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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 244: Ethik-Regeln IV – Alkohol- und Drogentests

Der Fall:

    Arbeitgeber Pietro Metastasico will Ethik-Regeln per Rundschreiben im Betrieb einführen. Die Regel Nr. 1 lautet:
    „Die Firma Metastasico setzt sich für eine drogen- und alkoholfreie Arbeitsumgebung ein. Sie kämpft mit strengen Richtlinien gegen Alkohol- und Drogenmißbrauch. Deshalb verlangt Metastasico von allen Bewerbern für einen Arbeitsplatz als Teil des Einstellungsprozesses einen Leber- und Drogentest. Ein Bewerber, der positiv auf Drogen getestet wird, wird nicht eingestellt.
    Bei Beförderung wird ebenfalls jeder Bewerber auf Drogenkonsum und Alkoholabhängigkeit getestet. Ein solcher Test findet außerdem statt im Falle von Arbeitsunfällen und jederzeit bei einem begründeten Verdacht“.
    Der Betriebsratsvorsitzende Rinaldo Kuttelwascher ist empört. Er ist nicht generell gegen Alkohol- und Drogentests. Er reklamiert jedoch für sich ein Mitbestimmungsrecht und will dem Arbeitgeber untersagen, ohne Zustimmung des Betriebsrats ein Alkohol- und Drogenscreening durchzuführen.
    Der Bewerber Johnny Schneeweiß und die Mitarbeiterin Emmy Asbach fragen sich, ob sie verpflichtet sind, solche Tests durchzuführen, was passiert bei einer Weigerung?
    Pietro Metastasico verweist darauf, daß die „sauberen Arbeitnehmer“ nichts zu befürchten haben. Deshalb seien die Tests unbedenklich. Wer sich weigert, wird nicht eingestellt bzw. abgemahnt und gekündigt.

Die Lösung:

1. Allgemeines

    Ganz unmerklich steigt die Zahl der Unternehmen, die bei der Einstellung Alkohol- und Drogentests verlangen. Drogentests werden insbesondere bei der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer immer häufiger gefordert.
    Solche Tests greifen tief in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein. Mit dem Ergebnis der Tests kann insbesondere auch ein Rückschluß auf das Privatleben gezogen werden. Bei Leber-, Blut- und Haartests kann auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen sein.
    Die Problematik gliedert sich in zwei rechtlich und tatsächlich unterschiedliche Bereiche, nämlich in Tests bei der Einstellung einerseits und Tests während des laufenden Arbeitsverhältnisses andererseits.

2. Tests bei Einstellung

    Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Arbeitgeber generell berechtigt, vor der Einstellung eines Mitarbeiters eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zu verlangen. Der untersuchende Arzt des medizinischen Dienstes prüft die Tauglichkeit des Bewerbers für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im allgemeinen und im speziellen auf den Arbeitsplatz bezogen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob der Arbeitnehmer gesundheitlich überhaupt in der Lage ist, die von ihm geforderte Arbeitsleistung vertragsgemäß zu erbringen.
    Der untersuchende Arzt darf dem Arbeitgeber aber nur das generelle Ergebnis der Untersuchung mitteilen, also „geeignet“ oder „nicht geeignet“. Will er mehr wissen, muß der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht entbinden.

3. Zulässigkeit eines Alkohol- und Drogentests

    Bei der Einstellung von Mitarbeitern darf Arbeitgeber Metastasico nicht generell von jedem Bewerber einen vorsorglich Leber-, Blut- oder Drogentest verlangen. Eine entsprechende Untersuchung ist nur dann zulässig, wenn die Eignung des Bewerbers bei Alkohol- oder Drogenmißbrauch generell entfällt.
    Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Suff oder im Drogenrausch noch in der Lage ist, vernünftige Arbeitsergebnisse zu erzielen. Käme es darauf an, müßte quasi jeder Arbeitnehmer entsprechend untersucht werden.
    Vielmehr verlangt die Rechtsprechung auf den konkreten Arbeitsplatz bezogen eine besondere Risikolage bei Alkohol- und Drogenkonsum, die über das allgemeine Risiko einer Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Rauschfalle hinausgeht.

4. Beispiele

    Die besonders hohe Risikolage bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz muß in jedem Einzelfalle kritisch geprüft werden. Eine solche Risikolage liegt insbesondere dann vor, wenn die durch Alkohol und Drogen bedingte Einschränkung des Arbeitnehmers zu einer besonderen Gefahrenlage für Leib und Leben von Arbeitskollegen oder Dritten führt.
    Aus diesem Grunde wird im allgemeinen bei Berufsgruppen mit besonderen Gefährdungslagen die Berechtigung eines solchen Tests befürwortet.
    Darunter fallen z.B. Kraftfahrer, Gefahrgutfahrer, Waffenträger, Sicherheitsfachleute, Geldtransportfahrer, Piloten, aber auch Chirurgen und Arbeitnehmer, die arbeitsbedingt Umgang mit Drogen haben.
    Z.T. wird darauf abgestellt, ob eventuell besonders hohe Sachschäden drohen. Zu denken ist an das Personal von teuren oder gefährlichen Spezialgeräten, die Bedienungsmannschaften von Hochöfen, Atomkraftwerken, Großbaggern oder Kränen, aber auch das Kassenpersonal in Banken.
    Als weitere Gruppe von Arbeitnehmern kommen diejenigen in Betracht, die sich selbst gefährden, wie z.B. Dachdecker, Taucher, Testfahrer oder Wartungspersonal von Elektrizitätswerken und Überlandleitungen.

5. Recht zur Verweigerung

    Jeder Bewerber hat das Recht, solche Tests zu verweigern. Allerdings muß er damit rechnen, daß er dann nicht eingestellt wird. Schadenersatzansprüche sind in solchen Fällen kaum zu realisieren. Schmerzensgeld dürfte ausscheiden, da durch die Weigerung gerade die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vermieden wurde. Im Ergebnis bedeutet dies, daß der Bewerber relativ hilflos dem Verlangen nach solchen Tests ausgeliefert ist.

6. Mitbestimmung des Betriebsrats

    Einzig der Betriebsrat kann eventuell dem Mißbrauch von solchen Tests durch den Arbeitgeber entgegentreten:
    Einstellung. Hat der Arbeitgeber Metastasico in unzulässiger Weise unter Verletzung des Persönlichkeitsrechtes einen Test gefordert, so kann der Betriebsrat der Einstellung des getesteten Mitarbeiters nach § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG widersprechen. Der Arbeitgeber hat nämlich gegen geltendes Recht und damit gegen ein „Gesetz“ verstoßen.
    Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG). Will der Arbeitgeber Metastasico entsprechend seiner Ethik-Richtlinien zukünftig nur noch Bewerber einstellen, die einen Test mit negativem Ergebnis durchlaufen haben, so hat er mit der Ethik-Richtlinie eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG aufgestellt. Der Betriebsrat hat insoweit ein Mitbestimmungsrecht. Er kann seine Zustimmung verweigern oder eine Veränderung der Richtlinie verlangen. Im Streitfall muß der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug