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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 284: Überstunden/Verfallfrist II
Der Fall
Heidschnuckenschäfer Hermann Löns war bei dem Jungunternehmer Emil von Behring als Landschaftspfleger angestellt, um die Grünanlagen rund um das gesamte Firmengelände und die
Produktionsanlagen mit seinen Heidschnucken in Ordnung zu halten. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war ein Gehalt von 2.500 Euro brutto monatlich bei 40 Wochenarbeitsstunden geregelt. Außerdem war vereinbart,
daß mit diesem Gehalt sämtliche Überstunden, egal welcher Art und aus welchem Grunde, abgegolten seien. In § 15 des Arbeitsvertrages war außerdem eine Ausschlußklausel geregelt. Danach war der Arbeitnehmer
verpflichtet, sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Fälligkeit schriftlich innerhalb eines Monats geltend zu machen. Andernfalls sollen diese Ansprüche verfallen. Als Hermann Löns im Frühsommer
mit seinen Heidschnucken in der Sonne so still vor sich hin träumte, erhielt er die schneidige Anweisung des Betriebsleiters Doc Holiday, sich die nächsten Wochen über das normale Maß hinaus kräftig ins Zeug zu
legen, um die Außenanlagen für den Tag der Offenen Tür der Behringwerke Tiptop auf Vordermann zu bringen. Löns und seine Schafe knieten sich kräftig ins Gras. Zur Erfüllung des Auftrages leistete Löns im Juni
262 Stunden, im Juli 270 Stunden. Als die Herbstnebel durch das Lahntal zogen, kam dem still vor sich hin sinnierenden Heidschnuckenschäfer die Idee, daß er wenigstens einen Teil seiner Überstunden bezahlt
bekommen müsse. Er machte deshalb mit Schreiben vom 20.11. die Bezahlung aller Überstunden geltend, die über 216 Monatsstunden hinaus gingen. Außerdem wollte er einen Zuschlag von 25 % auf die Überstunden.
Unternehmer Emil von Behring ist der Ansicht, daß ein Überstundenanspruch wegen der vertraglichen Regelung generell nicht besteht. Außerdem wäre ein solcher Anspruch durch die arbeitsvertragliche Ausschlußfrist
verfallen und untergegangen. Doch der von Hermann Löns eingeschaltete Rechtsanwalt Dr. Eisenbart fackelte nicht lange und erhob Klage. Mit Erfolg?
Die Lösung
6. Arbeitgeberanweisung
Vom Arbeitgeber zu vergütende Überstunden oder Mehrarbeit liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber oder seine Repräsentanten, Abteilungsleiter etc. diese Überstunden angeordnet haben.
Ein Überstundenanspruch kann auch dann entstehen, wenn die Überstunden zwar ohne Anweisung des Arbeitgebers, aber mit dessen Wissen und Duldung abgeleistet wurden. Hermann Löns hat seine Überstunden auf
Anweisung des Betriebsleiters Doc Holiday durchgeführt, insoweit besteht für die Verantwortlichkeit der Arbeitgeberseite kein Bedenken.
7. Anspruch trotz gesetzlichem Beschäftigungsverbot
Emil von Behring und sein Betriebsleiter Doc Holiday hätten aufgrund des Beschäftigungsverbotes des § 3 Arbeitszeitgesetz die Arbeitsleistung von Hermann Löns über 208 bzw. 216
Arbeitsstunden pro Monat hinaus weder anordnen, noch dulden, noch entgegennehmen dürfen. Dieses gesetzliche Beschäftigungsverbot führt aber nicht dazu, daß der Arbeitgeber dadurch von seiner Zahlungspflicht
befreit wäre. Verstößt der Arbeitgeber gegen das Gesetz, wird er vom Gesetzgeber nicht noch durch den Wegfall des Vergütungsanspruches für den Gesetzesverstoß belohnt. Der Sinn des Beschäftigungsverbotes
besteht vielmehr darin, eine Arbeitsleistung zu verhindern, die zu einer Überforderung des Arbeitnehmers führt. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bleibt von diesem Beschäftigungsverbot unberührt, wenn er
unzulässige Mehrarbeit ableistet.
8. Bezahlung der Mehrarbeit
In den Herbstnebeln kam Hermann Löns richtigerweise zu dem Schluß, daß mit seiner Gehaltsvereinbarung maximal die Überstunden innerhalb der gesetzlichen Höchstarbeitszeit abgegolten
wurden. Die darüber hinausgehende Vereinbarung stellte eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Mit dieser Vereinbarung verstieß der Arbeitgeber gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, sowie
gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 BGB. Emil von Behring muß dem Schäfer Hermann Löns zumindest die Mehrarbeit bezahlen, die über 208 Stunden pro Monat hinaus von ihm abgeleistet wurden. Einen
Zuschlag für diese Mehrarbeit, z.B. 25 % kann Hermann Löns jedoch nicht verlangen, da kein Tarifvertrag gilt und Überstundenprozente im Arbeitsvertrag nicht vereinbart wurden.
9. Untergang eines Anspruchs im Arbeitsverhältnis
Es stellt sich weiterhin die Frage, ob der nunmehr festgesellte Anspruch von Hermann Löns auf Bezahlung von Mehrarbeit (alle Arbeit, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 48
Stunden/Woche abgeleistet wurde) noch besteht, rechtzeitig geltend gemacht wurde, oder vielleicht untergegangen ist, wie Emil von Behring meint.
10. Verjährung
Die regelmäßige Verjährungsfrist für alle Ansprüche aus Verträgen beträgt mittlerweile nach § 195 BGB 3 Jahre. Da Hermann Löns seinen Mehrarbeitsvergütungsanspruch noch im selben Jahr am
20.11. geltend gemacht hatte, liegt keine Verjährung vor.
11. Tarifliche Verfallfristen
In Tarifverträgen sind regelmäßig weitaus kürzere Verfallfristen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorgesehen. Die in Gehalts-, Mantel- oder Rahmentarifverträgen enthaltenen
Verfallfristen verlangen, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer gewissen Frist geltend machen. Erfolgt die Geltendmachung nicht innerhalb der Frist, so verfällt
der Anspruch. Die in den Tarifverträgen vorgesehenen Verfallfristen bewegen sich i.d.R. zwischen 1 Monat und 6 Monaten nach Fälligkeit. In der Mehrzahl der Fälle beträgt die Ausschlußfrist 2-3 Monate nach
Fälligkeit. Voraussetzung ist allerdings, daß die Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
12. Einzelvertragliche Verfallfristen
Finden auf das Arbeitsverhältnis Tarifverträge keine Anwendung, so können nach ständiger Rechtsprechung auch in Arbeitsverträgen solche Verfall- oder Ausschlußfristen vereinbart werden.
Ausschlußfristen dienen der Rechtssicherheit und sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zwingend, ihre Ansprüche zeitnah geltend zu machen und zu klären. Da das Arbeitsverhältnis ein Austauschverhältnis ist, ist
stets die zeitnahe Abwicklung der gegenseitigen Ansprüche wünschenswert.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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