Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 139: Hilfe Kündigung - Achtung: Die Beendigungsformalitäten

Der Fall

    Buchhalter Franzl Grillparzer und Chefsekretärin Roswitha von Gandersheim haben resigniert. Sie wollten die Kündigung des unerbittlichen Arbeitgebers Gottlob akzeptieren. Was müssen sie aber im Zusammenhang mit der Beendigung beachten? Der listige Gottlob bietet eine Auflösungsvertrag an. Ist das von Vorteil?

Die Lösung

1. Kündigungsfrist

    Entscheidend ist, daß bei einer ordentlichen Kündigung stets die Kündigungsfrist gewahrt ist. Sollte das nicht der Fall sein, so entstehen dem gekündigten Arbeitnehmer diverse Nachteile. Während der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist wird kein Arbeitslosengeld gezahlt (Ruhenstatbestand). Der neue Arbeitgeber könnte bei einer Bewerbung negative Rückschlüsse ziehen und Unrat wittern.
    Achtung: Oft erfolgt das Angebot, die Kündigungsfrist gegen Zahlung oder Erhöhung einer Abfindung abzukürzen. Dies ist eine sehr schlechte Lösung, insbesondere wenn der Gekündigte dann arbeitslos wird und auf das Arbeitslosengeld angewiesen ist. Während der nicht eingehaltenen Kündigungszeit wird kein Arbeitslosengeld gezahlt. Auch für die spätere Vita ist stets die Einhaltung der Kündigungsfrist und ein sauberes Arbeitsende von Bedeutung

2. Welche Kündigungsfristen gelten?

    Es gibt gesetzliche Kündigungsfristen, tarifliche Kündigungsfristen und vertragliche Kündigungsfristen.
    Die in § 622 BGB geregelten gesetzlichen Kündigungsfristen sind Mindestkündigungsfristen. Von ihnen darf nur in bestimmten Fällen per Tarifvertrag abgewichen werden. Ist nichts vereinbart, so gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.
    Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer organisiert, d.h. Gewerkschaftsmitglied und Arbeitgeberverbandsmitglied, so gilt der jeweilige einschlägige Tarifvertrag normativ und zwingend. Im Rahmen- oder Manteltarifvertrag sind Kündigungsfristen enthalten, die dann gelten. Die Geltung des einschlägigen Tarifvertrages kann aber auch im Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber Gottlob und dem Buchhalter Grillparzer vereinbart sein.
    In diesem Falle gelten dann die vereinbarten tariflichen Kündigungsfristen.
    Unabhängig von Gesetz und Tarifvertrag können die Arbeitsvertragsparteien aber auch im Arbeitsvertrag Kündigungsfristen vereinbaren. Diese Kündigungsfristen dürfen jedoch nicht kürzer sein, als die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen. Falls Tarifbindung vorliegt (auch Mitgliedschaft in Gewerkschaft und AGV), dürfen die fraglichen Kündigungsfristen auch die tariflichen Kündigungsfristen nicht unterschreiten.
    Gegen die Vereinbarung von längeren Kündigungsfristen bestehen keine Bedenken, soweit dadurch die Freiheit der Berufswahl nicht sachwidrig eingeschränkt wird. Es ist auch möglich, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer die verlängerte Kündigungsfrist für beide Seiten vereinbaren.

3. Kündigungsgründe

    Die Kündigung kann in der Probezeit erfolgen. Dann sollte dies kenntlich gemacht werden.
    Nach dem Kündigungsschutzgesetz gibt es für die ordentliche Kündigung betriebsbedingte Gründe, verhaltensbedingte Gründe oder personenbedingte Gründe (z.B. Krankheit).
    Es ist nicht gleichgültig, welcher Kündigungsgrund gewählt wird. Bei verhaltensbedingten Gründen muß der Arbeitnehmer mit mehrfachen Nachteilen rechnen.
    Zum einen verhängt das Arbeitsamt nach § 144 Abs. 1 SGB III eine Sperrfrist. Zum anderen ist die Wiedererlangung eines neuen Arbeitsplatzes unter solchen Voraussetzungen sehr schwierig.
    Die Kündigung wegen Krankheit führt nicht zu einer Sperrzeit für das Arbeitslosengeld. Andererseits könnte die Kündigung wegen Krankheit bei der Arbeitsplatzsuche hinderlich sein. Wer stellt schon einen dauerkranken Arbeitnehmer ein? Am günstigsten ist die betriebsbedingte Gründe. Ist der Arbeitsplatz durch Rationalisierung, Auftragsmangel, Wegfall der Produktion, Betriebsstillegung weggefallen, so trifft den Arbeitnehmer in der Regel keine Schuld. Er bekommt keine Sperrfrist beim Arbeitsamt. Außerdem ist er unbelastet bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.
    Merke: Es ist sehr wichtig, auf den richtigen Kündigungsgrund zu achten!

4. Auflösungsvertrag

    Der listige Arbeitgeber Gottlob hat den gekündigten Franzl und Roswitha einen Auflösungsvertrag angeboten. Ist dies von Vorteil? Für wen?
    Ein Auflösungsvertrag ist eher für den Arbeitgeber von Vorteil. Er braucht dann keine Kündigungsschutzklage mehr zu fürchten. Aus diesem Grunde ist der Arbeitgeber oft im außergerichtlichen Wege zu Zugeständnissen bereit, z.B. auch zur Zahlung einer Abfindung.
    Der Arbeitnehmer muß jedoch wissen, daß der Aufhebungsvertrag generell zu einer Sperrfrist nach § 144 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III führt, da der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz “quasi aufgibt”. Die Sperrzeit beträgt bis zu 12 Wochen. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst das Versprechen einer Abfindung für den Arbeitnehmer nachteilhaft sein.
    Aus diesem Grunde ist der Abschluß eines Aufhebungsvertrages stets sorgfältig und kritisch zu prüfen.
    Im Zweifel: Finger weg.

5. Einvernehmliche Beendigung

    Für die einvernehmliche Beendigung gilt dasselbe wie für den Auflösungsvertrag. Die einvernehmliche Beendigung ist letztlich ein Aufhebungsvertrag.
    Achtung: Möglichst das Wort “einvernehmlich” im Zusammenhang mit einer Beendigung, Kündigung etc. vermeiden. Diese und ähnliche Vokabeln erwecken beim Arbeitsamt den Eindruck, daß ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz freiwillig aufgegeben hat. Dies führt wiederum zu einer Sperrfrist bei der Arbeitslosengeldzahlung.

6. Klageverzicht

    Franzl und Roswitha wollen nicht klagen. Sie befürchten, daß sie schon wegen des Unterlassens der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine Sperrfrist vom Arbeitsamt bekommen könnten. Ist das richtig?
    Die Befürchtung von Franzl und Roswitha ist nicht begründet. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts führt das Unterlassen einer Kündigungsschutzklage bei Kündigung nicht dazu, daß das Arbeitsamt eine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld anordnen dürfte.
    Die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage ist nicht gleichzusetzen mit einer einvernehmlichen Aufhebung oder mit einer schuldhaften, arbeitsvertragswidrigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 144 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III. Der Gesetzgeber hat dem gekündigten Arbeitnehmer die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage eingeräumt. Daraus folgt aber nicht die Pflicht zur Erhebung einer Klage!

>> Nächste Folge: Hilfe Kündigung - Die Abwicklung der Restansprüche
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug