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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 167: Versäumung der Klagefrist / Nachträgliche Klagezulassung

Der Fall:

    Elektra hat ihre Bruder Orest und ihren Liebhaber Achill gnadenlos gekündigt, um ihren Betrieb und ihr Privatleben neu zu ordnen. Die Zeit der Trauer ist vorbei. Orest und Achill, die dies nicht glauben wollten, haben in ihrer Betäubung die gesetzliche Klagefrist verpaßt. Sie fragen, ob ihnen vom Arbeitsgericht noch eine Chance gegeben wird.

Die Lösung:

1. § 7 KSchG - wirksame Kündigung

    § 7 KSchG regelt:
    “Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam”!
    Dies bedeutet, daß die Versäumung der Klagefrist bei einer schriftlichen Kündigung generell zur Wirksamkeit der Kündigung führt. Das Gesetz hat hier eine Wirksamkeitsfiktion angenommen. Die Fiktion bedeutet, daß die Kündigung selbst dann wirksam ist, wenn sie unwirksam ist! D.h., die Wirksamkeit der Kündigung wird vom Gesetzgeber bestimmt, obwohl die Kündigung an sich angreifbar wäre, weil der Arbeitnehmer die Klagefrist versäumt hat.
    Nicht Elektra, sondern Orest und Achill müssen nun Trauer tragen.
    § 5 KSchG - Zulassung verspäteter Klagen
    Um in begründeten Ausnahmefällen Härte des § 7 erträglicher zu gestalten, hat der Gesetzgeber in § 5 bestimmt:
    “War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.”
    § 7 bestimmt, daß die Kündigung bei verspäteter Klageerhebung selbst dann als wirksam gilt, wenn sie gegen den besonderen Kündigungsschutz oder ein Diskriminierungsverbot verstößt oder gar sittenwidrig wäre.
    Der Gesetzgeber hat dem Arbeitnehmer die Möglichkeit des Antrags auf nachträgliche Zulassung der Klage gegeben. Mit dem Antrag ist stets die schriftliche Klage zu erheben. Allerdings sind die Voraussetzungen für eine nachträgliche Klagezulassung sehr hoch gestellt.
    Im Normalfall kann der Antrag nicht erfolgreich sein. Orest und Achill können sich nicht darauf berufen, daß sie vor lauter Schreck gelähmt gewesen seien. Dies reicht nicht aus. Im Rahmen der Telekommunikation sind nahezu alle Arbeitnehmer in der Lage, entweder einen Anwalt aufzusuchen, oder ihn telefonisch, per Fax, per Handy, per SMS, per e-mail oder wie auch immer, zu erreichen und ihn mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu beauftragen. Dies gilt selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer sich im tiefen Dschungel befände, aber per Handy oder elektronisch zu seinem Anwalt Kontakt halten kann.

2. Notfall Schwangerschaft

    In § 5 Abs. 1 Satz 2 hat der Gesetzgeber als besonderen Zulassungsgrund den Fall angeführt, in dem eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grunde erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG Kenntnis erlangt hat.
    Diese Vorschrift entspricht den verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Die gekündigte Arbeitnehmerin muß jedoch beweisen, daß sie
    – zum Kündigungszeitpunkt von ihrer Schwangerschaft nichts wußte,
    – daß sie auch während des Laufs der Klagefrist von der Schwangerschaft nichts erfahren hat,
    – daß sie die Unkenntnis nicht zu vertreten hat, also nichts dafür kann,
    – und sie muß innerhalb von 2 Wochen nach Kenntniserlangung den Antrag auf nachträgliche Zulassung bei Gericht stellen sowie die Kündigungsschutzklage in dieser Frist erheben.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug