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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 90: Änderung der Versorgungszusage

Der Fall:

    Arbeitgeberin Steffi weiß nicht, wie die wirtschaftliche Zukunft ihres Tennis-Zirkusses sich entwickeln wird. Sie will den Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung gönnen.
    Sie will sich aber auch absichern, falls es dem Zirkus einmal schlecht gehen sollte. Da die Arbeitnehmer Boris, Serena und Venus alle unterschiedliche Anlageformen wünschen, fragt sie den erfahrenen Ratgeber Dr. Hunziger um Rat: Welche Rechtsform hilft ihr später am Besten, die Altersversorgungszusage wieder abzubauen, falls es ihrem Unternehmen schlechtgehen sollte? Geht das überhaupt noch?
    Dr. Hunziger: “Es geht. Aber: Die am Anfang gewählte Rechtsform der Zusage ist entscheidend für den Weg und die Spielräume, die der Arbeitgeber hat. Drum prüfe, wer sich lange bindet!”

Die Lösung:

1. Änderung der Versorgungszusage?

    Versorgungszusagen sind auf Dauer angelegt. Dies gilt für den Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber. Ein Arbeitsleben ist nicht wiederholbar.
    Deshalb ist es nach der Rechtsprechung generell ausgeschlossen, Versorgungszusagen ohne Weiteres im Nachhinein zu ändern bzw. zu verschlechtern. Davon gibt es aber Ausnahmen:
    Unter bestimmten Voraussetzungen, beim Vorliegen sachlicher triftiger oder zwingender Gründe können Versorgungszusagen verschlechtert werden.
    Sachlicher Grund: Sollen nur die zukünftigen, nicht erdienten Zuwachsraten / Steigerungsraten gekürzt / abgeflacht werden, so ist eine solche Verschlechterung zulässig bei Vorliegen eines sachlich-proportionalen Grundes. Dieser liegt vor, wenn der Unternehmerin Steffi aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage die uneingeschränkte Aufrechterhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr zugemutet werden kann.
    Triftiger Grund: Ist aufgrund der Entwicklung die Substanz des Unternehmens gefährdet (triftiger Grund), kann nicht einmal mehr die Rente erwirtschaftet werden, so darf Unternehmerin Steffi auch in die “zeitanteilig erdiente Dynamik” eingreifen (z.B. das “bemessungsfähige Entgelt” als Berechnungsgröße für die spätere Rente kürzen).
    Zwingender Grund: Eingriffe in schon vom Arbeitnehmer erdiente Besitzstände sind generell ausgeschlossen. Einzige Ausnahme ist der zwingende Grund. Als solcher ist bisher nur die “Überversorgung” anerkannt. D.h., durch unvorhersehbare Entwicklungen könnte der Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses (65. Lebensjahr) aufgrund Sozialversicherungsrente und einer überhöhten Betriebsrente mehr als 100 % der letzten Nettovergütung erhalten. Das braucht Unternehmerin Steffi nicht aus ihren eigenen Betriebsmitteln zu finanzieren.

2. Anspruchsgrundlage

    Die Möglichkeit der Veränderung oder Verschlechterung von Versorgungszusagen ist entscheidend abhängig von der Art der Anspruchsgrundlage. Deshalb fragt Arbeitgeberin Steffi zurecht, welche Anspruchsgrundlage sie wählen soll.

3. Echter Individualvertrag

    Individualverträge können nur durch eine Änderungskündigung geändert werden. Bei hunderten von Arbeitnehmern wären dies hunderte von Kündigungen, Prozesse, Urteile und damit ein hohes Risiko für Steffi: Dies ist eine sehr unpraktische Lösung.

3. Gesamtzusage

    Gesamtzusagen sind zwar Verträge im dogmatischen Sinne. Sie haben jedoch aufgrund des Massengeschäftes und der Einheitlichkeit einen “kollektiven Einschlag”. Deshalb muß der Arbeitgeber bei der Änderung nicht generell hunderte oder tausende Änderungskündigungen aussprechen. Er kann unter bestimmten Voraussetzungen die Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung verändern und umstrukturieren. Dazu muß der Betriebsrat Agassi zustimmen.

4. Betriebsvereinbarung

    Betriebsvereinbarungen können nur durch eine neue abändernde, umstrukturierende oder “verbösernde” Betriebsvereinbarung geändert werden.
    Hier bestimmt von Anfang an der Betriebsrat voll mit. Das kann in der Praxis sehr hilfreich sein, auch wenn sich der Unternehmerin Steffi bei dem Gedanken zunächst die Haare sträuben.

5. Versorgungstarifverträge

    Versorgungstarifverträge können wiederum nur durch die Tarifvertragsparteien mittels eines neuen Tarifvertrages geändert werden.

6. Schließung des Versorgungswerkes

    Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. die Tarifvertragsparteien über die Änderung oder Verschlechterung eines Versorgungswerkes nicht einig werden, so kann der Arbeitgeber dieses Versorgungswerk schließen. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber durch Kündigung eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung die Möglichkeit hat, alle neueintretenden Mitarbeiter nach Ablauf der Kündigungsfrist von dem betrieblichen Versorgungswerk auszuschließen oder ihnen verschlechterte Leistungen anzubieten.
    Die Möglichkeit der Schließung des Versorgungswerkes für neueintretende Mitarbeiter hat der Arbeitgeber auch bei der Gesamtzusage.
    Achtung: Die betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung kann der Arbeitgeber dagegen nicht verhindern. § 1 a BetrAVG bestimmt, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen kann, von seinen zukünftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % vom Hundert der jeweiligen Rentenbeitragsbemessungsgrenze durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung zu verwenden.
    Hierbei gibt es auch keine Möglichkeit der Kürzung für Steffi, da die Arbeitnehmer ihre betriebliche Altersversorgung alleine finanziert haben.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug