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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 134: Hilfe Kündigung - Soll ich klagen? (1)

Der Fall:

    Arbeitnehmer Friedrich Schiller und die gekündigte Annette von Droste-Hülshoff überlegen, ob sie gegen ihre Kündigung und den schwierigen Arbeitgeber Gottlob klagen sollen, dem sie ohnehin nicht mehr vertrauen. Wenn sie klagen, wie geht das? An wen wendet man sich? Wichtiger noch: Wie hoch sind die Kosten, die auf die dann vielleicht arbeitslosen Arbeitnehmer zukommen?
    Andererseits ist die Frage: Was geschieht, wenn die Kündigung nicht angegriffen wird? Gibt es Nachteile beim Arbeitsamt, gar eine Sperrfrist?

Die Lösung

1. Soll ich klagen?

    Diese Frage stellt sich jedem Gekündigten relativ schnell. Er hat auch nicht viel Zeit zu verlieren. In den meisten Fällen muß die Klagefrist von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung gemäß § 4 KSchG eingehalten werden. Die Einhaltung dieser Frist empfiehlt sich in jedem Falle. Deshalb muß die Frage schnell gestellt und beantwortet werden. Dazu kann auch Rechtsrat eingeholt werden. Ggf. hilft auch eine Vorsprache bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts. In jedem Falle kann eine Beratung durch einen Rechtsanwalt oder die zuständige Gewerkschaft hilfreich sein. Soweit kein Rechtsschutz besteht, muß jedoch beim Anwalt ein Honorar bezahlt werden.
    Diese Investition kann sich jedoch wirklich lohnen!

2. Rettet die Klage den Arbeitsplatz?

    Das Kündigungsschutzgesetz will zwar vom Sinn und Zweck her den Arbeitsplatz für den zu Unrecht gekündigten Arbeitnehmer retten. Jedoch schon seit Jahrzehnten steht fest, daß das Kündigungsschutzgesetz gerade diese Funktion nicht erfüllt. Weit mehr als 90 % der gekündigten Arbeitnehmer kehren – ob mit oder ohne Klage – nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurück.
    Der Arbeitnehmer darf deshalb nicht damit rechnen, daß eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, durch die Klage den Arbeitsplatz zu retten. Oft ist schon die Kündigung, insbesondere aber dann durch die Klage, das Klima zwischen den Kontrahenten recht verstimmt. Deshalb wird regelmäßig über die Zahlung einer Abfindung gegen Ausscheiden verhandelt.
    Will der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz retten, so empfiehlt es sich, im Prozeß bei der Argumentation auf Sachlichkeit und Zurückhaltung zu achten. Je heftiger die gegenseitigen Vorwürfe prasseln, umso weniger ist eine weitere Zusammenarbeit schon menschlich vorzustellen.
    Der Arbeitnehmer kann auch versuchen, über den gesetzlichen oder vertraglichen Weiterbeschäftigungsanspruch sich eine “Prozeßbeschäftigung” während des laufenden Kündigungsschutzprozesses zu erstreiten. Dann hat er wenigstens den Arbeitsplatz für eine gewisse Zeit erhalten. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß auch während der Prozeßbeschäftigung oft erhebliche Spannungen zu ertragen sind.
    Achtung: Die Beschäftigung während des Prozesses kann gefährlich sein, wenn der Arbeitgeber auf einen Fehler / Entgleisung des Arbeitnehmers wartet, um fristlos zu kündigen. Deshalb ist korrektes Verhalten notwendig!

3. Obsiegen des Arbeitnehmers – ein Triumph?

    Wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß gewinnt und in den Betrieb gegen den Willen des Arbeitgebers zurückkehrt, so ist die Freude bei ihm zumeist getrübt. Die Erfahrung zeigt, daß die Weiterbeschäftigung im Arbeitsverhältnis vor allem dann funktioniert, wenn sie im Prozeß durch einen Vergleich von beiden Seiten freiwillig vereinbart und gewollt ist. Eine solche vergleichsweise Lösung ist stets vorzuziehen.

4. Welche Nachteile entstehen ohne Klage?

    Akzeptiert der Arbeitnehmer die Kündigung durch den Arbeitgeber, so kann dies über den Verlust des Arbeitsplatzes hinaus mit weiteren Nachteilen verbunden sein, muß es aber nicht.
    Entscheidend ist: Wer Nachteile vermeiden will, muß darauf achten, daß stets die einschlägige Kündigungsfrist eingehalten ist!
    Wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten ist, kann dies Probleme einerseits bei der Arbeitsplatzsuche geben. Neue Arbeitgeber werden mißtrauisch. Zum anderen aber muß der Arbeitnehmer mit Nachteilen beim Arbeitslosengeld bzw. Arbeitsamt rechnen.
    Achtung: Eine scheinbar besonders schlaue Lösung scheint für manche Arbeitsvertragsparteien darin zu bestehen, per Vergleich die Kündigungsfrist abzukürzen und die eingesparte Brutto-Vergütung als Abfindung “netto für brutto” zu zahlen.
    Diese Lösung ist höchstens für den Arbeitgeber von Interesse. Der Arbeitnehmer hat gravierende Nachteile. Da die Kündigungsfrist nicht eingehalten ist, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für diese gesamte Zeit nach § 143 a SGB III. Bei “unkündbaren” Arbeitnehmern kann das Arbeitslosengeld bis zu 18 Monaten ruhen.
    Sollte die Sozialversicherung von diesem “Deal” erfahren, muß außerdem der Arbeitgeber die in der verkürzten Zeit normalerweise anfallenden Sozialversicherungsbeiträge abführen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile!). Die Rechtsprechung geht nämlich zu Recht davon aus, daß in einem solchen Fall in der Abfindung versteckter, sozialversicherungspflichtiger Lohn enthalten ist.

>> Nächste Folge: Hilfe Kündigung - wie soll ich klagen? (2)
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug