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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 319: Klatsch und Tratsch im Betrieb II

Frage:

Ist jede Äußerung, die ich im Betrieb zu Arbeitskollegen mache oder außerhalb über meinen Arbeitgeber für mich gefährlich? Darf ich im Rahmen meiner Meinungsfreiheit mich über meine Arbeit und meinen Arbeitgeber äußern wie ich will? Muß ich mir gefallen lassen, wenn Arbeitskollegen über mich unwahre Dinge erzählen?

Der Fall:

    Der Betriebsrat Anton Bruckner behauptete von der neuen unbeliebten Personalleiterin Diana von Portier, sie habe die Stellung nur erhalten, weil sie sich „hochgebumst“ habe. Er wird gekündigt.
    Maschinenarbeiter Eduard Möricke behauptet vom Betriebsratsmitglied Richard Löwenherz, dieser sei bestechlich.
    Clemens von Brentano erzählt gegenüber wichtigen Zulieferern und Lieferanten, daß sein Chef Achim von Arnim pleite sei.
    Arbeitgeber Friedrich von Savigny erzählte in kleinem Kreis, daß der Betriebsleiter ETA Hoffmann wegmüsse. Das sei ihm im Zweifel 50.000 Euro wert. Der schlecht deutsch sprechende Mitarbeiter Deng Xiao Ping erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen eines Mordauftrages und wurde fristlos gekündigt.
    Die Kreditsachbearbeiterin Leni Riefenstahl verdrehte jedesmal ihre Augen und spuckte aus, wenn ihr Abteilungsleiter Luis Trenker an ihrem Schreibtisch vorüberging. Das will sich Luis Trenker nicht länger bieten lassen.

Die Lösung:

6. Vertraulichkeit

    Ein Arbeitnehmer hat in einer Unterhaltung mit Mitarbeitern über den Personalchef behauptet, daß dieser eine besondere Schwäche für junge blonde Männer besitze und bei der Einstellung dann entsprechende junge Männer auch bevorzugt würden. Da der Arbeitnehmer diese Äußerung in einem sehr engen, vertrauten Kreise gemacht hatte, durfte er als sicher davon ausgehen, daß seine Arbeitskollegen diese Äußerung für sich behalten. Dem Arbeitgeber kam die Äußerung trotzdem zu Ohren und er kündigte fristlos. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitgerichts war diese Kündigung unwirksam, da der Arbeitnehmer sich auf die Vertraulichkeit des Gespräches habe verlassen können. Wenn die Gesprächspartner diese Vertraulichkeit ohne vernünftigen Grund mißachteten und ihren Inhalt dem Arbeitgeber oder den angesprochenen Vorgesetzten mitteilten, so sei dies kein Anlaß für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

7. Allgemeiner Tratsch

    Wo Menschen zusammen sind, liegt Tratsch über Abwesende nahe. Es handelt sich dabei leider um ein allgemein menschliches Verhalten, vor dem nur wenige gefeit sind.
    Aus diesem Grunde geht die Rechtsprechung davon aus, daß die Kündigung eines Arbeitnehmers, der im Kollegenkreis abfällige Äußerungen über andere Mitarbeiter gemacht hat, im Allgemeinen nicht gerechtfertigt ist. Allgemeiner Tratsch, insbesondere dann, wenn er unschön oder gar ehrenrührig ist, kann jedoch zu einer Abmahnung führen.
    Handelt es sich jedoch um Äußerungen, die strafrechtlich relevant und besonders beleidigend sind, die insbesondere den Betriebsfrieden nachhaltig stören, so kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Äußerungen nicht in einem besonders vertraulichen Kreis gemacht worden sind (siehe oben).

8. Internet

    Sofern Arbeitnehmer über den Arbeitgeber im Internet wahrheitswidrige Dinge äußern, ihn beleidigen oder gar geschäftsschädigende Äußerungen ins Internet setzen, müssen sie damit rechnen, daß ihnen wegen Störung des Betriebsfriedens oder wegen Geschäftsschädigung gekündigt werden darf.
    Wer ohne triftigen Grund den Arbeitgeber beleidigt oder schädigt, kann sich insbesondere nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung berufen.

9. Freie Meinungsäußerung

    Der Arbeitnehmer ist generell berechtigt, sich über Betriebsangelegenheiten und auch die Vorgesetzten kritisch zu äußern. Dies gilt insbesondere für Äußerungen auf der Betriebsversammlung. Die Meinungsäußerung muß aber die gesetzlichen Schranken wahren. Sie darf nicht zu Ehrverletzungen und Störungen des Betriebsfriedens führen. Überschreitet sie die Grenzen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein.
    Die Grenzen des Gesetzes sind insbesondere bei Schmähkritik oder Formalbeleidigung überschritten, die nicht vom Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsäußerung gedeckt sind. Zu Äußerungen, die zu Kündigungen führen können, gehören insbesondere auch diskriminierende Äußerungen, ausländerfeindliche oder rechtsradikale Äußerungen. Auch die Beleidigung von Kunden kann eine Kündigung rechtfertigen.

10. Ausspucken

    Beleidigende Äußerungen, die Tratsch und Klatsch im Betrieb verstärken, können auch non-verbaler Art sein. Es ist deshalb beleidigend, wenn Leni Riefenstahl beim Defilieren ihres Vorgesetzten Luis Trenker die Augen verdreht oder gar auf den Boden spuckt. Hier wäre zunächst jedoch eine Abmahnung angesagt.

11. Betriebsratsbeleidigung

    Die Behauptung von Eduard Möricke, der Betriebsrat Richard Löwenherz sei bestechlich, ist eine Beleidigung und kann je nach Umständen des Einzelfalles zur Abmahnung oder ggf. auch eine Kündigung führen.

12. Mordanzeige

    Die Äußerung Friedrichs von Savigny, ETA Hoffmann müsse weg, koste es was es wolle, ist zwar nicht von der feinfühligsten Art. Gleichwohl beinhaltet diese Äußerung keinen Mordauftrag oder keinen Mordkomplott. Die Anzeige des Mitarbeiters Deng Xiao Ping bei der Staatsanwaltschaft beinhaltet deshalb eine falsche Anschuldigung. Diese kann zu einer Kündigung führen. Zugunsten von Deng kann jedoch angeführt werden, daß dieser als ausländischer Mitarbeiter angesichts der Methoden der chinesischen Mafia durch diese Äußerung so erschrocken war, daß er überreagiert bzw. den Arbeitgeber falsch verstanden hat. Hier wäre eine Abmahnung angemessen.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug