|
|
|
Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
|
|
|
|
Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
|
|
|
Folge 292: Arbeitsrechtliche Schwellenwerte II
Frage:
Wann gilt für mich das Kündigungsschutzgesetz? Ab welcher Mitarbeiterzahl kann ein Betriebsrat gewählt werden? Welche Größe hat der Betriebsrat? Wann muß der Arbeitgeber einen Betriebsrat bezahlt von der
Arbeit freistellen? Wann beginnt die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers für mindestens einen schwerbehinderten Mitarbeiter, alternativ die Zahlung einer monatlichen Ausgleichsabgabe? Wann muß ein Außenraum
eingerichtet werden, wann ein Wirtschaftsausschuß installiert werden?
Der Fall:
Häberle und Pfleiderer wollen einen Betrieb gründen. Sie überlegen, ob sie die Produktion von Remstal-Spätzle und den Bau einer Trollinger Pipeline in die Landeshauptstadt mit 5, 10 oder 100 Arbeitnehmern
beginnen sollen. Häberle war früher bei Daimler beschäftigt und in der Gewerkschaft. Von daher weiß er, daß es bestimmte Arbeitnehmer-Schwellenwerte gibt, die gewisse Arbeitnehmer-Rechte bzw.
Arbeitgeberpflichten und Maßnahmen auslösen. Pfleiderer meint, daß sie sich unbedingt über diese Schwellenwerte kundig machen müßten. Die Gastarbeiter Jimmy Hendrix und Frank Zappa werden von Häberle für den
Bau der Pipeline „Schwabenstolz“ angeheuert. Bereits nach dem ersten Trollinger-Probelauf und einer aufopfernden Güteprüfung kamen Hendrix und Zappa auf die Idee, unverzüglich einen Betriebsrat zu wählen. Als
Pfleiderer daraufhin im mittelständischen Schwabenzorn den beiden Gastarbeitern Spätzleentzug und Kündigung androhte, verwiesen Zappa und Hendrix darauf, daß in Deutschland – anders als in den USA – das
Kündigungsschutzgesetz gelte und eine Kündigung nicht ohne Weiteres in Betracht komme. Was gilt nun?
Die Lösung:
Ab 21 Arbeitnehmer – Erweiterte Mitbestimmung des Betriebsrats. Zustimmungspflicht des Betriebsrats bei Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung von Mitarbeitern gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG,
– Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung und Beratung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen, wie Einschränkung oder Stilllegung des Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile, Verlegung von Betriebsteilen
oder des Betriebes, Zusammenschluß oder Spaltung des Betriebes, grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen, Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden oder
erheblicher Personalabbau nach §§ 111, 112, 112a BetrVG. Pflicht zur Beratung mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan, ggf. Pflicht zum Abschluß eines Sozialplans.
– Bei 21 bis
50 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht der Betriebsrat aus 3 Mitgliedern. – Pflicht zur mündlichen Unterrichtung der Belegschaft über die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung des Unternehmens
mindestens 1 Mal im Quartal nach Abstimmung mit dem Betriebsrat, § 111 Abs. 2 BetrVG. – Im Betriebsrat muß das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem
zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, § 15 Abs. 2 BetrVG. – Anzeigepflicht bei der Entlassung von mehr als 5 Arbeitnehmern gegenüber der Arbeitsagentur vor Ausspruch der ersten Kündigung
gem. § 17 Kündigungsschutzgesetz. – Bestellung von mindestens 1 Sicherheitsbeauftragten unter Mitwirkung des Betriebsrats nach § 22 SGB VII. – Bildung eines Arbeitsschutzausschusses aus Arbeitgeber,
Betriebsrat, einer Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Sicherheitsbeauftragten in Betrieben, in denen Betriebsärzte oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit bestellt sind; je nach Berufsgenossenschaft
unterschiedlicher Schwellenwert (§ 11 Arbeitssicherheitsgesetz).
Ab 31 Arbeitnehmer – Keine Teilnahme mehr am Lohnausgleichverfahren, mit dem dem Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu
bis zu 80 % von der Krankenkasse zurückerstattet wird. Ebenso Wegfall der Erstattung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld durch die Krankenkasse (§ 1 Aufwendungsausgleichgesetz). Gleichzeitig Ausscheiden aus dem
von der Krankenkasse durchzuführenden Umlageverfahren nach § 3 Aufwendungsausgleichgesetz.
Ab 40 Arbeitnehmer – Beschäftigungspflicht für 2 Schwerbehinderte, sonst monatliche Ausgleichsabgabe von 360
Euro. Soweit nur 1 Schwerbehinderter beschäftigt wird, monatliche Ausgleichsabgabe von 105 Euro.
Ab 51 Arbeitnehmer – Der Betriebsrat umfaßt 5 Mitglieder (51 – 100 Mitarbeiter). – Der Wahlvorstand
und der Arbeitgeber können ein zweistufiges Betriebsratswahlverfahren vereinbaren, § 14 a Abs. 5 BetrVG.
Ab 60 Arbeitnehmer – Der Arbeitgeber muß bei der Entlassung von 10 % der Belegschaft oder mehr
als 25 Arbeitnehmern eine Entlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur vor Ausspruch der Kündigung durchführen, § 17 KSchG. – Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte; es müssen 5 % der Arbeitsplätze mit
schwerbehinderten Menschen besetzt werden.
Ab 101 Arbeitnehmer – Betriebsratsgröße 7 Mitglieder (101-200 Arbeitnehmer). – Bildung von Betriebsausschüssen beim Betriebsrat möglich. Nach § 28 BetrVG
kann der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern Ausschüsse bilden und ihnen bestimmte Aufgaben übertragen. – Der Betriebsrat hat auch die Möglichkeit, mit Mehrheit seiner Stimmen bestimmte
Aufgaben auf Arbeitsgruppen zu übertragen, § 28 a BetrVG. – Es ist nach § 106 BetrVG ein Wirtschaftsausschuß zu bilden. Der Wirtschaftsausschuß hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem
Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der
erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. Der Wirtschaftsausschuß besteht aus mindestens 3 und höchstens 7 Mitgliedern, die dem Unternehmen angehören müssen, darunter mindestens 1 Betriebsratsmitglied, § 107
Abs. 1 BetrVG. Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses werden vom Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit bestimmt. – Der Arbeitgeber muß Vorschläge des Betriebsrats zur Sicherung und Förderung der
Beschäftigung mit diesem beraten. Eine Ablehnung der Vorschläge muß schriftlich begründet werden, § 92 a BetrVG.
>> Nächste Folge << Zurück zur Übersicht
|
|
|
Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle: Reine Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung. Wichtiger Hinweis:
Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
|
Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
|
Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
|
|
|
|
|
|
Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
|
Folgenübersicht:
|
1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
|
|
|