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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 219: Neue Gewerbeordnung III

Der Fall

    Arbeitgeber Mark Twain möchte seine deutschen Verkaufsmitarbeiter angesichts der Währungsschwankungen lieber in Dollar als in Euro bezahlen. Sektfabrikantin Rotkäppchen möchte den Lohn ihrer Arbeitnehmer zumindest in Höhe von 100 Flaschen monatlich in Sekt bezahlen.
    Autofabrikant Horch verkauft seinen Mitarbeitern seine Autos auf Kredit. Als Alternative bietet er an, das Auto über ein Darlehn bei seiner Horch-Bank zu bezahlen. Arbeitgeber Karl May möchte den Absatz seiner Werke fördern, indem er jedem Arbeitnehmer statt Barzahlung jeweils 5 Gesamtausgaben seiner Werke gibt und von der alten Büroeinrichtung jeweils einen Schreibtisch.
    Ist das alles zulässig?

Die Lösung

4. Warenüberlassung statt Arbeitsentgelt

    In § 107 Abs. 2 Satz 3 - 5 GewO ist geregelt:
    „Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.“
    Der Gesetzgeber hat damit im Rahmen der Vertragsfreiheit zugelassen, daß der Arbeitgeber neben der Auszahlung in Euro den Lohn zumindest teilweise auch in Waren, d.h. in geldwerten Leistungen erbringen darf. Voraussetzung ist allerdings, daß der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, oder einen entsprechende vertragliche Regelung besteht.
    Grenze: Die Warenüberlassung darf stets nur bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenze erfolgen. Der Rest muß stets in Euro ausgezahlt werden, um den notwendigen Lebensunterhalt des Arbeitnehmers in Geld sicherzustellen. Es soll verhindert werden, daß der Arbeitnehmer Waren verkaufen muß, um Geld zur Verfügung zu haben.
    Probleme ergeben sich insbesondere, wenn ein Mitarbeiter ein Gehalt bezieht, das unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt oder wenn alle Bezüge über der Pfändungsfreigrenze bereits gepfändet sind. Dann entfällt nach dem Gesetz die Möglichkeit, Waren an den Arbeitnehmer zu verkaufen.
    Problem: Die Frage ist, inwieweit unterhalb der Pfändungsfreigrenze Sachbezüge zulässig sind, z.B. freie Logis (Unterkunft und Verpflegung) im Gaststättengewerbe. Dies wird ausnahmsweise bei einem berufstypischen Sachbezug zulässig sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine Anrechnung auf das Arbeitsentgelt erfolgt, weil der Sachbezug zusätzlich zum vereinbarten Entgelt gewährt wird.

5. Selbstkostenpreis

    Problematisch ist die Frage, was der Gesetzgeber unter den durchschnittlichen Selbstkosten versteht. Zum einen gibt es den reinen Selbstkostenpreis, d.h. den Einkaufspreis. Daneben gibt es auch den korrigierten, echten Selbstkostenpreis. Dies ist der Preis, bei dem der Arbeitgeber unter Berücksichtigung seiner eigenen Kosten weder Gewinn noch Verlust macht. Richtigerweise wird dieser bereinigte Selbstkostenpreis bei der Abrechnung zugrunde zu legen sein.
    Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es jedenfalls so, daß der Arbeitgeber keinen Gewinn machen soll. In den Gesetzesmaterialien ist etwas mißverständlich als Beispiel der Werksverkauf aufgeführt. Bei dem üblichen Werksverkauf macht der Arbeitgeber jedoch stets noch einen Gewinn. Nach dem Gesetz kann jedoch ein solcher Werksverkauf nicht gemeint sein.
    Der Verkauf zum tatsächlichen Selbstkostenpreis bedingt, daß der Arbeitgeber im Streitfall den Einkaufspreis nebst seinen eigenen Kosten umgelegt auf die Waren substantiiert berechnet und ggf. nachweist. Dies kann sehr aufwendig sein. Im Streitfall besteht deshalb für den Arbeitgeber ein deutliches Risiko. Fordert der Arbeitnehmer ganz oder teilweise verrechneten Lohn heraus, muß der Arbeitgeber seine Kalkulation in diesem Sinne offenlegen.

6. Waren mittlerer Art und Güte

    Der Gesetzgeber fordert weiter, daß die Beschäftigten keinen Nachteil dadurch erleiden dürfen, daß die Waren des Arbeitgebers zu schlecht sind. Deshalb fordert er Waren von mindestens mittlerer Art und Güte.
    Diese Regelung entspricht bereits dem bestehenden Kauf- und Schuldrecht. Letztendlich handelt es sich auch im vorliegenden Falle um die Überlassung einer Ware aufgrund eines Kaufvertrages. Die allgemeinen Regeln des Kaufrechts sind deshalb auch hier anzuwenden. Dies erhöht ebenfalls das Risiko des Arbeitgebers.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug