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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 147: Kündigungsschutzgesetz - Geltungsbereich I

Der Fall:

    Arbeitgeberin Elisabeth beschäftigt neben Butler Tony, dem Koch Charles und der Kammerzofe Diana noch den Chauffeur Monaco-Rainer, seine Tochter Caroline und den Reitlehrer August. Bislang hatten die Arbeitnehmer Kündigungsschutz.
    Elisabeth hört von der Neuregelung ab 1.1.2004 und der Anhebung der Kleinbetriebsklausel auf 10 Arbeitnehmer. Sie frohlockt und will den alten Monaco-Rainer und Reitmeister August entlassen, der zu sehr mit Diana liebäugelt.
    Muß sie das Arbeitsgericht fürchten? Haben August und Monaco-Rainer noch Kündigungsschutz?

Die Lösung:

1. § 1 KSchG Abs. 1 - Beschäftigungsdauer

    Nach § 1 Abs. 1 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz nur dann, wenn der Arbeitnehmer länger als 6 Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt ist. Hieran hat sich mit der Novellierung zum 1.1.2004 nichts geändert. August und Monaco-Rainer erfüllen diese Voraussetzung.

2. § 23 Abs. 1 KSchG - Altfassung

    Weitere Bedingung für den Kündigungsschutz war bisher nach § 23 Abs. 1 KSchG die Beschäftigung von in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmern. Es war bisher geregelt, daß der Kündigungsschutz des § 1 KSchG und der Folgevorschriften nicht galt:
    – Für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel 5 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt wurden.
    – Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer werden teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt.
    Nach dieser Regelung hatten die Mitarbeiter der Elisabeth alle Kündigungsschutz, da 6 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Voraussetzung dafür war allerdings, daß diese Arbeitnehmer nicht teilzeitbeschäftigt wurden. Bei einer größeren Teilzeitquote wäre die Zahl der berücksichtigungsfähigen Arbeitnehmer auf 5 oder weniger gesunken. Damit wäre der Kündigungsschutz entfallen.

3. Neuregelung des § 23 Abs. 1 KSchG

    Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1.1.2004 dieser bestehenden Regelung neu hinzugefügt:
    “In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel 10 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften” ... des Kündigungsschutzgesetzes außer den §§ 4-10, 13 KSchG ... “nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel 10 Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.”
    Die von Gesetzgeber getroffene zusätzliche Neuregelung ist in ihrer Formulierung kompliziert und für den “Normalverbraucher” nur schwer verständlich. Sie ist deshalb erklärungsbedürftig. Dies soll in dieser und in den nächsten zwei Folgen geschehen.

4. Neuer Geltungsbereich

    Der Gesetzgeber wollte mit dieser Neuregelung Arbeitgebern in kleinen mittelständischen Betrieben die Neueinstellung von Mitarbeitern dadurch erleichtern, daß er den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer zugunsten des Unternehmens verschoben hat.
    Allerdings sollten die Arbeitnehmer, die am 1.1.2004 schon Kündigungsschutz hatten, diesen Kündigungsschutz auch behalten. Voraussetzung dafür ist, daß die Arbeitnehmerzahl auch in Zukunft nicht auf 5 oder weniger Arbeitnehmer absinkt. Nur unter dieser Voraussetzung bleibt den Mitarbeitern, die schon im Betrieb waren und Kündigungsschutz genossen haben, dieser Kündigungsschutz auch erhalten.
    Ergebnis: Alle neueingestellten Arbeitnehmer bis zu einer Gesamtzahl von 10 Arbeitnehmern sollen keinen Kündigungsschutz erhalten. Bei der Zahl der 10 Arbeitnehmer ist - wie schon früher - zu berücksichtigen, daß teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bis zu 30 Wochenstunden nur mit 0,75 und bis zu 20 Wochenstunden nur mit 0,5 berücksichtigt werden.

5. Beispiel 1:

    Elisabeth hatte nur 3 Arbeitnehmer beschäftigt. Diese hatten keinen Kündigungsschutz. Nach dem 1.1.2004 stellt sie 7 weitere Arbeitnehmer ein. Da die Zahl von 10 Arbeitnehmern nicht überschritten wird, bleibt es dabei, daß keiner der Arbeitnehmer im Betrieb Kündigungsschutz genießt.
    6. Beispiel 2:
    Arbeitgeberin Elisabeth hat bereits 6 Vollzeit-Arbeitnehmer beschäftigt. Diese genießen nach der Altregelung Kündigungsschutz. Dieser Kündigungsschutz bleibt auch ab dem 1.1.2004 bestehen. Elisabeth stellt dann 4 weitere Arbeitnehmer ein. Diese Arbeitnehmer genießen keinen Kündigungsschutz mehr, da die Gesamtarbeitnehmerzahl nicht über 10 steigt.
    Fazit: Es gibt nun im Betrieb der Elisabeth einen gespaltenen Kündigungsschutz. Die Altarbeitnehmer behalten ihren Kündigungsschutz, während die Neuarbeitnehmer keinen Kündigungsschutz genießen. Dies fördert zwar nicht die Stimmung, ist vom Gesetzgeber aber so gewollt.

7. Beispiel 3:

    Nachdem Elisabeth ihre Arbeitnehmerzahl 2004 auf 10 erhöht hatte, kam der große Einbruch. Sie mußte betriebsbedingt 7 Arbeitnehmer entlassen.
    Fazit: Die verbleibenden 3 Alt-Arbeitnehmer verlieren nun auch ihren Kündigungsschutz, da das Absinken der Belegschaft auf regelmäßig 5 und weniger Arbeitnehmer auch nach der Altregelung (bis 31.12.2003) zum Verlust des Kündigungsschutzes führte. (Vergleiche zu dieser Problematik auch die übernächste Folge).

>> Nächste Folge: Kündigungsschutz - Geltungsbereich II
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug