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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 142: Hilfe Kündigung - Arbeitspapiere I

Der Fall:

    Rainer Maria Rilke hat bei seinem Arbeitgeber Hermann Hesse fristlos gekündigt, da sich dieser seit Monaten im Lohnrückstand befindet. Rilke bewirbt sich um eine neue Stelle. Er braucht dringend seine Papiere und ein Zeugnis.
    Rainer Maria Rilke ist es unklar, welche Papier er von dem Arbeitgeber Hesse verlangen kann und verlangen muß, wie diese Papiere auszufüllen sind und wie sich die Papiere auf das zunächst benötigte Arbeitslosengeld auswirken.

Die Lösung

1. Anspruchsgrundlage

    Rainer Maria Rilke hat einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausfüllung und Herausgabe der Arbeitspapiere durch den Arbeitgeber Hesse aus dem Arbeitsvertrag. Es handelt sich hierbei um eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers.
    Der Herausgabeanspruch ergibt sich im übrigen auch aus dem Eigentumsrecht des Arbeitnehmers. Durch die Übergabe der Papiere, z.B. der Lohnsteuerkarte, erwirbt der Arbeitgeber kein Eigentum an den Papieren.

2. Lohnsteuerkarte

    In die Lohnsteuerkarte muß der Arbeitgeber die gesamte an den Arbeitnehmer in dem entsprechenden Kalenderjahr gezahlte Arbeitsvergütung eintragen. Allerdings ist nur die tatsächlich gezahlte Vergütung einzutragen, nicht die Vergütung, die vielleicht geschuldet wäre, aber nicht gezahlt wurde.
    Nach dem Zuflußprinzip muß in die Lohnsteuerkarte immer die Vergütung eingetragen werden, die in dem jeweiligen Kalenderjahr tatsächlich geflossen ist. Werden z.B. im Jahr 2003 Nachzahlungen für 2002 geleistet, so ist die Nachzahlung gleichwohl in die Lohnsteuerkarte 2003 einzutragen.
    Die Lohnsteuerkarte ist von großer Bedeutung für die Einkommensteuererklärung oder den Lohnsteuerjahresausgleich. Außerdem braucht Rilke die Lohnsteuerkarte, wenn er ein neues Arbeitsverhältnis begründen will. Der neue Arbeitgeber muß wissen, in welcher Lohnsteuerklasse er abrechnen muß. Gibt der Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte nicht heraus oder füllt er sie nicht aus, so muß der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auch auf Herausgabe und Ausfüllung klagen.
    Sollte allerdings der Arbeitgeber falsche Lohnbeträge und falsche Steuern in die Karte eingetragen haben, so wäre für einen Rechtsstreit um richtige Ausfüllung das entsprechende Finanzgericht zuständig.

3. Sozialversicherungsnachweis

    Der Arbeitgeber muß die im einzelnen abgeführten Sozialversicherungsbeiträge in den Sozialversicherungsnachweis exakt eintragen. Die Belege sind den zuständigen Stellen zu übersenden. Der Versicherungsnachweis, evtl. der Versicherungsausweis sind dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dieser braucht sie z.B. für die spätere Rentenberechnung.

4. Arbeitsbescheinigung

    Der Arbeitgeber Hesse muß nach § 312 SGB III den Arbeitgeber eine Bescheinigung durch das Arbeitsamt ausfüllen. Die Arbeitsbescheinigung dient dazu, das Arbeitsamt in die Lage zu versetzen, den Arbeitslosengeldanspruch des Klägers zu prüfen, die Arbeitslosengeldhöhe zu berechnen und ggf. über ein Ruhen des Arbeitslosengeldes oder eine Sperrfrist zu entscheiden.
    Der Arbeitnehmer muß ein entsprechendes Formular beim Arbeitsamt besorgen und dem Arbeitgeber übergeben. Dann muß der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung sorgfältig und wahrheitsgemäß ausfüllen.
    Trägt der Arbeitgeber Tatsachen ein, die eine Sperrfrist für den Bezug des Arbeitslosengeldes rechtfertigen, so muß er damit rechnen, daß der Arbeitnehmer Widerspruch beim Arbeitsamt gegen einen Sperrbescheid einlegt. Es kann dann zu sozialgerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, in denen Arbeitgeber Hesse als Zeuge vernommen wird.
    Beispiele: Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung, einer vom Arbeitnehmer verschuldeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Vertragspflichtverletzung oder im Falle einer freiwilligen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer per Auflösungsvertrag oder Eigenkündigung muß nach § 144 Abs. 1 SGB III mit einer Sperrfrist gerechnet werden.
    Füllt der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung nicht richtig aus, so kann er sich ggf. schadenersatzpflichtig gegenüber dem Arbeitnehmer oder dem Arbeitsamt machen.
    Wird das Arbeitsverhältnis im Streit beendet, so gibt es oft auch Streit über die richtige Ausstellung der Arbeitsbescheinigungen. Dies betrifft insbesondere den Beendigungsgrund (betriebsbedingte oder verhaltensbedingte oder krankheitsbedingte Kündigung oder Auflösungsvertrag).
    Für das Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung an sich ist das Arbeitsgericht zuständig. Für das “richtige Ausfüllen” der Arbeitsbescheinigung ist dagegen das Sozialgericht zuständig. Dort muß beim Streit über den Inhalt geklagt werden.
    Der Arbeitgeber übergibt die Arbeitsbescheinigung entweder dem Arbeitnehmer oder schickt sie direkt an das Arbeitsamt.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug