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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 207: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen III - Detektiveinsatz

Der Fall

    Kaufmann Billig-Maxx hat in seinen vielen Verkaufsfilialen durch verdeckte und scheinbare Käufer Testkäufer zur Kontrolle seines Kassenpersonals durchführen lassen. Außerdem hat er heimlich und stichprobenartig die Kassenbestände erhöht, um festzustellen, ob die erhöhten Bestände am Tagesende auch ordentlich mitgeteilt und abgeführt werden.
    Die ertappten Mitarbeiter werfen Billig-Maxx Heimtücke vor und Verführung zur Unterschlagung. Sie bestreiten deshalb ein Kündigungsrecht des Arbeitgebers.
    Kaufmann Billig-Maxx führt außerdem wegen erheblicher Inventurdifferenzen und Warenschwunds Detektive im Betrieb ein, die die Mitarbeiter auf Ehrlichkeit kontrollieren sollen. Wegen erheblichen Krankfeierns läßt er auch Mitarbeiter im Krankenstand durch Detektive beobachten.
    Das halten Mitarbeiter und Betriebsrat für eine überzogene und unzulässige Maßnahme.

Die Lösung

1. Anstiftung zur Straftat

    Unzulässig wäre es, wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter durch Provokateure zu einer Straftat anstiften würde. Eine solche Anstiftung wäre sogar strafbar, sowohl für den Arbeitgeber, wie auch für den eigentlichen Anstifter. Vor solchen „Ehrlichkeitstests“ ist dringend zu warnen.

2. Verführung

    Sofern der Arbeitgeber durch heimliche Erhöhung des Kassenbestandes oder ähnliche Maßnahmen die Arbeitnehmer in eine „Verführungssituation“ bringt, muß er im Rahmen der Verhältnismäßigkeit diese Mitwirkungshandlung auch gegen sich gelten lassen. Nach der Rechtsprechung des BAG ist in solchen Fällen bei Vertragsverstößen ggf. nur eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erfolgte Vertragsverletzung durch Verfügung des Arbeitgebers nicht zu einem erheblichen Schaden geführt hat.

3. Detektive im Betrieb

    Der Einsatz von Detektiven ist gesetzlich nicht geregelt. Bei Vorliegen eines Verdachtes oder berechtigter Interessen ist ein Detektiveinsatz jedoch grundsätzlich zulässig.
    Ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse besteht vor allem dann, wenn einerseits ein konkreter Schaden schon eingetreten ist oder ein solcher zu befürchten steht oder wenn konkrete Verdachtsmomente gegen einzelne Arbeitnehmer bestehen. Weiterhin ist erforderlich, daß andere innerbetriebliche Aufklärungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind.
    Gerade bei erheblichen und überdurchschnittlichen Inventurdifferenzen oder bei erheblichem Warenschwund, z.B. in bestimmten Abteilungen oder Verkaufsfilialen ist innerbetrieblich der Einsatz von Detektiven durch die Rechtsprechung zugelassen worden.

4. Detektive außerhalb des Betriebs

    Ein Detektiveinsatz wird immer wieder vorgenommen im Falle des „Krankfeierns“. Häufig erfolgen Detektiveinsätze auch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderweitiger Erwerbstätigkeit/Schwarzarbeit während der Krankschreibung verdächtigt.
    Auch hier ist erforderlich, daß konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Eine Überwachung ohne Anfangs- oder Tatverdacht oder ohne konkrete Anhaltspunkte wäre unverhältnismäßig und würde das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen.
    Nach der Rechtsprechung unbedenklich ist die Überwachung einzelner Arbeitnehmer aufgrund eines Anfangsverdachtes im öffentlichen Raum und in allgemein zugänglichen Gebäuden (Straßenverkehr, beim Verlassen der Wohnung, in Kaufhäusern, Kneipen, Konzerten, im Baumarkt etc.) problemlos möglich.
    Es ist zulässig, daß Detektive Aufzeichnungen über das Verhalten des Mitarbeiters machen. Darüber hinaus ist es auch zulässig, daß in diesem öffentlichen Umfeld bei einem Anfangsverdacht auch Foto- und Filmaufnahmen von der Person gefertigt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn neben der persönlichen Überwachung durch den Detektiv zur Beweissicherung z.B. für Schwarzarbeit während der Erkrankung Foto- oder Filmmaterial erforderlich oder gerechtfertigt erscheint.

5. Grenzen der Überwachung

    Die Grenzen der Überwachung durch Detektive ergeben sich wiederum aus dem Persönlichkeitsrecht der überwachten Person. Es ist dabei vor allem die Privat- und Intimsphäre des Arbeitnehmers zu wahren. Der Detektiv darf z.B. nicht in den privaten Wohnbereich des Arbeitnehmers eindringen oder intime, nicht mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Umstände ausspionieren.
    Dabei müssen insbesondere auch die Grundsätze des Strafgesetzbuches gewahrt werden (kein Hausfriedensbruch, Unverletzlichkeit der Wohnung des Arbeitnehmers, keine Lauschangriffe auf die Wohnung oder das private Telefon, keine Fotos in der Privatsphäre).

6. Detektivkosten

    Wird der Arbeitnehmer einer Straftat überführt, so kann der Arbeitgeber ggf. einen Teil der Detektivkosten im angemessenen Rahmen von dem Arbeitnehmer zurückverlangen. Dies muß im Einzelfall geprüft werden.

7. Mitbestimmung

    Bei der Überprüfung des Arbeitsverhaltens und der Ehrlichkeit an der Arbeit besteht ein Mitbestimmungsrecht nur dann, wenn der Arbeitgeber technische Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG einsetzt. Sonst ist die Überwachung durch Ehrlichkeitstests, Testkäufe etc. mitbestimmungsfrei.
    Dasselbe gilt für den Einsatz von Detektiven, soweit diese nicht in den Betrieb eingeschleust oder eingegliedert werden. Bei einer Eingliederung auch fremder Detektive in den Betrieb besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Es handelt sich dabei nämlich dann um eine Einstellung im Sinne des Betriebsverfassungsrechts.
    Grundsätzlich empfiehlt es sich stets, bei solchen Überprüfungsmaßnahmen und Tests den Betriebsrat zu beteiligen und möglichst mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Der Arbeitgeber sichert sich dadurch regelmäßig gegen Vorwürfe der mangelnden Fairneß etc. Er erhöht dadurch die Akzeptanz seiner Maßnahmen sowohl bei Mitarbeitern wie auch bei Gericht.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug