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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 195: Betriebsausflug II

Der Fall

    Der Betriebsausflug bei Arbeitgeber Häberle dauert bis tief in die Nacht, bis 24 Uhr. Notgedrungen mußten auf Arbeitgeberweisung die Abteilungsleiterin Kirschblüte und der Buchhalter Gscheidle Notdienst leisten. Sie meinen, wegen dieser „Zusatzleistung“ zumindest Überstundenzuschläge von 50 % beanspruchen zu können.
    Die am Betriebsausflug beteiligten Arbeitnehmer verweisen darauf, daß Dienstschluß um 17.00 Uhr war. Die Zeitdifferenz bis 24 Uhr von 7 Stunden möchten sie als Überstunden vergütet bekommen. Zumindest aber müsse Häberle einen Freizeitausgleich gewähren.
    Arbeitgeber Häberle hat einen Zuschuß zum Betriebsausflug gegeben. Er hat die Fahrtkosten bezahlt, die Eintritte und ein üppiges Mittagessen spendiert. Arbeitnehmer Gscheidle, der als Notdienst in der Telefonzentrale saß, kippt schier über, als er dies hörte. Er möchte auch noch einen Zuschuß entsprechend dieser Arbeitgeberzuwendungen. Häberle dagegen meint, daß die Zuschüsse nur für den Betriebsausflug gedacht waren.
    Die ängstliche Mitarbeiterin Susanne verknackst sich beim fröhlichen Abschlußtanz einen Fuß. Lag ein Betriebsunfall vor?
    Arbeitgeber Häberle bekommt Besuch von seinem Steuerberater. Dieser prüft, ob Steuer für seine Zuschüsse zum Betriebsausflug zu bezahlen ist. Häberle fühlt sich vom Finanzamt verfolgt.

Die Lösung

1. Notdienst

    In vielen Betrieben ist die Einrichtung eines Notdienstes oder einer „Stallwache“ erforderlich, um bestimmte wichtige betriebliche Funktionen aufrechtzuerhalten oder um Kunden bedienen zu können.
    Soweit ein Betriebsrat besteht, empfiehlt es sich, eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des Notdienstes abzuschließen.
    Besteht kein Betriebsrat oder kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, so muß der Arbeitgeber versuchen, innerhalb des Betriebes einvernehmlich Mitarbeiter zu finden, die den Notdienst ableisten. Dies kann durch eine Umfrage bei den Mitarbeitern geschehen.
    Sollte jedoch sich niemand zur Durchführung des Notdienstes bereitfinden, so kann der Arbeitgeber die im Betrieb verbliebenen Mitarbeiter für den Notdienst bestimmen. Dies ist sachgerecht. Es ist deshalb richtig, daß Arbeitgeber Häberle die zurückgebliebene Arbeitnehmerin Kirschblüte für den Notdienst einteilt.
    Reicht dies nicht aus, um den Notdienst abzudecken, kann der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts auch Mitarbeiter zum Notdienst bestimmen, die am Betriebsausflug teilnehmen wollen. Er hat bei der Durchführung der Auswahl die Grundsätze des billigen Ermessens nach § 315 BGB zu beachten.
    Generell ist gegen die Bestimmung des Arbeitnehmers Gscheidle zum Notdienst nichts einzuwenden. Im vorliegenden Falle könnte jedoch ein Racheakt des Häberle vorliegen wegen der Vorwitzigkeit von Gscheidle. Dann würde die Auswahl von Gscheidle gegen die Grundsätze des Billigen Ermessens verstoßen.
    Da Gescheidle am Betriebsausflug teilnehmen wollte, darf er gegenüber den anderen Kollegen nicht benachteiligt werden. Dieses Benachteiligungsverbot führt dazu, daß Gscheidle zum Ausgleich für den Notdienst einen anderen freien Tag fordern kann.

2. Vergütungspflicht

    Soweit Arbeitnehmer am Betriebsausflug teilnehmen, der während der Arbeitszeit stattfindet, ist vom Arbeitgeber die ausgefallene Arbeitszeit auch zu bezahlen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betriebsausflug mit seinem Einverständnis stattfand.
    Der Arbeitnehmer Gscheidle im Notdienst ist ebenfalls mit seiner vertraglich geschuldeten Vergütung zu bezahlen, da er gearbeitet hat.
    Hätte die im Betrieb ebenfalls verbliebene Mitarbeiterin Kirschblüte wegen der veränderten Betriebsabläufe nicht im Notdienst mitarbeiten müssen, so wäre ihr ggf. unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Lohn zu zahlen gewesen. Dies gilt, wenn sie durch die geänderten Betriebsabläufe ihre Arbeitsleistung nicht hätte erbringen können.
    Arbeitnehmer Gscheidle und Abteilungsleiterin Kirschblüte können jedoch keine Zusatz- oder Mehrvergütung für ihren Notdienst verlangen. Sie haben ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Dafür steht ihnen der vereinbarte Lohn zu, mehr nicht.
    Auch die Mitarbeiter, die am Betriebsausflug teilnahmen, können nur die Vergütung für die ausgefallene Arbeitszeit verlangen. Soweit sie in ihrer Freizeit am Betriebsausflug teilnahmen, war dies freiwillig und löst weder nach dem Arbeitsvertrag, noch nach sonstigen allgemeinen Kriterien eine Vergütungspflicht aus. Es gilt der alte Grundsatz: Ohne Arbeit kein Lohn.
    Davon gibt es zwar gewisse Ausnahmen, z.B. nach dem Urlaubsgesetz, nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz bei Krankheit oder dem Betriebsverfassungsgesetz bei Betriebsratstätigkeit. Doch auch hier ist stets nur die ausgefallene Arbeitszeit zu bezahlen.

3. Freizeitausgleich

    Erstreckt sich der Betriebsausflug über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus, so besteht weder ein Anspruch auf Freizeitausgleich, noch auf Überstundenvergütung.
    Achtung: Besonderheiten können bestehen in Betrieben mit unterschiedlichen Arbeitszeiten, z.B. bei Schichtarbeit. Hier muß davon ausgegangen werden, daß die Schichtarbeitnehmer oder Arbeitnehmer mit verschobenen Arbeitszeiten jedenfalls im Umfang ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitszeit einen Vergütungsanspruch besitzen, unabhängig davon, ob der Betriebsausflug nun genau in ihrer Schicht fällt oder nicht.
    Teilzeitarbeitnehmer bekommen nur Vergütung für ihre Teilzeit, nicht für den ganzen Tag, es sei denn, es wäre vertraglich etwas anderes geregelt.
    Erstreckt sich ein Betriebsausflug über mehrere Tage, so ist es eine Frage der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bzw. zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, ob die in der Freizeit liegenden Tage durch Freizeitausgleich oder Vergütung vom Arbeitgeber bezahlt werden.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug