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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 130: Hilfe Kündigung - Besonderer Kündigungsschutz
Der Fall:
Arbeitgeber Gottlob will nach der erfolglosen Kündigung des schwerbehinderten Technikers Gryphius wenigstens die schwangere Bettina von Arnim kündigen.
Außerdem kündigt er dem Mitarbeiter Oswald von Wolkenstein, der Mitglied des Kreistages ist. Und schließlich wird der Betriebsratsvorsitzende Friedrich von Spee gekündigt, dem der Arbeitgeber schon lange
mißtraut. Alle gekündigten Arbeitnehmer berufen sich auf den besonderen Kündigungsschutz. Kann der flotte Gottlob diese Arbeitnehmer tatsächlich wirksam kündigen?
Die Lösung
1. Besonderer Schutz bei Schwangerschaft und Mutterschutz
Seit 1934 gewährt das Mutterschutzgesetz den schwangeren Arbeitnehmerinnen einen besonderen Schutz. Diesen Schutz hat der Europäische Gerichtshof
aufgrund von EG-Richtlinien noch weiter ausgebaut. Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmerinnen wegen ihrer Schwangerschaft nicht diskriminieren oder schlechter behandeln. Dies verstößt gegen die Europäischen
Richtlinien wie auch gegen den verfassungsrechtlich gesicherten Schutz der Familie. In der Vergangenheit waren Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz wegen der Möglichkeit der Schwangerschaft immer wieder
benachteiligt worden. Dies bekämpft nun die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wie auch des Bundesarbeitsgerichts vehement. Allerdings schafft der besondere Schutz der Schwangeren in der Praxis immer
wieder neue tatsächliche und rechtliche Probleme. Dies darf jedoch kein Anlaß sein, den Schutz der Schwangeren abzubauen.
2. Kann ich Schwangere kündigen?
§ 9 Mutterschutzgesetz hat für Schwangere ein nahezu absolutes Kündigungsverbot geschaffen. Die Kündigung gegenüber einer Frau während der
Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung ist unzulässig. Wichtig ist allerdings, daß die Schwangere dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt
gemacht hat, oder diese dem Arbeitgeber bekannt war. Ist dies nicht der Fall, so muß die Schwangere spätestens innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung ihre Schwangerschaft oder Entbindung mitteilen.
Die Überschreitung dieser Frist ist unschädlich, wenn sie auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung nach Wegfall dieses Grundes unverzüglich nachgeholt wird. Nur ganz
ausnahmsweise kann nach § 9 Abs. 3 Mutterschutzgesetz die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde (z.B. Regierungspräsidium) ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklären. Dies geschieht aber
nur in besonders seltenen Fällen.
3. Kündigungsschutz in der Elternzeit
Nach § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch dann nicht kündigen, wenn von einem Elternteil Elternzeit verlangt
worden ist. Dieser Schutz besteht ab dem Zeitpunkt, von dem an die Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit. Der Schutz besteht während der ganzen Elternzeit.
Elternzeit kann sowohl vom Ehemann, wie von der Ehefrau beantragt werden. Eine Kündigung kann dann erst nach Abschluß der Elternzeit mit der entsprechenden Kündigungsfrist ausgesprochen werden. Dann gilt in
der Regel der allgemeine Kündigungsschutz. Ganz ausnahmsweise kann auch im Falle der Elternzeit die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder eine beauftragte Stelle eine Kündigung für
zulässig erklären.
4. Besonderer Schutz bei politischen Ämtern?
Der Bundes- und die Ländergesetzgeber haben im Abgeordnetengesetz und in den jeweiligen Gemeindeordnungen einen besonderen Schutz für Arbeitnehmer
bestimmt, die bestimmte politische Ämter innehaben. Diese Arbeitnehmer können ebenfalls während ihrer Amtsperiode und mit einem nachwirkenden Kündigungsschutz von 6 bis 12 Monaten nicht ordentlich gekündigt
werden. Dabei handelt es sich zum einen um Mitglieder des Bundestages und des Landtages. Es handelt sich aber weiterhin auch um Parlamentsmitglieder auf kommunaler Ebene. Darunter fallen insbesondere
Mitglieder der Stadt- und Gemeindeparlamente sowie der Kreistage. Wolkenstein kann als Mitglied des Kreistages deshalb nicht ordentlich gekündigt werden, solange er dem Parlament angehört und 1 Jahr danach.
Weiterhin sind z.T. auch Mitglieder von politischen Beiräten, z.B. dem Ausländerbeirat, vom besonderen Kündigungsschutz erfaßt. Der Sinn des Gesetzes besteht darin, keine Benachteiligung wegen der
zusätzlichen politischen Arbeit und der dadurch ausfallenden Arbeitszeit zu schaffen.
5. Schutz des Betriebsrats
Nach § 15 Kündigungsschutzgesetz ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung etc. unzulässig. Eine
außerordentliche Kündigung ist nur möglich, wenn der zuständigen Betriebsrat nach § 103 BetrVG dieser außerordentlichen Kündigung zugestimmt hat, oder eine gerichtliche Entscheidung dies zuläßt. Nach
Beendigung der Amtszeit gilt der besondere Kündigungsschutz für 6 Monate weiter. Der besondere Kündigungsschutz gilt auch für Nachrücker im Betriebsratsgremium, sofern die Nachrücker zumindest 1 Mal an einer
Sitzung teilgenommen haben. Es gilt dann für den Nachrücker wegen dieser Sitzungsteilnahme ebenfalls der nachwirkende Kündigungsschutz von 6 Monaten, gerechnet ab der Sitzung. Sollte innerhalb dieser Zeit eine
neue Sitzungsteilnahme erfolgen, läuft der nachwirkende Kündigungsschutz erneut.
6. Wahlbewerber, Wahlvorstand
Nach § 15 Abs. 2 und 3 a KSchG genießen Mitglieder des Wahlvorstandes sowie Wahlbewerber und Betreiber einer Betriebsratswahl ebenfalls einen besonderen
Kündigungsschutz bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Wahlvorstand und Wahlbewerber besitzen dann einen weiteren nachwirkenden Kündigungsschutz von 6 Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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