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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 149: Kündigungsschutzgesetz - Geltungsbereich III

Der Fall:

    Arbeitgeberin Elisabeth beschäftigte mit ihrem Butler Tony und ihrem Chauffeur Monaco-Rainer insgesamt 6 Arbeitnehmer. Im Jahr 2004 stellte sie noch 4 weitere Mitarbeiter ein.
    Wegen schlechter betrieblicher Lage kündigte sie jedoch diese 4 Mitarbeiter später wieder. Außerdem ging Monaco-Rainer endgültig in den Ruhestand. Koch Charles und Zofe Diana kündigten, weil sie ein eigenes Restaurant eröffnen wollten.
    Wegen schlechter Ertragslage beließ es Elisabeth lange Zeit bei den verbliebenen 3 Arbeitnehmern.
    Als der von der Bundesregierung schon lange versprochene Aufschwung endlich einsetzte, stellte sie zu den 3 Vollzeit-Arbeitnehmern weitere 9 Arbeitnehmer ein. Von den dann insgesamt 12 Arbeitnehmern waren allerdings 2 Arbeitnehmer in Teilzeit.
    Gilt das Kündigungsschutzgesetz und wenn ja, für wen?

Die Lösung:

1. Schutz der Arbeitnehmer

    § 23 Abs. 1 KSchG hat zwar zugunsten der Arbeitgeber den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes abgebaut. Ab dem 1.1.2004 gilt das Kündigungsschutzgesetz generell nur noch in Unternehmen, die mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen.
    Der Gesetzgeber hat jedoch bestimmt, daß die Arbeitnehmer, die zuvor schon Kündigungsschutz hatten, diesen auch behalten, sofern die Mitarbeiterzahl nicht auf 5 und weniger Arbeitnehmer absinkt.

2. Verlust des Kündigungsschutzes

    Alt-Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz können den Kündigungsschutz nach dem Willen des Gesetzgebers aber dann verlieren, wenn die Gesamtmitarbeiterzahl im Unternehmen in der Regel auf 5 Arbeitnehmer oder weniger absinkt. Dies war bei Elisabeth der Fall. Sie hat zunächst 4 Arbeitnehmern gekündigt. Von den verbliebenen 6 Arbeitnehmern ging Monaco-Rainer in den Ruhestand. Charles und Diana kündigten. Die 3 verbliebenen Arbeitnehmer verloren ihren Kündigungsschutz, da Elisabeth wegen schlechter wirtschaftlicher Lage für längere Zeit keine Neueinstellungen vornahm. Das war auch nach altem Recht nicht anders!
    Achtung: Die spätere Steigerung der Mitarbeiterzahl führt nicht dazu, daß diese Altarbeitnehmer ihren Kündigungsschutz zurückgewinnen, sofern die Gesamtmitarbeiterzahl nach den Neueinstellungen nicht höher als 10 Vollzeitarbeitnehmer ansteigt. Steigt die Mitarbeiterzahl höher, so haben alle Mitarbeiter Kündigungsschutz nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit.

3. Teilzeitarbeitnehmer

    Für die Berechnung der Mitarbeiterzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG gilt nicht die Kopfzahl. Teilzeitmitarbeiter sind vielmehr nur anteilig mit 0,5 bei einer Wochenstundenzahl bis 20 Stunden und mit 0,75 bei einer Wochenarbeitszeit bis 30 Stunden zu berücksichtigen.
    Wenn Elisabeth aufgrund späterer Neueinstellungen 12 Mitarbeiter beschäftigt, gilt das Kündigungsschutzgesetz, wenn dies 12 Vollzeitmitarbeiter wären. Sofern Teilzeitmitarbeiter beschäftigt werden, dürfen diese nur anteilig berücksichtigt werden. Bei 10 Vollzeitmitarbeitern und 2 Teilzeitmitarbeitern gilt jedoch das Kündigungsschutzgesetz, da die Zahl von 10 Mitarbeitern in jedem Falle überschritten ist. In diesem Falle genießen dann alle Mitarbeiter Kündigungsschutz.

4. Kleinbetriebe - Pflicht zur sozialen Rücksichtnahme

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und nachfolgend des Bundesarbeitsgerichts sind im Rahmen des Sozialstaatsprinzips die Arbeitnehmer in Kleinbetrieben bis zur Zahl von 10 Arbeitnehmern nicht völlig schutzlos.
    Die obersten Bundesgerichte haben entschieden, daß Arbeitgeber bei Kündigungen in Kleinbetrieben ein “Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme” wahren müssen. Außerdem darf die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, verstoßen.
    Diese Rechtsprechung bedeutet, daß auch in Kleinbetrieben die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers bei betriebsbedingten Kündigungen frei sein muß von Willkür und von sachfremden Motiven. Der Arbeitgeber genießt nur bis zur Grenze sachfremder Motive Kündigungsfreiheit.
    Dies bedeutet nicht, daß damit das Kündigungsschutzgesetz auf “kaltem Wege” durch die Rechtsprechung auch in Kleinbetrieben eingeführt wird. Allerdings darf der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte nicht völlig außer acht lassen. Betriebliche Gründe können sozialen Gesichtspunkten vorgehen. Der Arbeitgeber muß dann, wenn er z.B. ältere Arbeitnehmer mit Unterhaltsverpflichtungen kündigt und junge Arbeitnehmer ohne Unterhaltsverpflichtungen behält, ein Mindestmaß an sachlichen Gründen für diese Entscheidung anführen. Dabei reicht eine Plausibilität aus. Auch ein Vertrauensverlust oder Störungen im persönlichen Bereich können ausreichen.

5. Sonderkündigungsschutz

    Der Sonderkündigungsschutz einzelner Arbeitnehmer gilt auch im Kleinbetrieb. Es handelt sich dabei um Sonderkündigungsschutz nach dem Betriebsverfassungsgesetz, für schwerbehinderte Menschen, für Schwangere und Mütter, für Wehr- oder Zivildienstleistende, für Eltern in der Elternzeit , in manchen Bundesländern auch für Mandatsträger in Parlamenten.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug