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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 271: Nebentätigkeiten VI

Der Fall

    Arbeitgeber Friedrich Engels ist großzügig und gibt zahlreichen Mitarbeitern seiner Fabrik Nebentätigkeitsgenehmigungen. Betriebsrätin Rosa Luxemburg ist sauer und will eine genaue Auflistung aller genehmigten Nebentätigkeiten haben. Friedrich Engels weiß nicht, ob er berechtigt ist, die Daten herauszugeben.
    Arbeitgeber Montesquieu hat mit seinem Privatsekretär Monteverdi arbeitsvertraglich ein Nebentätigkeitsverbot mit Genehmigungsvorbehalt vereinbart. Als Montesquieu erfährt, daß Monteverdi heimlich ein professionelles Kompositions-Büro unterhält und viel Geld damit macht, ist er beleidigt. Kann er kündigen oder abmahnen oder Schadenersatz verlangen?
    Arbeitnehmer Luigi Buonaventura verschiebt für den amerikanischen Sizilianer Lucky Luciano im Nebenarbeitsverhältnis afghanische und libanesische Feldfrüchte. Er möchte von Lucky Luciano wie alle anderen Arbeitnehmer auch Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Feiertagsvergütung an Weihnachten und Ostern sowie an allen Marienfeiertagen und Weihnachtsgeld.
    Lucky Luciano meint, daß Teilzeitkräfte und Minijobber nur Anspruch auf den nackten Lohn, nicht aber auf freiwillige Leistungen etc. besitzen.

Die Lösung

1. Betriebsratsbeteiligung

    Es ist in der Rechtsprechung streitig bzw. noch nicht geklärt, ob die Betriebsrätin Rosa Luxemburg einen Anspruch gegen Arbeitnehmer Engels besitzt auf Mitteilung aller Nebentätigkeitsgenehmigungen.
    Datenschutzrechtliche Gründe stehen einer solchen Mitteilung nicht entgegen. Die Mitteilung erfolgt innerhalb des Betriebes. Sie stellt deshalb keine Weitergabe von Daten an unbefugte Dritte dar. Deshalb würde Arbeitgeber Engels keinen Rechtsverstoß bei der Weitergabe der Daten an den Betriebsrat begehen.
    Ein Anspruch der Betriebsrätin Luxemburg auf Mitteilung ist allerdings fraglich. Nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz besteht ein Anspruch auf Mitteilung aller Daten und Unterlagen bei der Einstellung eines Mitarbeiters, bei Versetzungen und Eingruppierungen. Nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz besteht ein Anspruch auf Anhörung bei Kündigung eines Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber hat jedoch für im Laufe des Arbeitsverhältnisses erteilten Nebentätigkeitsgenehmigungen keinen Anspruch des Betriebsrats im Gesetz vorgesehen.
    Andererseits hat auch die Betriebsrätin Rosa Luxemburg gemeinsam mit dem Arbeitgeber darüber zu wachen, daß die Mitarbeiter im Rahmen der geltenden Tarifverträge und Gesetze beschäftigt werden. Diese Fürsorge- und Überwachungspflicht des Betriebsrats für Gesundheit und Wohlergehen der Mitarbeiter sowie die Einhaltung der Gesetze spricht wiederum für eine Mitteilung des Arbeitgebers an den Betriebsrat.
    Im Zweifel ist deshalb dem Arbeitgeber zu empfehlen, dem Betriebsrat eine entsprechende Kenntnis über die Nebentätigkeitsgenehmigungen einzuräumen. Der Arbeitgeber verletzt damit keine Rechtsvorschriften. Ihm entstehen dadurch auch keine Nachteile.

2. Sanktionen des Arbeitgebers

    Hat der Arbeitnehmer vertragswidrig eine Nebentätigkeitsgenehmigung nicht eingeholt, so muß dem Arbeitgeber eine Sanktion zustehen, um zukünftig vertragsgemäßes Verhalten zu erreichen. Arbeitgeber Montesquieu ist zu Recht empört.
    – Schadenersatz
    Sofern der Arbeitnehmer durch seine ungenehmigte, vielleicht auch unerlaubte Nebentätigkeit dem Arbeitgeber Schaden zugefügt hat, kann ein Schadenersatzanspruch entstehen. Der Schadenersatzanspruch setzt jedoch das Vorhandensein eines konkreten Schadens voraus.
    Schadenersatzansprüche können insbesondere entstehen, wenn der Arbeitnehmer eine unerlaubte Wettbewerbstätigkeit durchgeführt hat. Dies gilt z.B. im Falle des Figaros Viktor von Scheffel, der am Feierabend seine frisurbedingten Hausbesuche macht. Hier könnten tatsächliche oder potentielle Kunden des Arbeitsgebers betroffen sein.
    Ein Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers kann auch entstehen, wenn der bandscheibenerkrankte Schokoladenarbeiter Wenzelslaus von Knobelsdorff unerlaubt die Nebenerwerbslandwirtschaft seines Vaters aufnimmt, dadurch die Bandscheibe noch mehr schädigt und noch mehr krankheitsbedingte Ausfälle am Arbeitsplatz entstehen. Das gleiche gilt, wenn die Maschinenarbeiterin Bertha von Suttner unerlaubterweise abends ihre Kneipe betreibt und in der nächsten Frühschicht zeitweise vor sich hindämmert.
    Sollte der Arbeitgeber wegen Überschreitens der Höchstarbeitszeit des Arbeitszeitgesetzes ein Ordnungsgeld zahlen müssen, so könnte ein Schadenersatzanspruch entstehen, wenn die Nebentätigkeit des Arbeitnehmers nicht genehmigt war.
    – Kündigung
    Übt der Arbeitsnehmer verbotswidrig eine Nebentätigkeit aus, so kann auch eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Dies setzt aber voraus, daß der Arbeitnehmer seine Pflichten massiv verletzt hat bzw. das besondere Vertrauensverhältnis dadurch massiv gestört ist.
    Eine Kündigung kommt jedoch vor allem dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer gegen das Nebentätigkeitsverbot bzw. den Genehmigungsvorbehalt trotz Abmahnung immer wieder hartnäckig verstößt und eine Besserung nicht zu erkennen ist.
    – Abmahnung
    Bei einem Verstoß gegen das Genehmigungsverbot kommt i.d.R. zunächst eine Abmahnung in Betracht. Mit der Abmahnung kann jede Vertragsverletzung angesprochen werden, die eine gewisse Bedeutung besitzt. Der Verstoß gegen Nebentätigkeitsregeln ist im Arbeitsverhältnis immer von Bedeutung.
    – Fristlose Kündigung
    Eine fristlose Kündigung kommt bei der Verletzung eines Nebentätigkeitsverbotes nur im absoluten Ausnahmefall in Betracht. Sie wäre denkbar, wenn der Arbeitnehmer in einem besonders starken Maße das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber verletzt hat, so daß eine weitere Zusammenarbeit undenkbar erscheint.
    Es kommen insoweit vor allem Fälle des Wettbewerbsverstoßes vor. Wenn ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber in gravierender Weise Wettbewerb betreibt, so ist i.d.R. eine weitere Zusammenarbeit auch während der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber nicht zumutbar.
    Im Falle von Montesquieu liegt zwar ein Vertrauensverstoß vor. Monteverdi ist aber nicht im Wettbewerbsbereich tätig geworden. Er hat lediglich heimlich viel Geld gescheffelt. Montesquieu könnte den Privatsekretär Monteverdi jedenfalls abmahnen, weil dieser den vertraglichen Genehmigungsvorbehalt nicht respektiert und so gegen den Arbeitsvertrag verstoßen hat. Eine Kündigung wäre denkbar, wenn Monteverdi auch bei neuen Nebentätigkeiten in Zukunft gegen die vertragliche Regelung trotz Abmahnung verstößt.

3. Rechte aus dem Nebentätigkeitsverhältnis

    Sofern ein Arbeitnehmer neben einem Hauptarbeitsverhältnis seine Nebentätigkeit ebenfalls im Arbeitsverhältnis z.B. als Teilzeitbeschäftigter betreibt, gelten im Nebenarbeitsverhältnis genau die gleichen Regeln wie in einem sonstigen Arbeitsverhältnis.
    Die Rechtswirksamkeit des Arbeitsvertrags im Nebenverhältnis wird nicht durch ein Nebentätigkeitsverbot im Hauptarbeitsverhältnis berührt. Das Nebentätigkeitsverbot im Hauptarbeitsverhältnis gilt nur schuldrechtlich zwischen Arbeitnehmer und dem Haupt-Arbeitgeber, nicht aber zwischen Arbeitnehmer und einem weiteren Arbeitgeber. Es entfaltet keine Außenwirkung.
    Da die Nebentätigkeit ein neues, selbständiges Arbeitsverhältnis begründet, gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln auch für dieses neue Arbeitsverhältnis. Dies bedeutet:
    Bei einem Arbeitgeber mit mehr als 10 Arbeitnehmern und einer Beschäftigungsdauer von mehr als 6 Monaten gilt das Kündigungsschutzgesetz,
    die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Einstellung, Kündigung etc. im Betrieb des Nebenarbeitgebers sind zu beachten,
    das Arbeitszeitgesetz gilt für beide Arbeitsverhältnisse. Die Arbeitszeit in beiden Arbeitsverhältnissen ist zusammenzurechnen. Die Arbeitszeiten insgesamt dürfen die Höchstgrenzen der §§ 3, 5 Arbeitszeitgesetz nicht überschreiten,
    das Entgeltfortzahlungsgesetz gilt für den Arbeitnehmer in der Nebenbeschäftigung ebenso, wenn er länger als 4 Wochen beschäftigt ist,
    in diesem Falle hat der Arbeitnehmer dann auch Anspruch auf Feiertatgsvergütung für die gesetzlichen Feiertage (also nicht für alle Marien-Feiertage),
    im Rahmen der Gleichbehandlung muß Arbeitgeber Lucky Luciano dem Arbeitnehmer zumindest anteilig auch die freiwilligen Leistungen bezahlen, z.B. anteiliges Weihnachtsgeld, anteiliges Urlaubsgeld, anteilige Gewinnbeteiligung etc., soweit freiwillige Leistungen vorhanden sind,
    der Teilzeitarbeitnehmer im Nebenarbeitsverhältnis hat auch Anspruch auf anteilige betriebliche Altersversorgung, wenn er lange genug beschäftigt war (mehr als 5 Jahre),
    Anspruch auf anteiligen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz oder geltenden Tarifverträgen nebst entsprechender Urlaubsvergütung.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug