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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 267: Zulässigkeit von Nebentätigkeiten II
Der Fall
Buchhalter Jonathan Swift möchte neben seinem Brotberuf Bücher schreiben. Die am Abend beschäftigte Bedienung Marylin Monroe möchte tagsüber in Hollywood als angestellte Schauspielerin
arbeiten. Der in Khartoum stationierte General Charles George Gordon möchte, von der Langeweile getrieben, eine Brauerei für die vom Wüstensand ausgedörrten Engländerkehlen eröffnen. Der Archivar Ludwig Bickell
sammelt Antiquitäten und ist ständig klamm. Zur Aufbesserung seiner Finanzen möchte er in der Würstchenbude neben dem Staatsarchiv in seiner Freizeit als Verkäufer arbeiten. In den Verträgen aller Genannten
befindet sich ein Nebentätigkeitsverbot. Zumindest muß die Nebentätigkeit zuerst vom Arbeitgeber oder Dienstherrn genehmigt werden. Der Antrag von Jonathan Swift wird abgelehnt, weil Bücherschreiben die
Fantasie eines Buchhalters zu sehr erregt. Die Bedienung Marylin erhält eine Ablehnung, weil die Filmaufnahmen am Tag sowie die Tätigkeit in der Nacht zusammengerechnet gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen.
General Gordon und Archivar Bickell erhalten eine Ablehnung, weil sich die geplanten Nebentätigkeiten mit den althergebrachten Grundsätzen des Öffentlichen Dienstes nicht vertragen und die profane Tätigkeit im
Genußbereich das Ansehen der ausgeübten Berufe beflecke. Buchhalter Swift und General Gordon sehen sich in ihrer freien Berufsausübung unzulässig behindert. Bedienung Marylin und Archivar Bickell brauchen
einfach das zusätzliche Geld für ihren Lebensunterhalt bzw. die Antiquitätensammlung.
Die Lösung
5. Grenzen der Nebentätigkeitsverbote
Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können zunächst Nebentätigkeitsverbote zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder den Tarifvertragsparteien bzw. den Betriebsparteien (Betriebsrat
und Arbeitgeber) vereinbart werden. Allerdings steht auch die Vertragsfreiheit unter gewissen Einschränkungen. Die vereinbarten Regeln dürfen weder sittenwidrig sein, noch gegen Treu und Glauben, noch gegen
grundgesetzlich verbriefte Rechte oder andere zwingende Gesetze verstoßen. Der Arbeitgeber darf mit der Nebentätigkeitsgenehmigung vor allem den Arbeitnehmer nicht in seiner grundgesetzlich gewährleisteten
freien Entfaltung der Persönlichkeit ohne sachliche, berechtigte Interessen beeinträchtigen. Das bedeutet, der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer insoweit nicht knebeln. Andererseits aber muß der Arbeitnehmer die
berechtigten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigen. Wer seine Arbeitskraft verkauft, muß im Rahmen der vertraglichen Nebenpflicht auch den vollen Einsatz seiner Arbeitskraft gewährleisten.
– Freie Berufsausübung Die Vertragsparteien müssen beim Abfassen des Arbeitsvertrages berücksichtigen, daß die freie Berufsausübung des Arbeitnehmers nach Art. 12 GG verfassungsmäßig geschützt ist. Der
Arbeitnehmer muß die Möglichkeit haben, seinen notwendigen oder auch gewünschten Lebensunterhalt durch die Verwertung seiner Arbeitskraft im gewünschten Umfange zu bestreiten. Deshalb hat das
Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß aus dem Schutzbereich des Art. 12 GG auch das Recht des Arbeitnehmers auf Nebentätigkeiten oder Zweitberufe folgt. Durch dieses Grundrecht soll jeder in die Lage versetzt
werden, jede Tätigkeit auszuüben, die er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts für notwendig hält. Der Arbeitnehmer stellt nämlich bei Abschluß des Arbeitsvertrages seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber nicht
unbeschränkt zur Verfügung, sondern nur in einem bestimmten vereinbarten Zeitrahmen. Außerhalb dieses Zeitrahmens ist der Arbeitnehmer mit der Verwertung seiner Arbeitskraft generell frei, soweit dadurch der
bestehende Vertrag nicht beeinträchtigt wird. – Billiges Ermessen / Treu und Glauben Der Arbeitgeber darf Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers – egal ob ehrenamtlich oder bezahlt – nach den Grundsätzen des §
315 BGB und des § 242 BGB nur insoweit einschränken, als er nach billigem Ermessen auch berechtigte, sachlich ausgewogene Gründe für eine Einschränkung der Nebentätigkeit und den Umfang besitzt. Willkürliche
oder „grundsätzliche“ Verbote sind gesetzeswidrig. – Verbot der unangemessenen Benachteiligung: § 307 BGB verbietet im Rahmen von Formularverträgen und Arbeitsverträgen, die der Arbeitgeber einseitig
formuliert hat, die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers als Vertragspartner. Auch danach benötigt der Arbeitgeber ausgewogene und sachlich fundierte Gründe, um einem Arbeitnehmer Nebentätigkeiten im
ehrenamtlichen oder im kommerziellen Bereich zu verbieten. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, daß die Formulierung des Nebentätigkeitsverbots nicht ausreichend klar und deutlich
ist. Fazit: Die maßgebliche Grenze für Nebentätigkeitsverbote bzw. die Pflicht zur Genehmigung ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag und der dort übernommenen Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer
hat jede Nebentätigkeit – auch ehrenamtliche Nebentätigkeit! – zu unterlassen, die mit der Arbeitspflicht kollidiert, die die Arbeitsleistung beeinträchtigt oder unmöglich macht und damit zur Verletzung der
Arbeitspflicht und des Arbeitsvertrages führt. Wann diese Grenzen verletzt sind, muß in jedem Einzelfall entschieden werden. 6. Anzeigepflicht Ist im Arbeitsvertrag zur Nebentätigkeit nichts vereinbart, so
besteht regelmäßig noch nicht einmal eine Anzeigepflicht bei Eingehung einer Nebentätigkeit außerhalb der Arbeitszeit. Soweit allerdings die Nebentätigkeit mit dem Arbeitsverhältnis kollidieren könnte oder mit
dem Arbeitgeber wegen der Nebentätigkeit Probleme entstehen könnten, empfiehlt es sich, vorsorglich dem Arbeitgeber eine Mitteilung darüber zu machen. Erfolgt vom Arbeitgeber keine Reaktion, ist der Arbeitnehmer
dann abgesichert. Gegen eine vertraglich vereinbarte Anzeigepflicht für Nebentätigkeiten bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Dies gilt insbesondere für Zweitarbeitsverhältnisse oder gewerbliche
Selbständigkeit. Der Arbeitgeber hat nach § 242 BGB generell einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer wegen bezahlter Nebentätigkeiten. Er hat das Recht zur Prüfung, ob die Nebentätigkeit mit den
arbeitsvertraglichen Pflichten kollidiert. Er hat sogar die Pflicht, zu kontrollieren, daß insgesamt die Grenzen der Arbeitszeitordnung gewahrt sind.
7. Genehmigungsvorbehalt
Die Rechtsprechung hat bisher auch keine Einwendungen gegen eine arbeitsvertraglich vereinbarte Meldepflicht mit Genehmigungsvorbehalt für Nebentätigkeiten erhoben. Der Arbeitgeber ist
jedoch nicht darin frei, die Genehmigung zu erteilen oder zu verweigern. Vielmehr muß er nach der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der grundgesetzlich gesicherten Berufsfreiheit und des Rechts auf freie
Entfaltung der Persönlichkeit eine Nebentätigkeit genehmigen, wenn die vertraglich geschuldete Leistung durch die Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt wird. Nur dann hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse
an einer Verweigerung der Genehmigung. Im Falle von Marylin Monroe muß der Arbeitgeber prüfen, ob die Bedienungstätigkeit sich zeitlich mit Filmaufnahmen im Studio vereinbaren lassen und die Regeln des
Arbeitszeitgesetzes dann noch gewahrt sind. Im Fall von General Gordon und Archivar Bickell könnten die besonderen Interessen des Öffentlichen Dienstes gegen Brauerei- und Imbißtätigkeiten stehen, wenn
dadurch Ansehen und Würde des Amtes beeinträchtigt werden können. Beim Archivar Bickell dürfte dies aber kaum der Fall sein.
8. Generelles Verbot
Ein generelles Verbot von Nebentätigkeiten ist unzulässig. Damit greift der Arbeitgeber in jedem Falle rechtswidrig in die Rechtspositionen des Arbeitnehmers ein. Das Schreibverbot
für Buchhalter Jonathan Swift wäre deshalb als willkürlich abzulehnen. Nach bisheriger Rechtsprechung war ein generelles Nebentätigkeitsverbot dahingehend auszulegen, daß der Arbeitgeber nur bei berechtigten
Interessen Nebentätigkeiten verbieten durfte. Im übrigen sollte das Nebentätigkeitsverbot rechtsunwirksam sein. Ob diese Rechtsprechung nach der neuen Schuldrechtsreform aufrechterhalten werden kann, ist
fraglich. In § 307 BGB n.F. ist klar geregelt, daß Bestimmungen in Formularverträgen etc. rechtsunwirksam sind, in denen ein Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird. Ein rechtswidriges generelles
Nebentätigkeitsverbot ist eine solche Benachteiligung. Nach dem Gesetz ist damit das Nebentätigkeitsverbot generell rechtsunwirksam.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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