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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 181: Ein-Euro-Job IV
Der Fall:
Die Langzeitarbeitslosen Tänzer Paris und Helena sollen in einer Arbeitsgelegenheit Hauptschüler betreuen. Das halten sie seelisch und künstlerisch für
unzumutbar. Mozart wird verpflichtet, rund um das Wagner-Denkmal die Grünanlagen zu pflegen. Mozart hält diesen Dienst an seinem Konkurrenten für unzumutbar und außerdem für geringwertig. Die vormalige
Sekretärin Lukretia Borgia soll als Arbeitsmaßnahme ganztags in der Stadtbibliothek Bücher sortieren. Eine Ganztagstätigkeit hält sie für unzumutbar. Der Neurochirurg Dr. Mabuse soll bei archäologischen
Ausgrabungen im Stadtzentrum anpacken. Das lehnt er ab, weil die grobe Erdarbeit seine Neuro-Chirurgen-Hände ruinieren könnten. Der langzeitarbeitslose General Tilly soll Stadtführer in Magdeburg werden. Das
hält er angesichts seiner früheren Tätigkeit in Magdeburg für unzumutbar. Er befürchtet, von der Bevölkerung belästigt zu werden.
Die Lösung:
1. Zumutbarkeit
Nach § 10 Abs. 1 und Abs. 3 SGB II ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Dies gilt auch für die Teilnahme an
Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit, d.h. für Arbeitsgelegenheiten/Ein-Euro-Jobs. Ist die langzeitarbeitslose Person nicht freiwillig bereit, eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Leistungsträger zu
treffen, so kann sie sogar per Verwaltungsakt hoheitlich gezwungen werden, eine Arbeitsgelegenheit zu ergreifen. Eine Ausnahme vom Zwang zur Durchführung der Arbeitsgelegenheit besteht nur dann, wenn dem ein
„wichtiger Grund“ entgegensteht. Dieser wichtige Grund kann jedoch nicht subjektiv vom einzelnen Arbeitslosen bestimmt werden. Der Gesetzgeber hat vielmehr dazu eine Reihe von Beispielen gebildet. Daraus ergibt
sich, daß die Unzumutbarkeit nur im Rahmen von wenigen, schwergewichtigen und objektivierbaren Tatbeständen gegeben ist.
2. Wichtiger Grund/Ausnahmen
Gründe für die Unzumutbarkeit einer Arbeitsmaßnahme sind in § 10 Abs. 1 SGB II aufgeführt. Die dort aufgeführten 4 Unzumutbarkeitskomplexe sind jedoch
nicht abschließend! In Ziffer 5 hat der Gesetzgeber ausdrücklich gesagt, daß die Übernahme der Tätigkeit auch dann unzumutbar ist, wenn ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht. (1) Die Arbeit ist
unzumutbar, wenn der betreffende dazu körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist. Die Ballett-Tänzer Paris und Helena sind seelisch zur Schülerbetreuung in der Lage, auch wenn sie sich als
Künstler dagegen sträuben. Die frühere künstlerische Tätigkeit ist kein Ablehnungsgrund. (2) Die Arbeit ist weiter unzumutbar, wenn die Ausübung dem Arbeitslosen die künftige Ausübung seiner bisher
überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt. Die Tätigkeit des Neurochirurgen Dr. Mabuse im Nervenbereich erfordert besonders feine
und sensible Hand- bzw. Fingerarbeit. Eine grobe körperliche Betätigung als Hilfsarbeiter bei archäologischen Ausgrabungen könnte trotz des historischen Gewinns eine zukünftige Neurochirurgentätigkeit massiv
gefährden. Diese ihm zugeteilte Arbeit könnte deshalb unzumutbar sein. (3) Die Arbeitsgelegenheit ist unzumutbar, wenn die Ausübung der Arbeit die Erziehung des eigenen Kindes oder des Kindes eines Partners
gefährden würde. Die Erziehung eines Kindes, das das 3. Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in der Tagespflege oder auf sonstige
Weise sichergestellt ist. Die Agentur für Arbeit soll im Zusammenhang mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, daß Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird.
(4) Die Arbeitsgelegenheit ist weiter unzumutbar, wenn die Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann. (5)
Auch eine Ganztagsarbeit kann im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit unzumutbar sein. Der Gesetzgeber hat dies zwar nicht geregelt. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht dies für die ähnlich gelagerte
Problematik des § 19 Abs. 2 BSHG angenommen. Danach darf eine vollschichtige Arbeit nicht verlangt werden, weil dies dem Zweck der „Hilfe zur Arbeit“ widerspricht. Dies gilt vor allem dann, wenn im Rahmen der
Zusatzarbeit nur eine Mehraufwandsentschädigung gezahlt wird. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist darauf abzustellen, daß eine nichtvergütete Arbeit nur begrenzt zumutbar sei. Zu den Arbeitsgelegenheiten
nach SGB II gibt es noch keine abschließende Rechtsprechung. Es spricht jedoch vieles dafür, die bisherige Rechtsprechung auch hier zu übernehmen und Arbeitslose nicht gegen ihren Willen zu einem vollschichtigen
Ein-Euro-Job zu zwingen. Zwar ist jede Arbeit zumutbar. Diese Regelung betrifft jedoch nicht den Arbeitsumfang. Lukretia Borgia könnte deshalb mit ihrer Weigerung zur Ganztagsarbeit Recht bekommen. (6)
Sonstige wichtige Gründe könnten im Einzelfall bestehen. Dies muß genau geprüft werden. So wäre es durchaus vorstellbar, den vormaligen General Tilly nach der Zerstörung der Stadt durch ihn später nicht als
Stadtführer in Magdeburg einzusetzen. Dies könnte in der Tat aufgrund der zu befürchtenden Verwicklungen unzumutbar sein.
3. Keine Ablehnungsgründe / Zumutbarkeit
Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 2 SGB II ausdrücklich formuliert, was aus seiner Sicht alleine kein Ablehnungsgrund sei: (1) Unzumutbar ist eine
Arbeitsgelegenheit nicht schon deshalb, weil sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die der Arbeitslose ausgebildet ist oder die er ausgeübt hat. Deshalb können sich Paris und Helena auch
nicht auf ihre frühere Ballett-Tätigkeit berufen. (2) Eine Arbeit bleibt auch zumutbar, wenn sie im Hinblick auf die Ausbildung des hilfebedürftigen Arbeitslosen als geringwertig anzusehen ist. Der
arbeitslose Mozart kann sich nicht darauf stützen, daß die Pflege der Grünanlagen beim Wagner-Denkmal wesentlich geringwertiger sei, als seine frühere Komponistentätigkeit. Die Arbeitsgelegenheit dient zur
Förderung der Wiedereingliederung in Arbeit, jedoch nicht unbedingt in die früher verrichtete Tätigkeit. Auch der Umstand, daß Mozart bei der neuen Tätigkeit unliebsamen Geistern aus seinem früheren Leben
begegnet, führt in der Regel nicht zur Unzumutbarkeit. (3) Unzumutbarkeit entsteht nicht, wenn der Beschäftigungsort vom Wohnort des Hilfebedürftigen weiter entfernt ist, als sein früher Beschäftigungs- oder
Ausbildungsort. (4) Unzumutbarkeit liegt auch dann nicht vor, wenn die neuen Arbeitsbedingungen ungünstiger sind, als bei den bisherigen Beschäftigungen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Neurochirurg Dr.
Mabuse könnte sich nicht darauf berufen, daß er früher immer im klimatisierten Operationssaal stand und nunmehr bei Wind und Wetter archäologische Ausgrabungen durchführen soll. Das alleine wäre kein
Unzumutbarkeitsgrund.
4. Sanktionen
Weigert sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige, einen Eingliederungsvertrag abzuschließen und eine zumutbare Arbeitsgelegenheit anzutreten oder
durchzuführen, ohne daß ein wichtiger Grund vorliegt, so muß er mit massiven Kürzungen des Arbeitslosengeldes II rechnen. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitslose eine Arbeitsgelegenheit zwar antritt, aber ohne
wichtigen Grund abbricht oder wenn er durch vertragswidriges oder rechtswidriges Handeln Anlaß zum Abbruch der Tätigkeit gibt. Die Einzelheiten sind in § 31 SGB II geregelt. Danach ist der Hilfebedürftige
zunächst über die Rechtsfolgen seiner Weigerung, des Abbruchs der Tätigkeit etc. zu belehren. Bleibt der Hilfebedürftige dabei, sich zu weigern bzw. abzubrechen ohne wichtigen Grund oder hat er einen Anlaß für
den Abbruch gegeben, so kann in einer ersten Stufe das Arbeitslosengeld II um 30 % abgesenkt werden. Weitere Absenkungen können bei wiederholter Pflichtverletzung trotz Belehrung ohne wichtigen Grund folgen.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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