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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 209: Mitarbeiterkontrollen V - Telefonüberwachung

Der Fall

    Arbeitgeber Ramses hat ein betriebliches Verbot zur Führung von privaten Telefongesprächen erlassen. Gleichwohl kann es der in Liebe erbrannte Richard Wagner nicht lassen, immer wieder während der Arbeitszeit mit seiner neuen Flamme Cosima zu telefonieren. Ramses ärgert sich über diese Liebesgeflüster und hört die Gespräche von Richard Wagner ab.
    Als er deshalb Richard Wagner kündigt, beruft sich dieser auf die Rechtswidrigkeit der Abhörpraxis und verlangt, daß die Beweise vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürfen.
    Mißtrauisch geworden führt Arbeitgeber Ramses für alle Telefongespräche eine Zielnummernerfassung durch. Davon ist die Betriebsrätin Cleopatra nicht beglückt. Sie meint, daß in diesem Falle immer erst der Betriebsrat angehört werden und zustimmen muß.

Die Lösung

1. Abhörverbot

    Dem Arbeitgeber ist es zunächst nach § 201 StGB generell verboten, den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz durch Abhörgeräte oder Tonbandaufnahmen zu überwachen und seine Gespräche, egal welcher Art, abzuhören.
    Es muß deshalb dringend davor gewarnt werden, die leider im Handel erhältlichen Wanzen etc. in Mitarbeiterbüros anzubringen.

2. Abhören von Telefonaten

    Ebenso strafbar ist auch das heimliche/verdeckte Abhören von Telefonaten des Arbeitnehmers. Weder der Arbeitgeber Ramses, noch Arbeitskollegen des liebestollen Wagner dürfen die Telefongespräche abhören.
    Dabei ist es gleichgültig, ob der liebestolle Wagner dienstliche oder private Gespräche am Telefon führt. Das Abhörverbot des § 201 StGB gilt für alle Arten von Telefongesprächen. Wer dies gleichwohl mißachtet, macht sich strafbar.

3. Notwehr / Nothilfe

    Eine Ausnahme kann nach § 32 StGB nur für den Fall der Notwehr gelten. In diesem Falle könnte das an sich rechtswidrige Abhören gerechtfertigt sein.
    Das Handeln in Notwehr setzt jedoch voraus, daß der Arbeitnehmer die geschützten Rechtspositionen des Arbeitgebers oder sein Vermögen in rechtswidriger Weise angreift oder schädigt. Ein solcher rechtswidriger Angriff auf die Rechtsposition des Arbeitgebers ist insbesondere bei strafbaren Handlungen gegeben, wie z.B. bei Diebstahl, Unterschlagung, Betrugsgeschäften, Verrat von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.
    Nur bei Vorliegen eines dringenden und konkreten, letztendlich auch durch entsprechende Indizien nachweisbaren Tatverdachts könnte sich Arbeitgeber Ramses auf Notwehr berufen und eine Telefonüberwachung rechtfertigen. Es ist aber die absolute Ausnahme. Alleine die Unterbindung von begrenzten Privatgesprächen wird im Zweifel nicht die Abhörpraxis rechtfertigen.
    Achtung: Eine Abhörpraxis, die nur zur Vorbeugung von Straftaten erfolgt, ist generell verboten.

4. Mithören von Telefongesprächen

    Das Mithören von Telefongesprächen am Apparat eines Teilnehmers oder über eine Mithöranlage ist zu unterscheiden von dem streng verbotenen Abhören.
    Das Mithören eines Telefongesprächs z.B. über eine Mithöranlage ist jedenfalls i.d.R. nicht strafbar. Gleichwohl kann auch hier die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes zumindest eines Gesprächspartners vorliegen.
    Nach der Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts unterliegt selbst das dienstliche Telefongespräch dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das heimliche Mithören eines Dienstgespräches z.B. über eine entsprechende Mithöranlage, stellt die Verletzung des Rechts am eigenen Wort des Arbeitnehmers dar. Auch ein solches Mithören ist deshalb rechtswidrig.
    Praxistip: Es ist deshalb dringend zu empfehlen, daß im Falle des Mithörens beide Gesprächsteilnehmer über diesen Tatbestand vor dem Mithören aufgeklärt werden und daß ihr Einverständnis eingeholt wird. Bei erklärten Einverständnis beider Teilnehmer geht der Arbeitgeber kein Risiko ein. Allerdings ist fraglich, ob das Liebespaar Wagner/Cosima dem verärgerten Ramses eine Mithörgenehmigung erteilen würden. Entscheidend ist immer, daß die Gesprächsteilnehmer positive Kenntnis vom Mithören eines Dritten haben. Es reicht nicht aus, daß der Gesprächspartner an der anderen Leitung nur Kenntnis von einer Mithörmöglichkeit an sich hat. Vielmehr unterliegt der Mithörende oder derjenige, der einen Dritten mithören lassen will, einer Offenbarungspflicht.

5. Beweisverwertungsverbot

    Kenntnisse, die der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer durch ein rechtswidriges Mithören oder Abhören eines Telefongespräches erlangt haben, sind gerichtlich nicht verwertbar. Der Schutz des gesprochenen Wortes untersagt es den Gerichten, entsprechende Beweise zu erheben bzw. die mithörenden Zeugen zu vernehmen.
    Immer wieder kommt es in Prozessen vor, daß entweder beim Arbeitnehmer oder z.B. in der Personalabteilung im Betrieb eine dritte Person ein Telefongespräch mit dem Ohr an der Muschel oder einer Mithöranlage mitgehört hat. In diesem Falle darf das Gericht nur Beweis darüber erheben, was der mit dem Mithörer räumlich verbundene Telefonteilnehmer gesagt hat. Die Antworten oder Aussagen des Teilnehmers an der anderen Seite der Leitung sind nicht verwertbar, wenn dieser nicht vorher vom Mithörer informiert wurde und seine Zustimmung erteilt hat. Der Zeuge ist insoweit für den Prozeß ohne Bedeutung.

6. Ausnahme

    In Extremfällen ist die Vertraulichkeit des Gespräches durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht geschützt. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen das Telefon zu Straftaten mißbraucht wird, z.B. im Falle von Erpressungen, Nötigungen, telefonischen Beleidigungen. Hier ist die Rechtsposition des Angegriffenen schützenswerter, als das Persönlichkeitsrecht des Straftäters.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug