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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 236: Beendigungsvergleich IV - Abfindungsregelung

Der Fall

    König Agamemnon will nach seiner Rückkehr vom Betriebsausflug nach Troja seinen kommunalen Abfallentsorgungsbetrieb verschlanken. Er kündigt deshalb allen Giganten, Nixen und Furien. Zum Ausgleich bietet er diesen Mitarbeitern eine Abfindung von 1.000 Euro pro Beschäftigungsjahr an.
    Den gekündigten Leitenden Angestellten Sysiphos, Ödipus und Aurora bietet der den Festbetrag von 50.000 Euro als Abfindung an.
    Oberbuchhalterin Aurora wendet sich an den Steuerberater Herakles: Ist die Höhe in Ordnung? Was bleibt nach Abzug der Steuern und Sozialversicherung übrig?

Die Lösung

1. Höhe

    Die Höhe einer Abfindung ist generell voll verhandelbar. Allerdings hat sich in der Rechsprechung aufgrund gesetzlicher Indizien der Betrag von ½ Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr etabliert. Diese Sachlage hat auch der Gesetzgeber in § 1 a Kündigungsschutzgesetz übernommen bei seiner gesetzlichen Regelung des Abfindungsangebots durch den Arbeitgeber mit einem Klageverzicht des Arbeitnehmers.
    Dieser Abfindungsbetrag kann sich jedoch in einem Kündigungsschutzverfahren aufgrund der stets zu berücksichtigenden Prozeßrisiken vermindern. Andererseits kann der Betrag bei Arbeitnehmern mit starker Rechtsposition auch höher verhandelt werden.
    Bei leitenden Angestellten werden teilweise deutlich höhere Abfindungsbeträge vereinbart.

2. Steuerfreiheit

    Der Gesetzgeber hat in § 3 Ziff. 9 Einkommensteuergesetz Freibeträge für Abfindungen vorgesehen. Voraussetzung ist allerdings, daß das Arbeitsverhältnis „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ endet, in der Regel also durch Kündigung des Arbeitgebers. Zumindest aber muß in den Vergleich die „Veranlassung durch den Arbeitgeber“ aufgenommen werden.
    Die Freigrenzen verändern sich immer wieder, leider zu Lasten der Arbeitnehmer. Im Jahre 2004 beläuft sich der steuerfreie Freibetrag auf 7.200 Euro.
    Dieser Freibetrag erhöht sich auf 9.000 Euro, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung mindestens 50 Jahre alt und 15 Jahre im Betrieb beschäftigt ist. Eine weitere Erhöhung des Freibetrages auf 11.000 Euro erfolgt, wenn der Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt mindestens 55 Jahre alt und 20 Jahre im Betrieb beschäftigt ist.
    Die Freibeträge gelten auch bei Abfindungen, die höher sind. Der überschießende Rest ist dann mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Auf Antrag kann der Restbetrag gem. § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz ermäßigt versteuert werden.
    Achtung: Alle Abfindungen sind generell als Brutto-Beträge vereinbart. Soweit die Steuerfreibeträge nicht greifen, muß der Arbeitnehmer als Steuerschuldner die Steuerlast tragen. Ist etwas anderes gewollt, müßte der Zahlungsbetrag ausdrücklich mit einem „Netto“ versehen werden.
    Gewarnt werden muß vor der „Brutto“ = „Netto“-Klausel. Ein solcher Terminus findet sich nicht im Einkommensteuergesetz und ist hochgradig mißverständlich. Nach dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung verbleibt es auch in diesen Fällen mangels Klarheit bei der Steuerlast des Arbeitnehmers.

3. Sozialversicherungsfreiheit

    Nach derzeitiger Lage ist davon auszugehen, daß Abfindungen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes bei Beendigung auf Veranlassung des Arbeitgebers sozialversicherungsfrei sind.

4. Fälligkeit / Auszahlung / Raten

    Der Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers wird grundsätzlich erst bei Ablauf der Kündigungsfrist, d.h. zum Beendigungszeitpunkt fällig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nichts anderes vereinbart ist.
    Abweichende Fälligkeitstermine vor Beendigung oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können vereinbart werden.
    Dasselbe gilt auch für eine Ratenzahlung durch den Arbeitgeber. Allerdings sollte bedacht werden, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres zu erfolgen haben. Andernfalls könnte das Steuerprivileg erlöschen.

5. Vererbbarkeit

    Stirbt der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist, so geht in vielen Fällen der Abfindungsanspruch unter, wenn keine klare Regelung über den Entstehungszeitpunkt des Anspruchs getroffen ist. Es ist deshalb dringend eine entsprechende Vereinbarung für den Todesfall zu empfehlen.

6. Formulierungsvorschlag

    Eine Formulierung könnte wie folgt aussehen:
    „Die Arbeitgeberseite zahlt dem Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gem. den §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz, § 3 Ziff. 9 Einkommensteuergesetz in Höhe von … Euro.
    Dieser Abfindungsanspruch ist sofort entstanden und vererblich.
    Die Abfindung ist fällig zum … / zum Ausscheidungszeitpunkt.“
     

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug