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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 311: Aufklärungspflicht bei Anwerbung
Der Fall:
Arbeitgeber Philipp Reis betreibt einen großen Telefonhandel mit einer kleinen Telefonproduktion. Nachdem der Leiter der Forschungsabteilung altersbedingt ausschied, wirbt er von einer
Konkurrenzfirma als neuen Leiter der Forschungsabteilung den berühmten Eduard Bell ab. Während Philipp Reis noch mit Eduard Bell verhandelt, plant er jedoch bereits, die Telefonproduktion und Forschungsabteilung
zu schließen und zukünftig Telefone nur noch aus China zu beziehen, um sie in Deutschland zu vertreiben. Eduard Bell kündigt seinen Arbeitsplatz und tritt bei Philipp Reis an. Bereits nach 3 Monaten kündigt
Philipp Reis, weil er in China handelseinig wurde und Forschungsabteilung nebst Produktion stillegt. Eduard Bell fühlt sich hereingelegt und verlangt Schadenersatz, weil Philipp Reis ihn über die
Gesamtumstände nicht aufgeklärt hat.
Die Lösung:
1. Anbahnung eines Vertragsverhältnisses
Bei der Anbahnung eines Vertragsverhältnisses haben die Verhandlungspartner nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches die Pflicht, miteinander fair umzugehen und eine
Schädigung des Verhandlungspartners nach Treu und Glauben zu vermeiden. Die Rechtsprechung nannte diese Pflicht zur Schadensvermeidung „culpa in contrahendo“. Wird diese Pflicht verletzt, so muß der
schuldhaft handelnde ggf. Schadenersatz leisten.
2. Rücksichtnahmepflicht im Arbeitsverhältnis
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erwachsen aus einem Schuldverhältnis einer Vertragspartei nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf
die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Gerade im Arbeitsrecht beinhaltet die vertragliche Rücksichtnahmepflicht auch eine Pflicht zur Aufklärung dahingehend, daß die eine
Vertragspartei die andere unaufgefordert über Umstände informieren muß, die für den Vertragspartner und seine Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses erheblich sind.
Der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer sind dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn Gefahren für das Leistungs- oder Integritätsinteresse des Gläubigers bestehen, von denen dieser ganz ersichtlich keine Kenntnis
hat oder haben kann. Deshalb darf ein Arbeitgeber, der Vertragsverhandlungen eingeht, bestehende Umstände – gleich welcher Art –, die die vollständige Durchführen des Rechtsverhältnisses in Frage stellen,
nicht verschweigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ihm diese Umstände bekannt sind oder bekannt sein müssen.
3. Unternehmerische Entscheidung
Die sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB begründende Aufklärungspflicht gegenüber einem Bewerber über einen möglichen Stellenabbau tritt nicht erst dann ein, wenn
die unternehmerische Entscheidung bereits endgültig getroffen ist und die Umsetzung unmittelbar bevorsteht oder gar schon durchgeführt wird. Es reicht vielmehr aus, daß eine hinreichende Konkretisierung gegeben
ist.
4. Hinreichende Konkretheit
Eine Auskunftspflicht des Arbeitgebers wegen des Wegfalls der zu besetzenden Stelle kann sich aus Treu und Glauben allerdings erst dann ergeben, wenn die Planungen für den Wegfall oder
die Umstrukturierung eine hinreichende Reife und Konkretheit aufweisen. Dies setzt voraus, daß sich der Arbeitgeber jedenfalls im Grundsatz dazu entschlossen hat, bestimmte Stellen zu streichen oder zu
verlagern. Der Stellenabbau muß hinreichend bestimmt und in Einzelheiten bereits absehbar sein. Die bloße Möglichkeit oder Idee reicht nicht aus, um eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers zu begründen.
Achtung: Alleine das Bestehen einer schlechten wirtschaftlichen Lage, die dem Arbeitnehmer zudem bekannt sein könnte, begründet noch keine Auskunftspflicht des Arbeitgebers, wenn noch keine konkrete, mehr oder
weniger abgeschlossene Planung besteht, diesen Arbeitsplatz zu streichen. Im vorliegenden Fall hat Philipp Reis während der Verhandlungen mit Eduard Bell aber bereits konkret mit Partnern in China verhandelt.
Der Wegfall der Forschungsabteilung und der Produktion war schon hinreichend reif und konkret. Philipp Reis hatte eine Aufklärungspflicht. Wegen Verletzung der Aufklärungspflicht kann Arbeitnehmer Eduard Bell
von Philipp Reis Schadenersatz verlangen.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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