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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 293: Arbeitsrechtliche Schwellenwerte III

Frage:

    Wann gilt für mich das Kündigungsschutzgesetz?
    Ab welcher Mitarbeiterzahl kann ein Betriebsrat gewählt werden? Welche Größe hat der Betriebsrat? Wann muß der Arbeitgeber einen Betriebsrat bezahlt von der Arbeit freistellen? Wann beginnt die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers für mindestens einen schwerbehinderten Mitarbeiter, alternativ die Zahlung einer monatlichen Ausgleichsabgabe? Wann muß ein Außenraum eingerichtet werden, wann ein Wirtschaftsausschuß installiert werden?

Der Fall:

    Häberle und Pfleiderer wollen einen Betrieb gründen. Sie überlegen, ob sie die Produktion von Remstal-Spätzle und den Bau einer Trollinger Pipeline in die Landeshauptstadt mit 5, 10 oder 100 Arbeitnehmern beginnen sollen.
    Häberle war früher bei Daimler beschäftigt und in der Gewerkschaft. Von daher weiß er, daß es bestimmte Arbeitnehmer-Schwellenwerte gibt, die gewisse Arbeitnehmer-Rechte bzw. Arbeitgeberpflichten und Maßnahmen auslösen. Pfleiderer meint, daß sie sich unbedingt über diese Schwellenwerte kundig machen müßten.
    Die Gastarbeiter Jimmy Hendrix und Frank Zappa werden von Häberle für den Bau der Pipeline „Schwabenstolz“ angeheuert. Bereits nach dem ersten Trollinger-Probelauf und einer aufopfernden Güteprüfung kamen Hendrix und Zappa auf die Idee, unverzüglich einen Betriebsrat zu wählen. Als Pfleiderer daraufhin im mittelständischen Schwabenzorn den beiden Gastarbeitern Spätzleentzug und Kündigung androhte, verwiesen Zappa und Hendrix darauf, daß in Deutschland – anders als in den USA – das Kündigungsschutzgesetz gelte und eine Kündigung nicht ohne Weiteres in Betracht komme.
    Was gilt nun?

Die Lösung:

    Ab 200 Arbeitnehmer
    – Nach § 38 BetrVG muß ein Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber unter Fortzahlung des vollen Entgelts von jeglicher Arbeitsleistung zur Betriebsratsarbeit freigestellt werden.

    Ab 201 Arbeitnehmer
    – Der Betriebsrat umfaßt 9 Mitglieder (201 – 400 Arbeitnehmer).
    – Der Betriebsrat muß nach § 27 BetrVG einen Betriebsausschuß bilden. Der Betriebsausschuß besteht aus dem Betriebsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter und 3 – 9 weiteren Ausschußmitgliedern, je nach Größe des Betriebsrats. Die weiteren Ausschußmitglieder werden vom Betriebsrat geheim gewählt. Der Betriebsausschuß führt die laufenden Geschäfte des Betriebsrats. Der Betriebsrat kann dem Ausschuß mit Stimmenmehrheit Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen, z.B. in Kündigungsangelegenheiten. Dies gilt aber nicht für den Abschluß einer Betriebsvereinbarung. Die Übertragung bedarf der Schriftform.

    Ab 401 Arbeitnehmer
    – Der Betriebsrat umfaßt 11 Mitglieder (401 – 700 Arbeitnehmer).

    Ab 500 Arbeitnehmer
    – Der Arbeitgeber muß bei einer Massenentlassung von 30 oder mehr Mitarbeitern vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur durchführen, § 17 KSchG.

    Ab 501 Arbeitnehmer
     – Der Arbeitgeber muß mindestens 2 Betriebsratsmitglieder unter Zahlung der vollen Vergütung für Betriebsratstätigkeit freistellen, § 38 BetrVG.
    – Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber gem. § 95 Abs. 2 BetrVG die Aufstellung von Auswahlrichtlinien für die Arbeitnehmer bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen verlangen.

    Ab 701 Arbeitnehmer
    – Der Betriebsrat umfaßt 13 Mitglieder (701 – 1000 Mitarbeiter).

    Ab 901 Arbeitnehmer
    – Der Arbeitgeber muß mindestens 3 Betriebsratsmitglieder unter Fortzahlung der Vergütung für Betriebsratstätigkeit von der Arbeit freistellen.

    Ab 1000 Arbeitnehmer
    – Nach dem Gesetz über europäische Betriebsräte ist eine die nationalen Grenzen übergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen möglich, § 1 EBRG.

    Ab 1001 Arbeitnehmer
    – Der Betriebsrat umfaßt 15 Mitglieder (1001 – 1500 Mitarbeiter).
    – Der Arbeitgeber muß die Belegschaft 1 Mal im Kalendervierteljahr schriftlich über die wirtschaftliche Laqe und die Entwicklung des Unternehmens unterrichten. Diese Unterrichtung muß er zuvor mit dem Wirtschaftsausschuß und dem Betriebsrat abstimmen, § 110 Abs. 1 BetrVG.

    Ab 1501 Arbeitnehmer
    – Der Betriebsrat umfaßt 17 Mitglieder (1501 – 2000 Arbeitnehmer).
    – Der Arbeitgeber muß mindestens 4 Betriebsräte unter Fortzahlung der Vergütung für Betriebsratstätigkeit von jeglicher Arbeitsleistung freistellen.

    Ab 2001 Arbeitnehmer
    – Der Betriebsrat umfaßt nunmehr 19 Mitglieder.
    – Der Arbeitgeber muß mindestens 5 Betriebsräte unter Fortzahlung der Vergütung für Betriebsratstätigkeit von der Arbeitsleistung freistellen, § 38 BetrVG.
    – Je angefangene 500 Arbeitnehmer erhöht sich die Zahl der Betriebsratsmitglieder um weitere 2 Personen.
    – Je angefangene 1000 Arbeitnehmer muß der Arbeitgeber ein weiteres Betriebsratsmitglied unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen.
    – In Unternehmen mit bestimmten Rechtsformen wie Aktiengesellschaft, oder GmbH haben die Arbeitnehmer weitere Mitbestimmungsrechte nach § 1 Mitbestimmungsgesetz. Es ist ein Aufsichtsrat zu bilden, der sich aus je 6 Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammensetzt, § 7 Abs. 1 Mitbestimmungsgesetz. Ab 20.001 Arbeitnehmer setzt sich der Aufsichtsrat je aus 10 Aufsichtsratsmitgliedern zusammen.
    Sonstige Schwellenwerte
    – In Betrieben mit mindestens 5 Auszubildenden unter 25 Jahren oder mindestens 5 Arbeitnehmern unter 18 Jahren kann eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt werden, §§ 60, 62 BetrVG.
    – In Betrieben mit mindestens 10 Leitenden Angestellten werden Sprecherausschüsse nach § 1 Sprecherausschußgesetz gewählt.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug