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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 229: Neue Sperrzeitprobleme I

Der Fall:

    Arbeitgeberin Pallas Athene kündigt betriebsbedingt ihren flotten Fahrradboten Hermes. Post- und Frachtbeförderung werden im Weg des Outsourcing auf die Trojanische Spedition Priamus ausgelagert.
    Der altgediente Hermes ist empört. Unter Vermittlung des Rechtsanwaltes und Mediators Sokrates schlossen Pallas Athene und Hermes 2 Wochen nach Ausspruch der Kündigung einen Abwicklungsvertrag, um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Darin ist geregelt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wird. Im Gegenzug bekommt Hermes eine Abfindung von 5.000 Euro.
    Als bei der Arbeitsagentur die zuständige Sachbearbeiterin Cassandra von diesem Abwicklungsvertrag erfuhr, verhängte sie gegen den unglücklichen Hermes unverzüglich eine Sperrfrist von 12 Wochen für das Arbeitslosengeld.
    Hermes ist verzweifelt. Was haben beide Parteien falsch gemacht?

Die Lösung

1. Bisherige Rechtslage

    Nach § 147 Sozialgesetzbuch III muß der Arbeitslose mit einer Sperrzeit rechnen, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Dies galt vor allem, wenn er mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden war, das Arbeitsverhältnis „einvernehmlich“ beendet wurde.
    Ein solches Einvernehmen wurde deshalb schon immer bei „Aufhebungsverträgen“ angenommen. Dagegen konnten die Vertragsparteien bei „Abwicklungsverträgen“ damit rechnen, daß gegen den arbeitslosen Arbeitnehmer keine Sperrzeit verhängt wird.
    Dies hat sich nun mit dem neuen Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.12.2003 grundlegend geändert. Das Bundessozialgericht hat insoweit bei der Frage der Sperrfrist zu Lasten des Arbeitnehmers Klarheit geschaffen.

2. Aufhebungsvertrag

    Ein Aufhebungsvertrag liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer mit der Arbeitgeberin zur Vermeidung einer Kündigung einen Vertrag schließt, mit dem das Arbeitsverhältnis beendet wird.
    Unabhängig von der Formulierung, Bezeichnung, Etikettierung gingen die Bundesagentur und die Rechtsprechung davon aus, daß in diesem Falle der Arbeitnehmer aktiv und einvernehmlich mit der Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis beendete. Eine Sperrzeit war hier schon vorprogrammiert.
    Das entscheidende Merkmal des Aufhebungsvertrages besteht darin, daß eine Kündigung vor Vertragsschluß noch nicht ausgesprochen wurde.

3. Abwicklungsvertrag

    Im Gegensatz dazu wurde der Abwicklungsvertrag bisher zeitlich im Anschluß an eine vom Arbeitgeber ausgesprochene, in der Regel betriebsbedingte Kündigung geschlossen.
    In diesem Abwicklungsvertrag akzeptierte der Arbeitnehmer die schon ausgesprochene Kündigung. Er verzichtete praktisch auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder nahm die bereits erhobene Klage zurück.
    Im Gegenzug versprach die Arbeitgeberin eine Abfindung. Weiterhin wurden im Abfindungsvertrag möglichst alle anderen wichtigen Punkte, wie Restlohnzahlung, Urlaub, Zeugnis, Arbeitspapiere etc. geregelt.
    Bei diesen gerichtlichen oder außergerichtlichen Abwicklungsverträgen wurde von der Arbeitsagentur in der Regel bzw. in vielen Fällen keine Sperrzeit verhängt. Das Bundessozialgericht hatte sich insoweit auch noch nicht auf eine Sperrzeit festgelegt. Zumindest bei außergerichtlichen Abwicklungsverträgen werden zukünftig Sperrzeiten verhängt.
    Das hat sich mit der neuen Entscheidung des Bundessozialgerichtes jedoch grundlegend geändert.

4. Unterlassen der Kündigungsschutzklage

    Das bloße Unterlassen einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer löst keine Sperrzeit aus. Dies galt bereits in der Vergangenheit und gilt auch weiter in der Zukunft. Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung vom 18.12.2003 noch einmal ausdrücklich dazu Stellung genommen.
    Es hat ausgeführt, daß das Arbeitslosenversicherungsrecht dem Arbeitnehmer nicht die Obliegenheit auferlegt, sich zur Vermeidung einer Sperrzeit gegen eine rechtswidrige Kündigung zu wehren. Die Sperrzeitenregelungen des § 144 SGB III knüpft lediglich an ein aktives Verhalten eines Arbeitnehmers an.
    Wenn der Arbeitnehmer nur passiv bleibt, sich also nicht gegen die Kündigung wehrt und auch keinen Auflösungs- oder Abwicklungsvertrag abschließt, kann dem Arbeitnehmer daraus kein Vorwurf gemacht werden. Die Arbeitsagentur darf keine Sperrfrist verhängen.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug