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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 200: Elternzeit

Der Fall:

    Die Diätassistentin Eleonora von Aquitanien war Vollzeit im Elisabeth-Krankenhaus beschäftigt. 2004 ging sie auf ihren Antrag hin in Elternzeit. Im Sommer 2005 beantragte sie für die restliche Elternzeit bis zum 3. Lebensjahr ihres Kindes Teilzeitarbeit von 20 Wochenstunden im Wege der Verringerung ihrer Arbeitszeit.
    Der Krankenhausträger lehnte dies ab. Er wies darauf hin, daß er für die Dauer der Elternzeit eine andere Diätassistentin Vollzeit als Ersatz befristet eingestellt hat. Weder diese Ersatzkraft noch andere Diätassistenten seien auf Nachfrage bereit gewesen, ihre Arbeitszeit nach den Wünschen von Eleonore zu reduzieren. Eleonore will trotzdem während der Elternzeit arbeiten. Sie habe einen gesetzlichen Anspruch darauf.

Die Lösung

1. Elternzeit

    Nach § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Elternzeit, wenn sie mit einem Kind, für das ihnen die Personensorge zusteht oder einem Kind des Ehegatten oder Lebenspartners in einem Haushalt leben und dieses Kind selbst betreuen und erziehen. Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes. Die Elternzeit kann auch anteilig von jedem Elternteil alleine oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden.

2. Teilzeitarbeit

    Während der Elternzeit ist Erwerbstätigkeit zulässig, wenn die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit für jeden Elternteil, der eine Elternzeit nimmt, 30 Stunden nicht übersteigt. Diese Teilzeitarbeit kann beim bisherigen Arbeitgeber absolviert werden.
    Teilzeitarbeit bei einem fremden Arbeitgeber oder als Selbständiger bedarf der Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers. Dieser kann sie allerdings nur innerhalb von 4 Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen.

3. Verringerung der Arbeitszeit

    Nach § 15 Abs. 5 bis Abs. 7 Bundeserziehungsgeldgesetz kann die Mitarbeiterin einen Antrag auf eine Verringerung der Arbeitszeit und ihrer Ausgestaltung beim Arbeitgeber stellen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen sich innerhalb von 4 Wochen einigen.
    Soweit eine Einigung nicht zustande kommt, kann die Arbeitnehmerin während der Gesamtdauer der Elternzeit 2 Mal die Verringerung ihrer Arbeitszeit beanspruchen. Die Voraussetzungen dafür sind:
    – Der Arbeitgeber muß mehr als 15 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) beschäftigen,
    – das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin hat in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden,
    – die neue Arbeitszeit während der Elternzeit soll auf einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden verringert werden,
    – dem Verringerungsanspruch der Mitarbeiterin stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen,
    – der Anspruch muß dem Arbeitgeber 8 Wochen oder - wenn die Verringerung unmittelbar nach der Geburt des Kindes oder nach der Mutterschutzfrist beginnen sollte - 6 Wochen vor Beginn der Tätigkeit schriftlich mitgeteilt werden,
    – der Antrag muß den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit enthalten. Die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll im Antrag angegeben werden.
    Will der Arbeitgeber die beanspruchte Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, so muß er dies innerhalb von 4 Wochen mit einer schriftlichen Begründung tun. Die Arbeitnehmerin kann dann Klage vor dem Arbeitsgericht erheben.

4. Spätere Anträge

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitnehmer in Elternzeiten einen Verringerungsanspruch bzw. einen Teilzeitanspruch für die Elternzeit nach § 15 Abs. 5 bis Abs. 7 Bundeserziehungsgeldgesetz auch dann noch beantragen, wenn sie zunächst nur die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit in der Elternzeit beansprucht haben. Auch wenn die Eltern zunächst nur vollständige Freistellung für die Elternzeit beantragt hatten, ohne Verringerung der Arbeitszeit, ist dieser Antrag auf Teilzeitarbeit in der Elternzeit noch nachträglich zulässig.

5. Betriebliche Gründe

    In einem solchen Falle ist der Antrag jedoch nur erfolgreich, wenn der nachträglichen Teilzeitarbeit in der Elternzeit keinen dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Wenn der Arbeitgeber für die Dauer der Elternzeit aufgrund des ursprünglichen Antrags eine Vollzeit-Ersatzkraft eingestellt hat und diese zur Verringerung nicht bereit ist, so kann sich der Arbeitgeber in der Regel auf dringende betriebliche Gründe berufen, die einem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, gegenüber der angestellten Ersatzkraft eine Kündigung oder Änderungskündigung auszusprechen. Er ist verpflichtet, auch andere vergleichbare Arbeitnehmer über ihre Bereitschaft zur befristeten Verringerung ihrer Arbeitszeit zu befragen. Zu weitergehenden Maßnahmen kann er jedoch nicht verpflichtet werden.
    Im Ergebnis kann deshalb Eleonora ihren gesetzlichen Freizeitanspruch für die Elternzeit nicht durchsetzen. Das Krankenhaus durfte sich auf Grund des ersten Antrags auf Elternzeit ohne Beschäftigung darauf verlassen, daß Eleonora 3 Jahre der Beschäftigung fern bleibt.
    Da beim späteren Meinungswechsel alle Arbeitsplätze besetzt waren, brauchte das Elisabeth-Krankenhaus Eleonora nicht beschäftigen. Eine Kündigung der Vertretungskraft könnte der Arbeitgeber freiwillig durchführen, allerdings mit allen kündigungsrechtlichen Risiken. Er muß aber die Vertretungskraft nicht kündigen. Eleonora würde den Prozeß verlieren.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug