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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 113: Lohngrundsätze V - Lohnabtretung

Der Fall:

    Arbeitnehmer Piccolomini kauft beim Möbelhändler Wallenstein eine neue Küche und ein neues Wohnzimmer. Da er kein Geld hat, vereinbart er mit Wallenstein eine Ratenzahlung. Zur Sicherheit für Wallenstein unterzeichnet er auf kleinen Zusatzpapieren jeweils eine Lohnabtretung. Arbeitgeberin Maria Stuart weiß nichts von der Lohnabtretung. Als Piccolomini die vereinbarten Raten nicht zahlt, gibt Wallenstein der Stuart die Lohnabtretung im Juli 2002 bekannt. Er fordert sie auf, den pfändbaren Lohn des Piccolomini in Höhe von 500 Euro monatlich ab August 2002 an ihn abzuführen.
    Maria will Piccolomini schützen und zahlt nicht. Wallenstein klagt zunächst 2.500 Euro für die Zeit von August bis Dezember 2002 ein.
    Piccolomini und Maria wenden im Prozeß ein, daß die Möbel minderwertig sind, außerdem Wucher und Sittenwidrigkeit der Vereinbarung, Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, eine überraschende Klausel und unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Die Abtretungserklärung sei nur auf kleinen Papierschnipseln mit kleiner Schrift vorgenommen worden.
    Wallenstein ist sich keiner Schuld bewußt, er meint, korrekt verfahren zu sein.
    Er will sein Geld von Maria Stuart und verklagt sie.

Die Lösung:

1. Lohnabtretung

    Viele Arbeitnehmer glauben, daß nur eine Lohnpfändung den Arbeitgeber zwingt, ihren Lohn an einen Gläubiger abzuführen, statt an sie selbst. Dies ist ein großer Irrtum.
    Achtung: Die Lohnabtretung kann genau die gleiche Wirkung entfalten.
    Der Käufer einer Ware muß bei Ratenzahlungsvereinbarungen stets das Kleingedruckte genau lesen. In den allermeisten Fällen ist bei solchen Ratenzahlungs- oder Kreditverträgen eine Lohnabtretungserklärung des Arbeitnehmers enthalten. Diese Lohnabtretung bewirkt das Gleiche wie die Pfändung. Sobald der Arbeitnehmer die vereinbarten Raten nicht mehr bezahlt, kann der Verkäufer / Gläubiger sich direkt an den Arbeitgeber wenden. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, die pfändbaren Lohnbeträge an den Gläubiger abzuführen, sofern nicht Vorpfändungen oder vorangegangene Lohnabtretungen vorliegen.
    Führt der Arbeitgeber diese Beträge nicht ab, haftet er persönlich. Deshalb ist das Vorgehen von Maria Stuart problematisch. Im Ernstfall muß sie zwei Mal zahlen, wenn sie zunächst den Lohn entgegen der Abtretungsanzeige an Piccolomini statt an Wallenstein ausgezahlt hat.

2. Form

    Piccolomini bemängelt die Lohnabtretung, weil sie nur auf einem kleineren Stück Papier, in kleiner Schrift und getrennt vom Kaufvertrag vorgenommen worden sei. Diese Einwendungen sind im Zweifel nicht stichhaltig.
    Entscheidend ist, daß der Text der Lohnabtretungsvereinbarung klar und deutlich ist und keine Mißverständnisse auslöst. Die Größe des Papiers, auf der sich die Lohnabtretung befindet (Papierschnipsel) und auch die Buchstabengröße bzw. die Textgröße sind nicht entscheidend.
    Wichtig ist vielmehr der klare Zusammenhang zwischen dem Kauf, der Ratenzahlungsvereinbarung und der Lohnabtretung. Dieser Zusammenhang muß sich aus der unterzeichneten Lohnabtretung ergeben. Auch wenn die Lohnabtretung auf einem eigenen Stück Papier neben dem Kaufvertrag unterzeichnet wird, kann in der Regel beim Käufer bzw. beim Arbeitnehmer kein Mißverständnis darüber bestehen, daß er neben dem Kaufvertrag eine zweite zusätzliche Vereinbarung mit dem Verkäufer abschließt.

3. Wucher / Sittenwidrigkeit

    Der Einwand der Wuchers oder der Sittenwidrigkeit gegen die Lohnabtretung macht keinen großen Sinn. Möglicherweise ist der zugrundeliegende Kauf- oder Kreditvertrag sittenwidrig. Dann müßte dieser angefochten werden. Eine Lohnabtretung als solche ist grundsätzlich im Rahmen der Vertragsfreiheit möglich und nicht schon von sich aus sittenwidrig.

4. Schlechtleistung

    In vielen Fällen wird im Rahmen eines Zahlungsprozesses beim Arbeitsgericht vom Arbeitgeber / Arbeitnehmer gegenüber dem Verkäufer eingewandt, daß die Ware schlecht oder minderwertig gewesen sei. Solche Einwendungen wäre von Piccolomini schon beim Empfang der Möbel zu erheben gewesen. Ggf. müßte Piccolomini gegenüber Wallenstein eine Mängelrüge erheben und im Rahmen des Kaufvertrages entsprechende Einwendungen vornehmen.
    Für die Wirksamkeit der Lohnabtretung ist es ohne Belang, ob die gelieferten Möbel Mängel aufwiesen oder nicht.

5. Allgemeine Geschäftsbedingungen

    Eine Lohnabtretungsvereinbarung beinhaltet eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des Gesetzes (Achtung: Die Vorschriften sind jetzt im BGB eingearbeitet). Dies folgt schon daraus, daß die Lohnabtretungsvereinbarung vorformulierte Vertragsbedingungen enthält, die für eine Vielzahl von Kaufverträgen verwandt werden.
    Piccolomini beruft sich jedoch zu Unrecht darauf, daß es sich bei der Lohnabtretung um eine überraschende Klausel im gesetzlichen Sinne gehandelt habe. Gerade bei Kaufverträgen in Verbindung mit Ratenzahlungsvereinbarungen oder Kreditverträgen sind Lohnabtretungsvereinbarungen gang und gäbe.
    Eine Lohnabtretung enthält entgegen der Ansicht von Piccolomini auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Lohnabtretungen sind vielmehr im Falle von Darlehns- oder Ratenzahlungsgeschäften eine Sicherheit, die nicht ohne Grund von Verkäufern als Bedingung für das Geschäft verlangt werden.
    Eine Lohnabtretungsvereinbarung verstößt in der Regel auch nicht gegen das gesetzliche Transparenzverbot. Der Umstand, daß dem Arbeitnehmer Piccolomini möglicherweise die Reichweite und die rechtliche Konsequenz einer Lohnabtretung nicht klar war, führt nicht dazu, daß diese Lohnabtretung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot rechtsunwirksam wäre.
    Ergebnis: Arbeitgeberin Maria Stuart muß zahlen. Sollte sie dem Piccolomini den vollen Lohn in der Zeit von August bis Dezember 2002 ausgezahlt haben, so würde sie die entsprechende Zahlung zum zweiten Mal zu erbringen haben, dieses Mal an Wallenstein. Allerdings müßte Piccolomini an sie die Schuld zurückzahlen.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug