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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 145: Das neue Kündigungsrecht - Überblick
Der Fall:
Arbeitgeberin Elisabeth beschäftigt aufgrund schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse nur noch ihren Butler Tony und Koch Charles. Die von ihr
betriebsbedingt gekündigte Zofe Diana ist immer noch arbeitslos. Alle 4 haben schon von der Umsetzung des arbeitsrechtlichen Teils der Agenda 2010 seit Januar 2004 gehört. Alle hoffen auf eine Verbesserung
der herrschenden Verhältnisse. Arbeitgeberin Elisabeth erwartet durch eine Absenkung des Kündigungsschutzes mehr Freiheit bei der Beschäftigung und der Entlassung von Arbeitnehmern. Butler Tony und Koch
Charles hoffen auf Sicherung ihrer Arbeitsplätze und auf einen gesetzlichen Abfindungsanspruch. Die arbeitslose Zofe Diana dagegen hofft auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze und eine schnelle Wiedereinstellung.
Sind die Hoffnungen begründet?
Die Lösung:
1. Prolog
Zum 1.1.2004 sind zum wiederholten Male Änderungen im Kündigungsschutzgesetz, aber auch im Teilzeit- und Befristungsgesetz in Kraft getreten. Es handelt
sich dabei u.a. um den arbeitsrechtlichen Teilbereich der Agenda 2010. Nach den Vorstellungen der Regierung soll damit zur Belebung des Arbeitsmarktes beigetragen werden. Von den ehrgeizigen Vorhaben und
Ankündigungen ist dabei nur wenig übrig geblieben. Im Wesentlichen erwartet der Gesetzgeber durch die Senkung arbeitsrechtlicher Schutzstandards eine Stimulierung der Wirtschaft und der Investoren. Im Bereich
des Kündigungsschutzgesetzes entspricht die neue Regelung “Agenda 2010” weitgehend der Regelung “Kohl 1996”. Schon 1996 sollte durch diverse Erleichterungen im Kündigungsbereich des “Arbeitsrechtlichen
Beschäftigungsförderungsgesetzes” ein Beschäftigungsgewinn von mindestens 600.000 Arbeitsplätzen eintreten. Mit dem Korrekturgesetz der Regierung Schröder wurden zum 1.1.1999 diese Änderungen wieder weitgehend
gestrichen. Begründung: Die Regelungen “Kohl 1996” erbrachten kaum neue Arbeitsplätze. Zur Sicherung des sozialen Friedens und der sozialen Partnerschaft werde der alte Zustand wieder hergestellt. Mit der
“Agenda 2010” hat nun die Regierung Schröder zum 1.1.2004 den Zustand “Kohl 1996” weitgehend wieder hergestellt. Die Begründung des Korrekturgesetzes 1999 scheint nicht mehr aktuell. Das Ziel der Neuregelung
(“Vorwärts, wir stürmen zurück!”) ist wie schon 1996 Förderung von Beschäftigung und Neueinstellungen durch Absenkung der arbeitsrechtlichen Hürden, Erleichterung von Kündigungen in Klein- und Großbetrieben,
Erhalt der “Leistungsträger” in den Betrieben, Unterstützung von Existenzgründern. Den Arbeitnehmern soll die Reform mittels eines gesetzlichen Abfindungsanspruches geltend gemacht werden, der vielleicht gar
keiner ist.
2. Überblick
Es wurden insbesondere in folgenden Paragraphen Neuregelungen getroffen: – § 23 Abs. 1 KSchG. Ausweitung der “Kleinbetriebsklausel”: Keine Geltung des
Kündigungsschutzes in Betrieben bis 10 Arbeitnehmern, – § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Beschränkung der Sozialauswahl-Kriterien bei betriebsbedingten Kündigungen auf Betriebszugehörigkeit, Lebensalter,
Unterhaltsverpflichtungen, Schwerbehinderung, – § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl, Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur, – § 1 Abs. 4 KSchG.
Begrenzung der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten der Sozialauswahl bei der Bewertung der Sozialauswahl in Auswahlrichtlinien, – § 1 Abs. 5 KSchG. Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer bei
Betriebsänderung im Interessenausgleich. Beschränkung der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten, – § 1 a KSchG. Einführung eines “gesetzlichen” Abfindungsanspruchs, – § 4 KSchG. Klagefrist, Klagezwang
für Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Zugang jeder schriftlichen Kündigung, egal aus welchem Grund. Sonst: – § 7 KSchG Rechtsunwirksamkeit der Kündigung ohne weitere gerichtliche Prüfung, –
§ 623 BGB: Schon seit dem 1.5.2000 gilt, daß Kündigungen im Arbeitsverhältnis stets schriftlich sein müssen, sonst sind sie rechtsunwirksam, – § 5 KSchG. Bei Versäumung der Klagefrist (§ 4 KSchG) können
ausnahmsweise Klagen verspätet zugelassen werden. Dies gilt insbesondere bei verspäteter Kenntnis der Schwangerschaft, – § 6 KSchG. Möglichkeiten des Nachschiebens weiterer Unwirksamkeitsgründe bei
rechtzeitiger Klage gegen die Kündigung, oder Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen, – § 13 KSchG. Fristlose Kündigung, Änderungen, – § 14 Abs. 2 a TzBfG. Ausgedehnte Befristungsmöglichkeiten für
Existenzgründer, – § 10 SGB II. Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien für die Annahme einer Beschäftigung bei Langzeitarbeitslosigkeit.
3. Achtung: Lohnwucher
Der Gesetzgeber hat zur Förderung der Beschäftigung sowohl bei Langzeitarbeitslosigkeit wie auch in anderen Bereichen den Einstieg in ein niedrigeres
Lohnniveau präferiert. Arbeitgeber dürfen zum eigenen Schutz jedoch nicht außer Acht lassen, daß das “Untermaßverbot” für Niedriglöhne sowohl arbeitsrechtlich wie auch strafrechtlich weiter besteht. Niedrige
Lohnvereinbarungen sind ungeachtet der arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen aus Berlin unwirksam, wenn sie nach § 138 BGB als sittenwidrig anzusehen sind, wenn sie den Tatbestand des strafbaren Lohnwuchers nach
§ 291 Strafgesetzbuch erfüllen, oder (heute besonders wichtig!) dem “Recht auf ein angemessenes Entgelt” nach § 4 der Europäischen Sozialcharta nicht entsprechen. Ein solcher Fall liegt nach der
Rechtsprechung vor, wenn der Arbeitgeber mehr als 20 - 30 Prozent unter Tarif bezahlt. Hier riskiert der Arbeitgeber erhebliche Lohnnachzahlungen und strafrechtliche Verfolgung. Durch europäische Standards ist
dem nationalen Gesetzgeber hier ein Alleingang verwehrt.
4. Fazit
Die neuen Regelungen haben im Kündigungsrecht beachtliche Veränderungen gebracht. In den kommenden Folgen wird jedoch zu erörtern sein, daß z.T.
kündigungsrechtlich mehr Probleme neu geschaffen wurden als gelöst. Das Kündigungsrecht wird überfordert, wenn durch die Änderungen ein bedeutsamer Beschäftigungsaufschwung erwartet wird. Auch eine Entlastung
der Gerichte wird sich kaum einstellen, eher eine Neubelastung durch neue Probleme. Es steht zu befürchten, daß die Hoffnungen der Arbeitnehmer auf bessere Abfindungen weitgehend enttäuscht werden, wenn nicht
ein allgemeiner wirtschaftlicher Aufschwung die Liquidität der Unternehmen verbessert.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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