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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 308: AGG XIV – Entschädigung / Schadenersatz

Frage:

    Was geschieht, wenn ein Arbeitnehmer im Betrieb tatsächlich benachteiligt und diskriminiert worden ist. Hat er Anspruch auf Einstellung, Beförderung oder auf Schadenersatz?

Die Lösung

1. Kein Erfüllungsanspruch

    Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 6 AGG ausdrücklich geregelt, daß ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG keinen Anspruch des Arbeitnehmers oder Bewerbers auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg auslöst. Für einen solchen Anspruch wäre eine vertragliche oder anderweitige gesetzliche Rechtsgrundlage erforderlich.
    Dies bedeutet, daß benachteiligte Bewerber oder Arbeitnehmer eine Einstellung und Beförderung nicht erzwingen können. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit bleibt damit für den Arbeitgeber trotz der Regelungen des AGG erhalten.
    Etwas anderes gilt für die Kündigung. Wenn die Kündigung wegen Verstoßes gegen ein Diskriminierungsverbot rechtsunwirksam ist, besteht das Arbeitsverhältnis fort. Dies gilt aber auch dann, wenn die Kündigung aus anderen Gründen sozial nicht gerechtfertigt oder rechtsunwirksam ist.

2. Entschädigungsanspruch

    Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann die diskriminierte Person eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
    Der Entschädigungsanspruch kann sich gegen den Arbeitgeber richten. Da der Gesetzgeber keine Begrenzung vorgenommen hat, könnte sich der Entschädigungsanspruch auch gegen den Vorgesetzten oder Arbeitskollegen richten, der ihn diskriminiert hat.

3. Höhe der Entschädigung

    Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 2 AGG die Höhe der Entschädigung bei Bewerbern auf 3 Monatsgehälter begrenzt, wenn die diskriminierte Person auch bei einer benachteiligungsfreien Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
    Es handelt sich insoweit um eine Strafvorschrift gegen den Arbeitgeber dafür, daß er diskriminiert, auch wenn die betreffende Person keine Aussicht auf Einstellung gehabt hätte. Im übrigen aber hat der Gesetzgeber keine Höchstgrenzen festgelegt.
    Nach dem Willen des Gesetzgebers hat die Entschädigung angemessen zu sein. Sie liegt allein in der Entscheidung der Arbeitsgerichte. Kriterien für die Höhe der Entschädigung sind:
    – Grad des Verschuldens,
    – Schwere und Art der Beeinträchtigung,
    – Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung,
    – Anlaß und Beweggründe für die Diskriminierung.
    Bisher gehen deutsche Gerichte bei der Gewährung von Entschädigungszahlungen sehr restriktiv vor. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sollte die Entschädigung generell einer Monatsvergütung entsprechen. Das LAG Köln hat einer Bewerberin, die bei beanstandungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre, eine Entschädigung in Höhe von nur 2 Monatsvergütungen zugesprochen.
    Achtung: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes muß eine Entschädigung geeignet sein, eine abschreckende Wirkung auf den Arbeitgeber und die Vorgesetzten zu haben. Sie muß in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Daraus folgt, daß in Zukunft die Arbeitsgerichte gehalten sind, deutlich höhere Entschädigungssummen festzusetzen, auch wenn die Höhe der amerikanischen Entschädigungszahlungen (Millionenhöhe) nicht erreicht werden sollen.

4. Schadenersatz / Verschulden

    Neben dem Entschädigungsanspruch hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 AGG den benachteiligten Personen einen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitgeber zugestanden. Der Schadenersatzanspruch besteht allerdings dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
    Nach dem Gesetz werden in diesen Fällen bei Verschulden des Arbeitgebers auch Vermögensschäden ersetzt, die der Arbeitnehmer durch die Benachteiligung erlitten hat.

5. Vermögensschäden

    Wäre der Bewerber ohne Benachteiligung eingestellt worden, so hat er Anspruch auf das Arbeitsentgelt zumindest bis zum Ende des ersten möglichen Kündigungstermins. Allerdings ist anderweitiger Erwerb schadensmindernd zu berücksichtigen.
    Wird ein Arbeitnehmer bei der Beförderung übergangen, so kann der Arbeitnehmer den Unterschiedsbetrag zwischen den Vergütungen bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verlangen.

6. Ausschlußfrist

    Ein Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruch muß nach § 15 Abs. 4 AGG binnen einer Frist von 2 Monaten schriftlich beziffert beim Schuldner geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit Zugang der Ablehnung bzw. der Kenntnis der Diskriminierung.
    Lehnt der Schuldner die Zahlung ab, so muß der Anspruch binnen 3 Monaten beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden, § 616 Arbeitsgerichtsgesetz.

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug