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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 214: Videoüberwachung II
Der Fall
Arbeitgeber Bacchus betreibt u.a. einen Getränkemarkt. Er beschäftigt dort 3 Arbeitnehmer. Jeder Arbeitnehmer arbeitet in seiner Schicht alleine im
Getränkemarkt. Stets dann, wenn der Arbeitnehmer Attila im Getränkemarkt war, traten erhebliche Differenzen zwischen dem Kassenbestand, dem Leergut und dem Getränkebestand auf. Attila erklärte sich stets für
unschuldig. Die Differenzen betrugen manchmal mehrere tausend Euro pro Monat. Alle Aufklärungsmaßnahmen des Arbeitgebers blieben erfolglos. Auch der von Bacchus eingeschaltete Betriebsrat des
Gesamtunternehmens konnte keine Aufklärung bringen. Deshalb ließ Bacchus heimlich eine Videoanlage installieren. Diese brachte die Untreue des Arbeitnehmers Attila zutage. Attila erhielt eine fristlose Kündigung
und klagte dagegen. Er befand die Handlungsweise des Arbeitgebers für heimtückisch. Das Persönlichkeitsrecht sei verletzt. Aus diesem Grund dürfe die heimliche Videoaufzeichnung nicht verwandt werden.
Die Lösung
1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Wie bereits in anderen Folgen ausgeführt, muß der Arbeitgeber auch im Arbeitsverhältnis das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer beachten.
Dieses Persönlichkeitsrecht umfaßt insbesondere auch das Recht am eigenen Bild. Es schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz, insbesondere auch durch heimliche
Videoaufnahmen. Durch solche Aufnahmen wird der Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, dem er sich während seiner Tätigkeit nicht entziehen kann.
2. Berechtigte Arbeitgeberinteressen
Das Persönlichkeitsrecht gilt nicht schrankenlos. Eingriffe kann der Arbeitgeber allerdings nur dann vornehmen, wenn diese zur Wahrung überwiegender
schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers notwendig und gerechtfertigt sind. Bei dieser „Güterkollision“ ist eine Abwägung vorzunehmen und zu prüfen, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die berechtigten
Arbeitgeberinteressen Vorrang verdienen.
3. Notwehrsituation
In der Regel darf der Arbeitgeber bei der Installierung einer Videoanlage nur eine offene, sichtbare Videoüberwachung anbringen. Der Arbeitnehmer muß
darüber informiert sein. Es kann jedoch Situationen geben, in denen die offene Videoüberwachung zu keinem Ergebnis führt. Dies sind die Fälle der Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage. Danach
ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht. Weniger
einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachtes müssen vom Arbeitgeber voll ausgeschöpft sein. Die verdeckte Videoüberwachung ist praktisch das einzige verbleibende Mittel. Dieses Mittel ins insgesamt noch
verhältnismäßig. Im vorliegenden Falle hat das BAG diese Voraussetzungen angenommen. Angesichts der erheblichen Kassendifferenzen und der Existenzgefährdung war die heimliche Videoüberwachung nicht
unverhältnismäßig. Sie bot gleichzeitig die einzige Möglichkeit, die übrigen Arbeitnehmer aus dem engen Kreis der Verdächtigung auszuschließen. Die Abhilfe war auf andere Weise nicht möglich, da sie eine
heimlich begangene Tat betraf.
4. Mitbestimmung
Die Installation der Kameras war zwingend mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG, da die technischen Anlagen geeignet und bestimmt waren,
das Verhalten des Arbeitnehmers zu überwachen. Arbeitgeber Bacchus hatte zwar seinen Betriebsrat bei der Ursachenerforschung eingeschaltet, aber die Zustimmung des Betriebsrats bei der Installation der
Videoanlage nicht eingeholt. Dies würde grundsätzlich einen massiven Rechtsverstoß darstellen, der dazu führt, daß die Videoaufzeichnungen vor Gericht nicht verwertet werden können. Ausnahmsweise hat das
Bundesarbeitsgericht jedoch eine Verwertung zugelassen, wenn der Betriebsrat den Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht kennt und gleichwohl bei der Anhörung zur fristlosen Kündigung der Verwendung des
Beweismittels und der fristlosen Kündigung ohne Einschränkung zugestimmt hat. Sollte dies aber nicht der Fall sein, wäre Arbeitgeber Bacchus an dieser Frage gescheitert.
5. Bundesdatenschutzgesetz
Neuerdings enthält das Bundesdatenschutzgesetz in § 6 b BDSG die Bedingung, daß in öffentlich zugänglichen Räumen, z.B. auch in Verkaufsräumen, eine
Videobeobachtung sichtbar gemacht sein muß. Dies war nicht der Fall. Die Vorgehensweise von Bacchus verstieß gegen § 6 b BDSG. Das BAG hat offen gelassen, ob dieser Rechtsverstoß dazu führt, daß die
Beweismittel vor Gericht nicht verwertet werden können. Im Zweifel muß aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes davon ausgegangen werden, daß Arbeitgeber Bacchus trotz seiner berechtigten Interessen an dieser
rechtlichen Regel vor Gericht scheitern wird, weil seine Videoaufzeichnungen gerichtlich nicht verwertbar sind.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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