Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 194: Betriebsausflug I

Der Fall

    Die Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers Häberle bildeten den Singkreis Frohsinn. Der Singkreis Frohsinn möchte gerne zur Hopfenkur auf das Oktoberfest fahren und meint, dies sei ein Betriebsausflug. Trollinger-Schlotzer Häberle ist fassungslos. Dem Arbeitgeber Häberle paßt der Betriebsausflug 2006 überhaupt nicht in das Produktionskonzept. Wegen guter Aufträge will er den Betriebsausflug streichen. Arbeitnehmer Gscheidle dagegen meint nach Heranziehung eines Ratgebers, daß er einen Anspruch auf einen Betriebsausflug besitze.
    Arbeitnehmerin Kirschblüte möchte an dem Betriebsausflug nicht teilnehmen. Sie hat 3 Hunde und bekommt diese nicht unter. Statt der Teilnahme an dem Betriebsausflug möchte sie dann einen freien Tag genehmigt bekommt. Häberle weint ob dieser neuen Sitten.
    Wegen der Telefonanlage muß Notdienst gemacht werden. Keiner will den Notdienst während des Betriebsausflugs übernehmen. Der Arbeitgeber bestimmt deshalb einseitig die Arbeitnehmerin Kirschblüte und den aufmüpfigen Gscheidle für den Notdienst. Müssen diese kommen?

Die Lösung

1. Was ist Betriebsausflug?

    Nicht jede gemeinsame gesellschaftliche Betätigung von Arbeitnehmern eines Betriebes stellt einen Betriebsausflug dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn Mitarbeiter ohne Beteiligung des Arbeitgebers oder des Betriebsrates für sich oder einen bestimmten Kollegenkreis gesellige Veranstaltungen durchführen.
    Ein Betriebsausflug im rechtlichen Sinne liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber befragt und mit der Durchführung der Veranstaltung als Betriebsausflug einverstanden ist.
    Organisiert dagegen der Singkreis Frohsinn eine Fahrt zum Oktoberfest außerhalb der Arbeitszeit am Wochenende, ohne daß Arbeitgeber Häberle eingebunden ist, so ist dies eine reine Privatveranstaltung.

2. Rechtsgrundlagen

    Zur Durchführung des Betriebsausfluges, zur Frage der Anspruchsbegründung und zu den Einzelheiten gibt es keine gesetzlichen Regelungen. Normalerweise finden sich auch in den Arbeitsverträgen keine entsprechenden Vereinbarungen.
    Es wäre nur möglich, daß zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat im Wege der freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 81 Betriebsverfassungsgesetz eine Vereinbarung über die Abhaltung eines oder mehrerer Betriebsausflüge getroffen worden ist.
    In einem solchen Falle ist zu empfehlen, die Einzelheiten so genau wie möglich zu regeln.

3. Anspruch auf Betriebsausflug?

    Mangels gesetzlicher oder vertraglicher Regelung existiert normalerweise kein Anspruch eines Mitarbeiters auf den Betriebsausflug. Insbesondere besteht keine Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung eines Betriebsausflugs aus vertraglichen Nebenpflichten. Zunächst jedenfalls ist der Arbeitgeber frei darin, ob er der Durchführung eines Betriebsausfluges zustimmt oder nicht.
    Soweit seit vielen Jahren regelmäßig und ohne Rechtsvorbehalt durch den Arbeitgeber im Unternehmen Betriebsausflüge stattfinden, könnte über eine betriebliche Übung nachgedacht werden. Auch das ist gerichtlich nicht generell abgeklärt und eine Frage des Einzelfalles.

4. Teilnahmepflicht?

    Soweit ein Betriebsausflug mit Billigung des Arbeitgebers oder in Absprache zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber stattfindet, haben alle Mitarbeiter des Betriebes einen Anspruch auf Teilnahme an dem Betriebsausflug.
    Dies gilt auch dann, wenn bei Großbetrieben die Betriebsausflüge im Rahmen von Bereichen oder Abteilungen durchgeführt werden.
    Der Ausschluß einzelner Arbeitnehmer vom Betriebsausflug ohne sachlichen Grund wäre ein Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung oder ein allgemeines Diskriminierungsverbot.
    Interessanter ist die Frage der Teilnahmepflicht. Eine solche Teilnahmepflicht am Betriebsausflug besteht grundsätzlich nicht. Die Teilnahmepflicht ergibt sich weder aus Gesetz, noch aus dem Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
    Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Erbringung einer Arbeitsleistung in einer bestimmten Weise zur Verfügung zu stellen. Daraus folgt aber nicht als Nebenpflicht die Teilnahme an Geselligkeiten, Betriebsausflügen o.ä. Dagegen steht im übrigen auch das Persönlichkeitsrecht des einzelnen Arbeitnehmers.
    Arbeitnehmerin Kirschblüte kann sich deshalb zu Recht weigern, am Betriebsausflug teilzunehmen.

5. Freistellung von der Arbeit

    Die Arbeitnehmer, die am Betriebsausflug nicht teilnehmen, unterliegen ihren ganz normalen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer, der nicht für den Betriebsausflug mit Billigung des Arbeitgebers freigestellt ist, generell seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat.
    Ein Anspruch auf Freistellung an diesem Tag besteht nicht.
    In der Praxis ist jedoch die Durchführung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit am Tag des Betriebsausfluges nicht immer möglich. Durch das Fehlen vieler Mitarbeiter können bestimmte Betriebsabläufe blockiert sein.
    Der Arbeitgeber hat dann im Wege des Direktionsrechtes nach § 109 Gewerbeordnung das Recht, dem zurückbleibenden Arbeitnehmer in andere vergleichbare oder zumutbare Tätigkeiten zuzuweisen. Gerade in diesem Falle wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers gegenüber dem Normalfall erweitert sein, um einen sinnvollen Einsatz des Mitarbeiters am Tag des Betriebsausflugs zu ermöglichen.

>> Nächste Folge:
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug