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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 133: Hilfe Kündigung - Kündigung nur letztes Mittel

Der Fall:

    Arbeitgeber Gottlob kündigt dem Techniker Gryphius betriebsbedingt wegen Wegfalls aller Technikerarbeitsplätze. Allerdings war der Arbeitsplatz eines Facharbeiters in Werk 2 zu besetzen. Die Vergütung war 500 Euro monatlich geringer. Gryphius wäre bereit, dort weiterzuarbeiten, statt arbeitslos zu sein.
    Arbeitnehmer Friedrich Schiller wird von Gottlob wegen ständigen Zuspätkommens gekündigt. Außerdem wirft Gottlob ihm das Mobbing des Vorgesetzten Goethe vor. Er habe sogar Kollegen zum “Rudelmobbing” gegenüber Goethe angestiftet.
    Friedrich Schiller hält den Vorwurf für nicht gravierend. Es reiche eine Abmahnung oder eine Versetzung in eine andere Abteilung.
    Die Teilzeitangestellte Annette von Droste soll gekündigt werden, weil ihr Arbeitsplatz in einen Vollzeitarbeitsplatz umgewandelt wird. Sie wäre auch willens, Vollzeit zu arbeiten.

Die Lösung

1. Abmahnung vor Kündigung

    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kündigung nur die “ultima ratio”, d.h. das letzte Mittel zur Lösung von Konflikten im Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber muß deshalb alles versuchen, den Konflikt zunächst auf andere Weise unter Abwägung der berechtigten beiderseitigen Interessen zu lösen. Dies bedeutet, daß im Falle von Vertragsverletzungen zunächst stets eine Abmahnung in Betracht kommt, wenn die Verletzungshandlungen nicht so gravierend sind, daß eine Weiterbeschäftigung unzumutbar wird.
    Friedrich Schiller ist wegen Zuspätkommens zunächst abzumahnen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird.

2. Versetzung geht vor Kündigung

    Der Fall des Mobbings durch Friedrich Schiller gegenüber dem Vorgesetzten Goethe und gar der Vorwurf der Anstiftung zum “Rudelmobbing” ist deutlich schwerwiegender. Eine Abmahnung könnte nicht ausreichend sein, wenn die Verletzungen im menschlichen und betrieblichen Bereich bereits so groß sind, daß eine Abmahnung bestimmte Gegebenheiten nicht mehr auszuräumen vermag. Aus diesem Grunde geht die Rechtsprechung davon aus, daß in solchen Fällen der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung zunächst einmal prüfen muß, ob die Möglichkeit der Versetzung des Mitarbeiters in eine andere Abteilung besteht. Sollte die Versetzung in eine andere Abteilung den Konflikt lösen, wäre diese Lösung als die weniger einschneidende Maßnahme vom Arbeitgeber zu wählen.
    Im Falle von Friedrich Schiller könnte allein schon die persönliche Animosität gegenüber Goethe zum Mobbing geführt haben. Deshalb muß Arbeitgeber Gottlob die Versetzungsmöglichkeit prüfen. Tut er das nicht, riskiert er die Unwirksamkeit der Kündigung.

3. Änderungskündigung vor Beendigungskündigung

    Weil die Kündigung die einschneidendste Maßnahme im Arbeitsverhältnis ist, muß der Arbeitgeber zunächst die weniger belastende Maßnahme wählen.
    Dies kann auch die Vornahme einer Änderungskündigung sein, bevor der Arbeitnehmer durch Beendigungskündigung ganz aus dem Betrieb entfernt wird.
    Gerade im Bereich der betriebsbedingten Notwendigkeiten ist stets die Möglichkeit einer Änderungskündigung statt der Beendigungskündigung vom Arbeitgeber zu prüfen.
    Wenn ein freier, zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist, ist der Arbeitnehmer zunächst an diesen freien Arbeitsplatz zu versetzen. Sofern diese Versetzung mit der Veränderung erheblicher Umstände verbunden ist, insbesondere mit einer Veränderung der Arbeitsaufgabe oder einer Verdienstminderung, kann die Versetzung im Wege der Änderungskündigung erfolgen.
    Im Falle des Technikers Gryphius hätte Arbeitgeber Gottlob zunächst den Gryphius fragen müssen, ob er mit einer solchen Versetzung einverstanden ist oder ihm gegenüber eine entsprechende Änderungskündigung aussprechen müssen.
    Da hier ein freier Arbeitsplatz in Werk 2 vorhanden war, mit dessen Besetzung der Arbeitnehmer einverstanden gewesen ist, geht die Änderungskündigung der Beendigungskündigung vor. Die Beendigungskündigung des Gryphius ist rechtsunwirksam.
    Ähnliches gilt im Falle der Teilzeitangestellten Annette von Droste-Hülshoff. Der Arbeitsplatz ist hier nicht weggefallen. Vielmehr soll die Arbeitszeit erhöht werden. In solchen Fällen ist es durchaus denkbar, daß die betroffenen Teilzeitarbeitnehmer mit einer Erhöhung ihrer Arbeitszeit einverstanden sind. Der Arbeitgeber muß diese Möglichkeit zunächst prüfen, oder zumindest eine Änderungskündigung aussprechen, worin er neben der Beendigungskündigung der Arbeitnehmerin die Weiterbeschäftigung mit einem Vollzeitarbeitsplatz anbietet. Da Arbeitgeber Gottlob dies nicht getan hat, ist auch die Kündigung gegenüber Annette rechtsunwirksam.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug