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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 191: Ausgleichsquittung III
Unzulässige Lohnverzicht

Der Fall:

    Arbeitgeber Hans Sachs einigt sich mit der Arbeitnehmerin Fatima auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er zahlt ihr den Restlohn aus, übergibt ihr die Arbeitspapiere nebst Abrechnung und legt ihr folgende, vorformulierte Vereinbarung vor:
    „Das Arbeitsverhältnis ist am 30.9.2005 beendet worden.
    Anläßlich der Beendigung meines Arbeitsverhältnisses sind mir folgende Papiere ausgehändigt worden: Lohnsteuerkarte, Arbeitsbescheinigung, Urlaubsbescheinigung, Abmeldung zur Sozialversicherung und Lohnabrechnung.
    Ich bestätige ausdrücklich, daß mir aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keine Ansprüche mehr zustehen.
    Ich habe alle Werkzeuge und sämtliches Firmeneigentum vollständig zurückgegeben.
    Diese Erklärung habe ich sorgfältig gelesen und verstanden. Eine Durchschrift habe ich erhalten.“
    Fatima überprüft ihre Papiere und unterschreibt das Schriftstück.
    Als sie zuhause ihre Lohnabrechnung überprüft, stellt sie fest, daß noch 10 Tage Urlaubsabgeltung in Höhe von 800 Euro, die Bezahlung von 100 Überstunden in Höhe von 1.000 Euro und ein Zeugnis fehlen. Fatima macht bei Hans Sachs deshalb eine Nachzahlung von 1.800 Euro brutto nebst Ausstellung eines Zeugnisses geltend.
    Hans Sachs legt ihr die Ausgleichsquittung vor und verweist auf den Absatz, in dem sie ausdrücklich bestätigt, keine Ansprüche mehr zu besitzen. Damit sei die Sache erledigt. Fatima geht vor’s Arbeitsgericht.

Die Lösung:

8. Allgemeine Geschäftsbedingungen

    Der Gesetzgeber hat in der letzten Schuldrechtsreform das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) neu geregelt und in das BGB aufgenommen, nämlich in die §§ 305-310 BGB. Der Gesetzgeber hat in diesen Vorschriften eine gerichtliche Inhaltskontrolle angeordnet und Verbote für bestimmte Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgesprochen.
    Mit diesen Regelungen will der Gesetzgeber den Verbraucher vor der Übermacht eines Vertrags- und Geschäftspartners schützen. Der Gesetzgeber wollte verhindern, daß eine Seite ihre Marktmacht oder rechtliche oder wirtschaftliche oder sonstige Überlegenheit nutzt, um ein Verhandlungsungleichgewicht zu erzielen.
    Mit diesen Regeln soll insbesondere der Verbraucher im Rechtsverkehr geschützt werden. Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist nach herrschender Ansicht im Arbeitsrecht auch der Arbeitnehmer. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden von den Regeln über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls erfaßt.
    Nach § 305 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluß eines Vertrages stellt.
    Nicht erfaßt werden individuelle Vertragsabreden. Diese haben Vorrang vor den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 b BGB).

9. Ausgleichsquittung und AGB

    Eine vom Arbeitgeber vorformulierte bzw. in einem Formular verwandte und dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluß vorgelegte Ausgleichsquittung stellt eine solche „Allgemeine Geschäftsbedingung“ nach § 305 BGB dar. In den meisten Fällen verwendet der Arbeitgeber für solche Beendigungsverträge oder Ausgleichsquittungen Formulare, die er selbst erstellt oder eingekauft hat. Häufig werden solche Formulare mittlerweile auch aus Ratgeber-Büchern oder aus dem Internet übernommen.
    Doch selbst dann, wenn der Arbeitgeber die vorformulierte Ausgleichsquittung nur ein Mal verwendet, handelt es sich um eine „Allgemeine Geschäftsbedingung“ im Sinne des Gesetzes, wenn der Arbeitnehmer diese nicht mehr inhaltlich verändern kann bzw. verändert. Dies folgt aus § 310 Abs. 3 Ziff. 2 BGB. Danach finden die Vorschriften bei Verbraucherverträgen auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluß nehmen konnte.
    Achtung: Etwas anderes gilt, wenn Sachs und Fatima über die noch offenen Ansprüche unterhalten, diese im einzelnen benennen und durchsprechen und dann gemeinsam ein Vertragswerk aufsetzen. Dies geschieht in der Praxis jedoch leider nur sehr selten.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug