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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 318: Klatsch und Tratsch im Betrieb I

Frage:

Ist jede Äußerung, die ich im Betrieb zu Arbeitskollegen mache oder außerhalb über meinen Arbeitgeber für mich gefährlich? Darf ich im Rahmen meiner Meinungsfreiheit mich über meine Arbeit und meinen Arbeitgeber äußern wie ich will? Muß ich mir gefallen lassen, wenn Arbeitskollegen über mich unwahre Dinge erzählen?

Der Fall:

    Der Betriebsrat Anton Bruckner behauptete von der neuen unbeliebten Personalleiterin Diana von Poitiers, sie habe die Stellung nur erhalten, weil sie sich „hochgebumst“ habe. Er wird gekündigt.
    Maschinenarbeiter Eduard Möricke behauptet vom Betriebsratsmitglied Richard Löwenherz, dieser sei bestechlich.
    Clemens von Brentano erzählt gegenüber wichtigen Zulieferern und Lieferanten, daß sein Chef Achim von Arnim pleite sei.
    Arbeitgeber Friedrich von Savigny erzählte in kleinem Kreis, daß der Betriebsleiter ETA Hoffmann weg müsse. Das sei ihm im Zweifel 50.000 Euro wert. Der schlecht deutsch sprechende Mitarbeiter Deng Xiao Ping erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen eines Mordauftrages und wurde fristlos gekündigt.
    Die Kreditsachbearbeiterin Leni Riefenstahl verdrehte jedesmal ihre Augen und spuckte aus, wenn ihr Abteilungsleiter Luis Trenker an ihrem Schreibtisch vorüberging. Das will sich Luis Trenker nicht länger bieten lassen.

Die Lösung:

1. Kommunikation im Betrieb

    Kommunikation ist in allen Betrieben sehr wichtig, um Geschäftsabläufe zu optimieren und um den Mitarbeitern ein Klima zu bieten, bei dem sie sich wohl fühlen.
    Zu viel an Kommunikation kann allerdings problematisch werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kommunikation sich auf einer weniger sachlichen Ebene bewegt, in Gerüchten und Tratsch endet.
    Andererseits läßt es sich beim Zusammenarbeiten von vielen Menschen nicht verhindern, daß deren Lieblingsbeschäftigung tatsächlich stattfindet, nämlich über andere Menschen zu reden. Die Frage ist, wie weit hier die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Vertraulichkeit zu wahren sind im Spannungsverhältnis zum Persönlichkeitsrecht der Arbeitskollegen bzw. zur Wahrheitspflicht und zur Wahrung des Respekts.

2. Geschäftsschädigende Äußerungen

    Äußert sich Arbeitnehmer Brentano über seinen Chef Achim von Arnim in geschäftsschädigender Weise, ist dies stets problematisch. Behauptet der Mitarbeiter gegenüber Geschäftskunden oder Geschäftspartnern gar, daß der Chef pleite sei, so kann dies nach der Rechtsprechung eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Position und aufgrund seiner Kenntnislage ernstzunehmen war.

3. Verletzung der Menschenwürde

    Die Behauptung von Bruckner, die Personalchefin habe sich im Unternehmen „hochgebumst“ kann ebenfalls eine Kündigung rechtfertigen. Eine solche Behauptung ist nicht nur beleidigend, sondern geeignet, das Ansehen und die Durchsetzungsfähigkeit der Personalchefin massiv zu untergraben.
    Ein Betriebsrat ist nur außerordentlich kündbar. Im entsprechenden Fall hat das Arbeitsgericht eine fristlose Kündigung für nicht gerechtfertigt angesehen, weil das Betriebsratsmitglied nachweislich unter Streß gestanden hat und es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt habe. Gleichwohl ist eine solche Äußerung geeignet, das Vertrauensverhältnis massiv zu stören.

4. Weitergabe an zuständige Stellen

    Hört ein Arbeitnehmer Gerüchte über angebliche strafbare Handlungen oder sexuelle Übergriffe eines Kollegen und gibt er diese Gerüchte an den Betriebsrat weiter mit der Bitte um Klärung, so kann der Mitarbeiter nicht so ohne weiteres wegen falscher Anschuldigung entlassen werden. Der Mitarbeiter ist in diesem Falle kein Denunziant, da der Betriebsrat einerseits zur Klärung solcher Probleme berufen und andererseits zur Kündigung nicht berechtigt ist.
    Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Mitarbeiter positiv gewußt haben sollte, daß die Gerüchte falsch sind und vorsätzlich wahrheitswidrig andere beschuldigt.

5. Denunzierung

    Denunzierungen sind grundsätzlich sehr problematisch, auch wenn sie dem Empfänger im Einzelfall nützen mögen. Schon die Republik Venedig hat für Jahrhunderte ein offizielle Denunzianten-System errichtet mit steinernen Briefkästen an vielen Orten, um anonyme Anschuldigungen entgegenzunehmen. Dies hat zu der Verfolgung vieler Unschuldiger geführt.
    Hinterbringt ein Arbeitnehmer abfällige oder beleidigende Äußerungen eines Arbeitskollegen über Vorgesetzte oder Kollegen selbst dem Arbeitgeber, so kann dies nach der älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung des Denunzianten führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der angeschwärzte Arbeitskollege weigert, weiter mit dem Denunzianten zusammenzuarbeiten.
    Problematisch wird die Sache dann, wenn der Arbeitgeber die Mitarbeiter zur Denunziation regelrecht auffordert. Dies war z.B. bei den „Ethik-Richtlinien“ einer amerikanischen Firma der Fall. Die Firma hat die Mitarbeiter aufgefordert, alle vertragswidrigen Handlungen der Kollegen anzuzeigen. Sie hat dafür sogar eine eigene kostenlose Hot-Line errichtet. In diesem Fall hat der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund. Allerdings ist von einem solchen Meldesystem aus diversen Gründen generell abzuraten. Die Firma ist mittlerweile in Deutschland nicht mehr vertreten.

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug