.

5. Einsichtnahme

    Alle Testteilnehmer – egal ob sie eingestellt werden oder nicht – haben ein Recht auf Einsichtnahme in das Ergebnis ihrer Tests. Dies folgt schon aus dem Vertragsverhältnis zwischen Bewerber und Arbeitgeber. Dieses Einsichtsrecht ergibt sich auch daraus, daß der Möglichkeit des Mißbrauchs durch den Arbeitgeber vorgebeugt wird.
    Das Einsichtsrecht ist gerichtlich erzwingbar.

6. Herausgabe/Vernichtung

    Wird der Testteilnehmer nicht eingestellt, so muß er es nicht dulden, daß der Arbeitgeber das Testergebnis weiter bei sich aufbewahrt. Deshalb kann Bewerber Kalle Holzfuß die Herausgabe der Testergebnisse an ihn verlangen. Zumindest aber kann er von dem Arbeitgeber Willi Wüst die Vernichtung der Testergebnisse und den Nachweis der Vernichtung verlangen. Willi Wüst hat kein berechtigtes Interesse daran, diese Testergebnisse weiter aufzubewahren.
    Andernfalls besteht die Gefahr, daß Wüst diese Ergebnisse bei einer späteren Bewerbung des Ängstlich wiederum verwenden könnte.

7. Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats

    Der Betriebsrat muß prüfen, ob er nach § 94 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besitzt. Dieses Recht soll verhindern, daß der Arbeitgeber in rechtsmißbräuchlicher Weise testet und ausfragt.
    Sobald Äußerungen eines Bewerbers schriftlich festgehalten werden, kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG bestehen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 2 BetrVG besteht, wenn das Verhalten oder die Leistung des Bewerbers nach einheitlichen Kriterien bewertet und beurteilt wird. Dies ist regelmäßig der Fall. 

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug