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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 334: Schutz der behinderten Menschen V
Frage:
Wenn ich schwerbehindert bin und meine Behinderung schreitet fort, so daß ich meine bisherige Arbeit nicht mehr verrichten
kann, muß mich dann der Arbeitgeber mit einer anderen Tätigkeit beschäftigen? Wenn ich einen Unfall erleide mit bleibenden Schädigungen, kann ich dann verlangen, daß ich im Betrieb umgesetzt werde auf einen
leidensgerechten Arbeitsplatz? Kann der Arbeitgeber einwenden, daß er keine zumutbare und mögliche Beschäftigung im Betrieb besitzt? Muß er einen anderen Arbeitsplatz wegen mir freiräumen?
Der Fall:
Arbeitgeber Gustav Mahler beschäftigt im Maschinensaal den Vorarbeiter Philipp Scheidemann. Nachdem dieser seine
revolutionäre Politikertätigkeit beendet hatte, fand er bei Mahler eine Anstellung. Wegen seinem Redetalent muß er die Maschinenarbeiter beaufsichtigen und an ihren Arbeitsplätzen die Arbeit zuteilen. Im
Rahmen eines Verkehrsunfalls erlitt Scheidemann schwere dauerhafte Verletzungen. Er ist als schwerbehindert anerkannt. Er kann aber nicht mehr stehen und hin und her gehen. Zunächst verlangt Scheidemann von
Gustav Mahler eine stufenweise Eingliederung. Zum anderen schlägt er vor, ihm eine andere Arbeit, z.B. im Büro zuzuteilen. Gustav Mahler zögert und meint, daß Scheidemann darauf keinen Anspruch habe.
Die Lösung:
1. Gesetzlicher Behindertenschutz
Nach § 81 Abs. 4 Ziff. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf
Beschäftigungen, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Dies ist die zentrale Vorschrift, die den Arbeitgeber auch zwingen soll, dem schwerbehinderten
Mitarbeiter einen leidensgerechten und angemessenen Arbeitsplatz zu geben.
2. Kein Anspruch auf bestimmten Arbeitsplatz
Das Schwerbehindertenrecht räumt dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz ein. Es ist deshalb
nicht ratsam, daß der schwerbehinderte Mitarbeiter sich auf einen ganz bestimmten Arbeitsplatz versteift, den er bei Eintritt seiner Behinderung oder bei einer Verschlechterung haben möchte. Generell ist der
Arbeitgeber berechtigt, im Rahmen der Zumutbarkeit ihm einen behindertengerechten Arbeitsplatz seiner Wahl zuzuweisen.
3. Anspruch auf Vertragsänderung
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10.5.2005 – 9 AZR 230/04) folgt aus der Vorschrift des
§ 81 Abs. 4 Ziff. 1 SGB IX der Anspruch des schwerbehinderten Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber auf eine Beschäftigung, die den Fähigkeiten des Mitarbeiters entspricht. Der Arbeitgeber erfüllt diesen
Anspruch i.d.R. dadurch, daß er den Mitarbeiter die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann jedoch der schwerbehinderte Mitarbeiter wegen seiner Behinderung diese vertraglichen Tätigkeiten nicht mehr
wahrnehmen, so führt diese Einschränkung in der Befähigung des Mitarbeiters nicht automatisch zum Wegfall des Beschäftigungsanspruches. Der schwerbehinderte Mitarbeiter kann vielmehr nach der
BAG-Rechtsprechung einen Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben, soweit diese andere Beschäftigung mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit übereinstimmt. Soweit dies nicht der Fall ist, hat er
ggf. einen Anspruch auf eine entsprechende Vertragsänderung. Dieser besondere Beschäftigungsanspruch entsteht unmittelbar kraft Gesetzes und kann ohne vorherige Vertragsänderung geltend gemacht werden. Soweit
zu einer veränderten Tätigkeit die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich ist, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dessen Zustimmung einzuholen.
4. Kein absoluter Anspruch auf Beschäftigung
Mit dem Gesetz wird dem schwerbehinderten Arbeitnehmer jedoch kein absoluter Anspruch auf Beschäftigung eingeräumt. Es ist
immer erforderlich, daß der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse in der Lage ist, die andere Tätigkeit auch tatsächlich auszuüben. Außerdem ergibt sich aus der Regelung des § 81 Abs. 4 Satz
3 SGB IX, daß die neue Beschäftigung dem Arbeitgeber zumutbar sein muß und nicht mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden sein darf. So ist der Arbeitgeber z.B. nicht verpflichtet, für den
schwerbehinderten Mitarbeiter einen neuen, zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten.
5. Unzumutbare Weiterbeschäftigung
Zunächst muß sich der Arbeitgeber nach dem Gesetz darum bemühen, dem Mitarbeiter eine behinderungsgerechte Beschäftigung
zu verschaffen. Er kann nicht nur behaupten, er verfüge über keinen geeigneten Arbeitsplatz. Er muß zunächst mit dem Mitarbeiter, der Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebsrat/Personalrat die Lage ernsthaft
und eingehend prüfen. Findet er gleichwohl keine Beschäftigungsmöglichkeit, so erfordert es die gebotene sachliche Auseinandersetzung mit dem Beschäftigungsverlangen des Schwerbehinderten, daß der Arbeitgeber
substantiiert darlegt, aus welchen Gründen die vom Arbeitnehmer vorgeschlagenen Beschäftigungsmöglichkeiten nicht in Betracht kommen. Der Arbeitgeber hat im Zweifel den umfassenden Überblick über die
betrieblichen Arbeitsplätze und die dort zu erfüllenden Anforderungen. Aus diesem Grunde muß er darlegen, welche Arbeitsplätze mit welchem Anforderungsprofil versehen sind, für welche Zeiträume diese
Arbeitsplätze besetzt sind, ob Arbeitsaufgaben sinnvoll anderweitig verteilt werden können, oder Arbeitsplätze in absehbarer Zeit frei werden.
6. Fazit
Der schwerbehinderte Mensch hat nach Gesetz und Rechtsprechung Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung. Zur
Begründung dieses Anspruches hat er regelmäßig bereits dann schlüssig vorgetragen, wenn er die Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigt, die seinem infolge der Behinderung eingeschränktem Leistungsvermögen und
seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen. Der Arbeitgeber hat sich hierauf substantiiert einzulassen und die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, daß solche behinderungsrechte
Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bestehen bzw. ihm die Zuweisung einer solchen Beschäftigung unzumutbar ist. Dazu kann auch die Darlegung gehören, daß ein entsprechender freier Arbeitsplatz nicht vorhanden
ist und durch Versetzung auch nicht freigemacht werden kann. Der Arbeitgeber hat keine Pflicht, einen Arbeitsplatz freizukündigen! Eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers muß der Arbeitgeber
generell darlegen, begründen und auch beweisen. Zu einer solchen behinderungsgerechten Arbeit gehört nach der Rechtsprechung auch der Anspruch des Behinderten auf eine stufenweise Wiedereingliederung in die
vertraglich geschuldete Tätigkeit oder in eine neue behinderungsgerechte Tätigkeit.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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