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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 314: Sittenwidrige Vergütung II - Definition und Strafbarkeit –
Frage:
Darf der Arbeitgeber die Arbeitsvergütung soweit reduzieren, wie er es möchte, oder wie er es wirtschaftlich für vertretbar hält? Muß ich mir Lohnreduzierungen gefallen lassen oder habe ich bei einer
Vollzeitbeschäftigung einen Anspruch auf einen auskömmlichen Lohn? Diese Fragen stellen sich gerade heute, wo in der Politik um die Einführung eines Mindestlohnes gerungen wird und andererseits die Politik den
Verweis auf Gerichte tätigt bzw. ein neues Gesetz gegen sittenwidrige Löhne plant. Was aber ist ein sittenwidriger Lohn oder eine Wuchervergütung?
Der Fall:
Der Gemüsehändler Caligula beschäftigt den vormals arbeitslosen Notendekorateur Engelbert Humperdinck als Gemüseschlepper, Fahrer, Marktschreier und Verkäufer. Caligula zahlt volle 4,50 Euro brutto pro Stunde.
Der mit 40 Wochenstunden vollzeitbeschäftigte Humperdinck erreicht somit einen Monatslohn von 780 Euro brutto. Die Friseursaloninhaberin Maria Montessori beschäftigt die gelernte Friseurin Alma Mahler-Werfel.
Sie zahlt ihr pro Kundin den Satz von 3,50 Euro. Bei regem Kundenandrang erreicht Alma so ein Monatseinkommen von ca. 600 Euro brutto. Als beide Mitarbeiter sich beschweren, verweist Caligula darauf, daß er
sich auch einen Rumänen für 4 Euro die Stunde nehmen könnte. Maria Montessori verweist darauf, daß Alma schließlich noch zusätzlich Trinkgelder von ihren Kundinnen kassiert.
Die Lösung:
1. § 138 BGB
Der Gesetzgeber hat in § 138 Abs. 1 BGB bestimmt, daß ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Der Gesetzgeber hat weiter in § 138 Abs. 2 den Unter- oder Spezialfall der
Sittenwidrigkeit, nämlich den Wucher bzw. den Lohnwucher geregelt.
2. Sittenwidrigkeit
Sittenwidrig im Sinne der gesetzlichen Vorschrift ist ein Vertrag oder ein Rechtsgeschäft, das zunächst ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung beinhaltet. Dieses Mißverhältnis ist
jedoch nicht alleine an einer Regelung des Vertrages festzumachen, z.B. alleine an der Vergütungsregelung bzw. der Höhe des Entgeltes. Vielmehr ergibt sich die Sittenwidrigkeit aus einer Gesamtbetrachtung des
Vertrages unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts, aber auch von Sinn und Zweck des Rechtsgeschäftes her. Beispiel: Es ist z.B. vorstellbar, daß Arbeitgeber Caligula dem Humperdinck nur 4,50 Euro brutto
pro Stunde zahlt, gleichzeitig dem Mitarbeiter aber eine Reihe von bezahlten Pausen einräumt oder besondere Gratifikationen, Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder auf dessen Wunsch einen besonders hohen
Urlaubsanspruch gewährt. Ein Arbeitsvertrag ist nach § 138 Abs. 1 BGB insbesondere dann sittenwidrig, wenn er nach Inhalt, Beweggrund der Beteiligten und nach seiner Zwecksetzung gegen das Anstandsgefühl
aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Darüber hinaus ist erforderlich, daß den Vertragspartnern oder dem bestimmenden Vertragspartner diesen Widerspruch in dem Rechtsgeschäft mit dem Anstandsgefühl zum
Vorwurf gemacht werden kann. Es ist nicht wesensnotwendig, daß der Verantwortliche, z.B. der Arbeitgeber, sich der Sittenwidrigkeit seines Tuns bewußt ist. Es reicht völlig aus, daß er die Gesamtumstände
kennt oder sich der Kenntnis böswillig bzw. in grober Weise fahrlässig verweigert.
3. Fallgruppen
Ein Verstoß gegen die Guten Sitten kann insbesondere dann vorliegen, wenn die gezahlte Vergütung weit unter der marktüblichen Vergütung liegt, wenn ein Vertragspartner in seiner Freiheit der Berufswahl oder
seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit übermäßig eingeschränkt wird, wenn der Arbeitnehmer durch erhebliche wirtschaftliche Verluste gezwungen ist, in einem Arbeitsverhältnis mit geringer Vergütung zu
verbleiben, wenn der Arbeitgeber das Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko übermäßig auf den Arbeitnehmer überträgt oder der Arbeitnehmer bei Kündigung erhebliche Schadenersatz- oder Ausgleichszahlungen an den
Arbeitgeber zu leisten hätte. Sittenwidrig kann auch eine Vertragsstrafenabrede sein, die den Arbeitnehmer übermäßig belastet und von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhält.
4. Lohnwucher
– Nach § 138 Abs. 2 BGB liegt ein nichtiges Rechtsgeschäft vor, wenn jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen
sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung stehen. – Lohnwucher liegt insbesondere dann vor, wenn ein
Arbeitnehmer verpflichtet ist, gegen eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung zu arbeiten oder wenn er bei einer durchschnittlichen Vergütung viele zusätzliche Verpflichtungen übernehmen muß. – Lohnwucher
kann aber auch dann vorliegen, wenn jemand trotz angemessener Arbeitsleistung nicht in der Lage ist, für sich und seine Familie den notwendigen Unterhalt zu verdienen oder wenn ein Arbeitnehmer während einer
langen Probezeit unentgeltlich arbeiten muß.
5. Strafbarkeit
Wucher, so wie er auch in § 138 Abs. 2 BGB definiert ist, ist nach § 291 Abs. 1 Strafgesetzbuch strafbar mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe. Darunter fällt auch der Tatbestand des
Lohnwuchers, der nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch bestraft wird. Ein besonders schwerer Fall des Lohnwuchers liegt nach § 291 Abs. 2 Strafgesetzbuch vor, wenn der Täter durch den Lohnwucher den
anderen in wirtschaftliche Not bringt bzw. die Tat gewerbsmäßig begeht. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren. Achtung: Arbeitgeber, die Niedrigstlöhne bezahlen, müssen deshalb nicht nur damit
rechnen, daß sie den Arbeitnehmern entsprechende Lohnbeträge nachzahlen müssen. Vielmehr sind eine Reihe von Arbeitgebern bereits an den Strafgerichten wegen Lohnwuchers auch strafrechtlich belangt und
verurteilt worden. Beispiel: Der BGH hat in seinem Urteil vom 22.4.1997 die Verurteilung eines Bauunternehmers bestätigt, der zwei Maurer mit einem Bruttostundenlohn von 12,70 DM entlohnte, statt den
Tariflohn für Maurer in Höhe von 19,05 DM/Stunde zu zahlen. Den anderen Arbeitnehmern zahlte er bei gleicher Arbeit einen Stundenlohn von 21 DM brutto.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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