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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 112: Lohngrundsätze IV - Arbeitszeitkonto

Der Fall:

    Friseurin Brunhilde ist erfolgreich. Sie betreibt mehrere Friseursalons. In den Arbeitsverträgen hat sie die Geltung der einschlägigen Tarifverträge vereinbart. Der Manteltarifvertrag sieht die Möglichkeit zur Bildung von Arbeitszeitkonten vor.
    In Ausführung des Tarifvertrages hat Brunhilde mit ihrer Salonleiterin Krimhild im Arbeitsvertrag ein Arbeitszeitkonto vereinbart. Die Arbeitnehmerin hat danach die Möglichkeit, bis zu 50 Plus-Stunden bzw. 50 Minus-Stunden anzusammeln. Weitere Verrechnungsregeln fehlen.
    Als Krimhild zum 31.12.2002 ausscheidet, hat sie 40 Minus-Stunden. Arbeitgeberin Brunhilde zieht ihr deshalb vom Dezember-Gehalt 400 Euro zum Ausgleich ab.
    Da Krimhild das Gehalt schon verplant hat, ist sie empört. Zu Recht?

Die Lösung:

1. Arbeitszeitkonten

    In verschiedenen Tarifverträgen, aber auch Betriebsvereinbarungen ist die Möglichkeit von Arbeitszeitkonten vorgesehen. Generell kann auch im Arbeitsvertrag ein Arbeitszeitkonto vorgesehen werden, soweit nicht zwingende Tarifverträge entgegenstehen.
    Es ist bei Regelungen genau zu unterscheiden zwischen Arbeitszeitkonten, die auf das ganze Jahr bezogen sind oder auf einen Monat. Letztendlich beinhalten auch die Gleitzeitregelungen einen Art von Arbeitszeitkonto, in dem sie regelmäßig einen bestimmten Korridor von Plus- oder Minusstunden monatlich vorsehen.
    Achtung: Soweit eine tarifliche Mindestwochenarbeitszeit tariflich zwingend vorgeschrieben ist, könnten Arbeitszeitkonten durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung gegen den zwingenden Tarifvertrag verstoßen, soweit dieser nicht eine Öffnungsklausel enthält!

2. Negatives Konto

    Die Regulierung von Plus-Stunden ist in vielen Rechtsvorschriften, die Arbeitszeitkonten vorsehen, geregelt. Der Ausgleich erfolgt regelmäßig durch Freizeit oder durch Vergütungszahlung.
    Für Minus-Stunden fehlt dagegen oft eine Regelung, insbesondere für den Fall des Ausscheidens. So auch vorliegend im Fall. Soweit Arbeitszeitkonten per Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung eingerichtet werden, ist dringend eine entsprechende Regelung zu empfehlen.

3. Mitbestimmung

    Zu beachten ist allerdings, daß gerade im Bereich der Arbeitszeitkonten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 Betriebsverfassungsgesetz besteht. Der Arbeitgeber muß die Handhabung der Arbeitszeitkonten im einzelnen durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat zu regeln. Andernfalls würde er einen massiven Gesetzesverstoß begehen. Im Fall von Brunhilde gab es jedoch keine Betriebsräte in den Salons.

4. Wesentliche Grundsätze zum Negativ-Saldo

    Die Handhabung eines Negativ-Saldos während des Arbeitsverhältnisses wie auch beim Ausscheiden sollte grundsätzlich im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder zumindest im Arbeitsvertrag geregelt werden.
    Gerade im Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ist die Verrechnung eines Negativ-Zeitsaldos problematisch. Entscheidendes Kriterium für die Zulässigkeit einer Verrechnung von Negativ-Stunden bei dem Ausscheiden der Arbeitnehmerin, ist die Frage, ob diese Arbeitnehmerin selbst über das Entstehen und den Ausgleich eines negativen Kontostandes entscheiden konnte oder nicht.
    Dies betrifft sowohl die Entscheidung darüber, ob überhaupt ein Negativ-Guthaben entstehen soll, als auch darüber, wann und wie es ggf. ausgeglichen werden soll.
    Wird ein negatives Zeitguthaben alleine vom Arbeitgeber durch entsprechende Anweisung, Direktionsrecht oder wegen Arbeitsmangel verursacht, so hat der Arbeitgeber beim Ausscheiden generell kein Recht, dieses Negativ-Zeitkonto mit Abzügen zu seinen Gunsten auszugleichen! Andernfalls würde gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Einhaltung der tariflichen Wochenarbeitszeit unter Vergütung jeder geleisteten Arbeitsstunde verstoßen werden.
    Vorliegend bedeutet dies, daß Brunhilde einen Abzug der Minus-Stunden beim Ausscheiden von Krimhild nur dann vornehmen konnte, wenn die Minus-Stunden von Krimhild allein verursacht wurden!

5. Verrechnung

    Fehlt eine Verrechnungsregel für Plus-Stunden oder für Minus-Stunden, so kommen die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung:
    Ein Zeitguthaben bedeutet eine Vorleistung des Arbeitnehmers. Beim Ausscheiden ist das Zeitguthaben im Rahmen der Kündigungsfrist durch Freizeit auszugleichen oder am Schluß auszuzahlen. Ein negatives Zeitguthaben bedeutet dagegen eine Vorleistung des Arbeitgebers, wenn dieses Negativ-Guthaben alleine vom Arbeitnehmer veranlaßt wurde.
    In diesem Falle ist das negative Zeitguthaben der Sache nach ein Lohn- oder Gehaltsvorschuß des Arbeitgebers. Brunhilde und Krimhild waren sich stillschweigend darüber einig, daß wegen der von Krimhild verursachten Minus-Stunden eine Vorleistung der Arbeitgeberin vorhanden ist, die bei Fälligkeit der Forderung zu verrechnen ist.
    Besteht bei Vertragsende ein solches Negativ-Saldo, so muß die Arbeitnehmerin Krimhild das negative Guthaben finanziell ausgleichen. Arbeitgeberin Brunhilde darf ihren Vergütungsvorschuß mit dem restlichen Lohn verrechnen. Zur Verrechnung bedarf es keiner Aufrechnung und keiner Aufrechnungserklärung.
    6. Pfändungsfreigrenze
    Ein Lohnvorschuß darf nach allgemeinen Regeln grundsätzlich auch von den unpfändbaren Vergütungsbestandteilen abgezogen werden. Pfändungsfreigrenzen spielen grundsätzlich keine Rolle, da die Vergütung insoweit ja gezahlt ist.
    Nach wohl überwiegender Meinung muß jedoch dem Arbeitnehmer gerade bei Arbeitszeitkonten noch ein Auszahlungsbetrag zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts verbleiben. Das ist in der Regel der Betrag, der im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen vorgesehen ist.

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug