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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 307: AGG XIII – Beschwerdestelle / Antidiskriminierungsvereinbarung
Frage:
Was kann man als Arbeitgeber tun, um diesen ganzen Anforderungen gerecht zu werden? Ein Hauptproblem besteht darin, daß viele Diskriminierungshandlungen innerhalb der Belegschaft
stattfinden. Was kann der Arbeitgeber tun, um das zu verhindern bzw. um sich abzusichern?
Der Fall:
Arbeitgeber Albert Lortzing hat sich selbst im Rahmen von mehreren Vorträgen über seine Rechte und Pflichten nach dem AGG schulen lassen. Die Mitarbeiter dagegen leben noch „im Tal der
Ahnungslosen“. Der Betriebsrat Otto Freischütz verlangt deshalb auch eine Schulung und Information an alle Mitarbeiter. Er will ebenfalls auf Kosten des Arbeitgebers über das neue Gesetz geschult werden. Der
Betriebsrat Freischütz will auch eine Betriebsvereinbarung über Diskriminierungsprobleme abschließen und verlangt von Albert Lortzing, daß eine Beschwerdestelle eingerichtet wird. Albert Lortzing sieht enorme
Kosten auf sich zukommen. Alleine die Information aller Mitarbeiter hält er für viel zu aufwendig. Muß er dem Betriebsrat folgen?
Die Lösung:
1. Beschwerdestelle
Die im Betrieb Beschäftigten haben das Recht, sich bei einer Beschwerdestelle des Unternehmens oder des Betriebes zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit dem
Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, vom Vorgesetzten oder anderen Beschäftigten bzw. von Dritten diskriminiert und benachteiligt fühlen. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber im Betrieb eine
Beschwerdestelle einzurichten hat. Betriebsrat Freischütz hat insoweit Recht. Diese Beschwerdestelle hat dann die Beschwerde der Arbeitnehmer zu prüfen. Sie muß das Ergebnis der Prüfung den
beschwerdeführenden Beschäftigten im Rahmen eines – möglichst schriftlichen – Bescheides mitteilen. Die Information über die Behandlung der Beschwerden und über die Beschwerdestelle muß der Arbeitgeber im
Betrieb allen Arbeitnehmern bekannt machen. Die Bekanntmachung kann über die im Betrieb üblichen Informations- oder Kommunikationstechniken erfolgen.
2. Besetzung der Beschwerdestelle
Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, mit welchen Personen er die betriebliche Beschwerdestelle besetzen will. Die Beschwerdestelle kann durch Mitarbeiter der Personalabteilung besetzt
werden. In vielen Unternehmen wird die Beschwerdestelle durch den Betriebsrat besetzt, da die Mitarbeiter ohnehin nach §§ 84, 85 Betriebsverfassungsgesetz ein Beschwerderecht gegenüber dem Betriebsrat haben.
Diese Besetzung verhindert die doppelte Inanspruchnahme. Andere Arbeitgeber wollen die Beschwerden der Mitarbeiter jedoch in der eigenen Hand behalten. Empfehlenswert dürfte es sein, die Beschwerdestelle
sowohl mit Mitarbeitern der Personalabteilung wie auch des Betriebsrates paritätisch zu besetzen. Außerdem ist es förderlich, für eine Besetzung der Beschwerdestelle durch Männer und Frauen zu sorgen.
Achtung: Die Beschwerdestelle kann, wenn sie vom Arbeitgeber ernst genommen wird, ärgerliche und kostspielige Klagen verhindern und betriebliche Reibungspunkte auf die günstigste Art beseitigen.
3. Antidiskriminierungsvereinbarung
In Ländern, in denen Diskriminierungsverbote schon länger bestehen, haben viele Arbeitgeber Antidiskriminierungsvereinbarungen oder entsprechende Richtlinien eingeführt, um auch im
Prozeßfall ausreichend Nachweis- und Dokumentationsmöglichkeiten zu besitzen. Vor allem kann die Arbeitgeberseite damit beweisen, daß sie alles für eine diskriminierungsfreie Betriebsorganisation getan hat. Dies
verhindert, wegen Organisationsverschulden ggf. schadenersatzpflichtig zu werden. Da es sich hierbei in der Regel um Fragen der „Ordnung des Betriebes“ handelt, kommt für solche Regelungen jedenfalls in einem
gewissen Umfang auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht. Da in den USA Ethik-Richtlinien und Antidiskriminierungs-Vereinbarungen gesetzlich gefordert sind,
übernehmen mittlerweile viele international tätige europäische Firmen bzw. Tochterfirmen von amerikanischen Unternehmen solche Richtlinien. Dies ist zu begrüßen und dient – soweit nicht übertrieben wird – der
Einhaltung des Gesetzes und der Absicherung des Arbeitgebers.
4. Betriebsratsschulung
Auch für Betriebsräte besteht ein Schulungsbedarf nach dem neuen AGG und den daraus folgenden Problemen. Gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die bezahlte
Freistellung sowie Kostenübernahme für Schulungen verlangen, soweit diese Schulungen Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Dazu gehören auch Kenntnisse über das AGG.
5. Diversity Controlling
In amerikanischen Unternehmungen ist es längst normal, ein sog. „Diversity Controlling“ zu praktizieren. Dazu gehört es, die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft nach unterschiedlichen
Gruppen (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion und anderes) auf verschiedenen Ebenen soweit wie möglich statistisch zu erfassen und zu dokumentieren. Solche Dokumentationen können im Prozeßfall dem
Arbeitgeber helfen, nachzuweisen, daß von seiner Seite aus keine Diskriminierung vorliegt. Dies gilt insbesondere auch für Dokumentationen darüber, welche Mitarbeiter aus welchen Gruppen in besonderer Weise bei
Kündigung, Beförderungen, Lohnerhöhungen etc. bevorzugt oder benachteiligt worden sind. Sollte sich andererseits aus der Dokumentation ergeben, daß bestimmte Arbeitnehmergruppen nach Geschlecht etc. in
bestimmten Positionen benachteiligt sind, kann der Arbeitgeber erkennen, daß insoweit ein Handlungsbedarf besteht.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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