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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 96: Riester-Rente I
Der Fall:
Arbeitgeberin Steffi beschäftigt in ihrem Tenniszirkus die Arbeitnehmer Serena, Venus und Boris. Serena hat mit Steffi bereits eine klassische
Entgeltumwandlung (ihr 13. Monatsgehalt) vereinbart. Nun hört Serena von der Riester-Rente und will auch noch eine Riester-Rente. Venus dagegen will nur eine Riester-Rente abschließen, ihr restliches Geld auf
Weltreisen verjubeln. Boris ist Großverdiener. Er ist zwar bei Steffi im Tenniszirkus als Arbeitnehmer beschäftigt, aufgrund seines hohen Einkommens aber über der Beitragsbemessungsgrenze. Er ist deshalb nur
freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Gleichwohl will er auch eine Riester-Rente. Martina Tilova ist selbständig. Sie tritt ab und zu im Tenniszirkus von Steffi auf. Auch sie will eine
Riester-Rente. Igor schließlich ist Sozialhilfebezieher. Auch er will im Alter die Riester-Rente genießen. Steffi ist ratlos. Mit wem kann sie eine Riester-Rente vereinbaren? Was ist überhaupt die
Riester-Rente?
Die Lösung
1. Grundsätze
Es ist zu unterscheiden zwischen der klassischen Entgeltumwandlung und der sog. Riester-Rente. Der Gesetzgeber hat im Bereich des Betriebsrentengesetzes
die klassische Entgeltumwandlung geregelt. Mit der Riester-Rente hat er eine spezielle Form der Entgeltumwandlung geschaffen. Dabei hat er es sich zur Aufgabe gemacht, mittels erheblicher finanzieller
Zuwendungen von ca. 10 Mrd. Euro jährlich den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge, insbesondere für Arbeitnehmer, zu unterstützen. Die Riester-Rente kennt 2 Förderungsarten, nämlich entweder
– Gewährung einer staatlichen Zulage oder – die Steuervergünstigung über den Sonderausgabenabzug gem. § 10 a EStG. Die scheinbare Großzügigkeit des Staates bei der Gewährung von Zulagen bzw. von
Steuervorteilen darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die klassische Entgeltumwandlung, für die es keine Zulagen gibt, einen gravierenden Vorteil für die Arbeitnehmer besitzt: – Bei der klassischen
Entgeltumwandlung kann der Arbeitnehmer Brutto-Beträge steuerbegünstigt und bis zum Jahr 2008 einschließlich weitgehend sozialabgabenfrei in seine Altersvorsorge einstellen. Die bei Rentenauszahlung erfolgende
nachgelagerte Versteuerung ist in der Regel aufgrund von Freibeträgen etc. erheblich niedriger als der Steuersatz zur aktiven Zeit. – Bei der Riester-Rente dagegen muß der Arbeitnehmer zunächst in vollem
Umfang Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen. Die Riester-Rente wird aus Beiträgen gebildet, die vom voll versteuerten und verbeitragten Nettoentgelt abzuführen sind. –
Dies bedeutet im Klartext:
Die staatlichen Leistungen im Rahmen der Riester-Rente, nämlich die Zulage oder die Steuerbegünstigung gleichen zunächst nur einen Teil der Bruttolohnbestandteile aus, die der Arbeitnehmer zuvor schon abgeführt hat. Nur im Bereich niedrigerer Einkommen oder einer großen Kinderzahl können die staatlichen Zuschüsse dann höher liegen, als die vom Staat zunächst abgeführten Bruttovergütungsbestandteile.
2. Zertifizierung
Die staatliche Förderung nach der Riester-Rente unterliegt Richtlinien, die im “Altersvorsorge-Verträge-Zertifizierungsgesetz” geregelt sind.
Beachte: Das staatliche Zertifikat stellt kein “Gütesiegel” dar, es bescheinigt nur, daß das Produkt den staatlichen Förderungskriterien entspricht und damit steuerlich gefördert werden kann. Die
Zertifizierung wird nur den Anlagen erteilt, die sicherstellen, daß der geförderte Arbeitnehmer sich bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Beginn einer Altersrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung gebunden hat. Die Anlagen dürfen nicht beliehen oder anderweitig verwendet werden. Die jeweilige Anlageform muß außerdem garantieren, daß eine lebenslang steigende oder zumindest
gleichbleibende monatliche Leibrente ausgezahlt wird. Eine Auszahlung von Einmalkapitalbeträgen ist ausgeschlossen. Die bis zum Beginn der Auszahlungsphase angezahlten Beträge müssen garantiert sein.
3. Verbot der Doppelförderung
Steuerrechtlich gilt das Verbot der Doppelförderung. Deshalb kann es nur entweder die Zulagen oder den Sonderausgabenabzug nach § 10 a EStG geben. Das
Verbot der Doppelförderung verbietet auch eine steuerliche Förderung der klassischen Entgeltumwandlung einerseits und eine Förderung durch die Riester-Rente zusätzlich. Arbeitgeberin Steffi kann deshalb den
Wunsch der Mitarbeiterin Serena nicht nachgeben, die bereits eine klassische Entgeltumwandlung besitzt. Hier ist die zusätzliche Riester-Rente nicht möglich.
4. Anlageformen
Im Gegensatz zur klassischen Entgeltumwandlung sind die Anlageformen bei der Riester-Rente begrenzt auf die: – Direktversicherung / Lebensversicherung,
– Anlage in einer Pensionskasse oder – in einem Pensionsfonds. Daneben ist auch eine private kapitalgedeckte Altersversorgung über eine Rentenversicherung, Fonds- oder Banksparpläne möglich. Diese
Fonds- oder Banksparpläne müssen jedoch mit Auszahlungsplänen und einer Restverrentungspflicht verbunden sein.
5. Geförderter Personenkreis
Im Rahmen der Riester-Rente sind nur diejenigen Personen begünstigt, die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und
Angestellten entrichten, also pflichtversichert sind. Zu diesem Personenkreis gehören – versicherungspflichtig tätige Arbeitnehmer, einschließlich der geringfügig beschäftigten Personen, die auf
Versicherungsfreiheit verzichtet haben, – Mitarbeiter von Behindertenwerkstätten, – Versicherte während einer anzurechnenden Erziehungszeit / Elternurlaub, – Pflegepersonen,
– Wehr- und Zivildienstleistende, – Bezieher von Lohnersatzleistungen (Krankengeld oder Arbeitslosenbezüge), – kraft Gesetzes oder auf Antrag versicherungspflichtige Selbständige,
– Vorruhestandsbezieher. Nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen gehören u.a.: – Selbständige, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind,
– freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte, – geringfügig Beschäftigte, die nicht auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben,
– in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung Pflichtversicherte, – Sozialhilfebezieher, – Bezieher einer Alters-Vollrente, – Pflichtversicherte, die zusätzlich kraft Versorgungsregelung eine
Zusatzversorgung mit Gewährleistung einer beamtenähnlichen Gesamtversorgung haben (d.h. im wesentlichen die Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes).
6. Fallösung
Dies bedeutet, daß die Mitarbeiterin Venus Anspruch auf eine geförderte Riester-Rente besitzt. Der Großverdiener Boris dagegen ist nur freiwillig in der
Rentenversicherung versichert. Er gehört nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen. Die selbständig tätige Martina kann nur dann in den Genuß der Riester-Rente gelangen, wenn sie als Selbständige
versicherungspflichtig tätig ist. Der Sozialhilfeempfänger Igor ist von der Riester-Rente ausgeschlossen.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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