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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 91: Durchführungsformen der Altersversorgung
Der Fall:
Arbeitgeberin Steffi will für ihre Arbeitnehmer die gewünschte Altersversorgung durchführen und die Gelder anlegen. Die Arbeitnehmer Boris, Serena und
Venus fragen sich jedoch, wie ihr Geld bzw. die betrieblichen Rücklagen am besten anzulegen sind, wo die größte Sicherheit besteht und eine gute Rendite herausspringt. Arbeitgeberin Steffi fragt sich, wo sie am
wenigsten Arbeit, Kosten und Risiken bei der Anlage hat.
Die Lösung
1. Allgemeines
Der Gesetzgeber hat dem Arbeitgeber wiederum die Freiheit gelassen, die betriebliche Altersversorgung in verschiedenen Anlageformen und Verwaltungsformen
durchzuführen. Er hat mittlerweile weitere Formen in §§ 1, 1 a, 1 b BetrAVG hinzugefügt. Dies erhöhte die Verwirrung, da die unterschiedlichen Durchführungsformen auch unterschiedliche rechtliche und
wirtschaftliche Konsequenzen haben.
2. Direktzusage
Die Durchführung der Altersversorgung soll unmittelbar über den Arbeitgeber selbst erfolgen. Der Arbeitgeber muß Rückstellungen bilden und die
Rentenzahlung später aus seinem eigenen Vermögen selbst vornehmen (soweit Vermögen vorhanden ist)! Diese Form haben die meisten großen Unternehmen gewählt, weil sie die Rückstellungen so in ihrem
wirtschaftlichen Kreislauf behalten.
3. Unterstützungskasse
Der Arbeitgeber kann alleine oder mit dem Betriebsrat zusammen, aber auch mit anderen Unternehmen eine selbständige Einrichtung gründen, die die
betriebliche Altersversorgung durchführt, genannt Unterstützungskasse. Diese wird i.d.R. in Form eines Vereins oder einer GmbH geführt. Der Arbeitgeber muß die Unterstützungskasse finanziell dotieren und
entsprechend seiner Zusagehöhe Beiträge an die Unterstützungskasse leisten. Diese zahlt dann aus. Der Betriebsrat kann im Rahmen der Mitbestimmung in der Geschäftsführung direkt mitwirken. Der Anspruch des
Betriebsrentners geht gegen die Unterstützungskasse. Wenn diese nicht mehr zahlen kann, direkt gegen den Arbeitgeber.
4. Pensionskasse / Pensionsfonds
Pensionskassen sind Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Sie bestehen nur in beschränkter Anzahl. Sofern ein Arbeitgeber Mitglied werden kann, muß
er im Wege des Anwartschaftsdeckungsverfahren seine Beiträge und Prämien für die versicherten Arbeitnehmer direkt an die Pensionskasse abführen. Diese hat für die Arbeitnehmer Lebensversicherungen abgeschlossen.
Die Pensionskasse gibt dem Arbeitnehmer eine hohe Sicherheit, da sie der Versicherungsaufsicht unterliegt. Für den Arbeitgeber ist sie wirtschaftlich nicht sehr reizvoll, da er für die angelaufenen
Anwartschaften stetig Prämien zahlen muß. Ähnliches gilt für die neueingerichteten Pensionsfonds. Diese haben allerdings größere wirtschaftliche Freiheiten bei der Anlage der Deckungsgelder. Damit haben
Pensionsfonds die Möglichkeit, höhere Gewinne zu erwirtschaften, aber auch die Möglichkeit, Verluste zu erzielen.
5. Direktversicherung
Direktversicherung bedeutet den Abschluß einer Lebensversicherung durch den Arbeitgeber zugunsten des betreffenden Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist
nicht Versicherungsnehmer, sondern nur Bezugsberechtigter. Es ist deshalb wichtig, daß für den Arbeitnehmer ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wird. Nur so ist er gesichert. Im Versorgungsfall /
Rentenfall bekommt der Arbeitnehmer von der Versicherungsgesellschaft eine Einmalkapitalzahlung oder eine Rente. Der Arbeitgeber muß die Versicherungsanwartschaft stetig im Wege des
Anwartschaftsdeckungsverfahrens dotieren. Die Form der Lebensversicherung führt dazu, daß die Gelder aus dem Betriebskreislauf herausfließen. Der Arbeitnehmer ist dadurch besser gesichert, als bei der
Direktzusage, wo die Gelder im Betriebskreislauf bleiben. Der Vorteil für die Arbeitgeber besteht darin, daß kaum Verwaltungsarbeit anfällt. Deshalb wählen viele kleine Arbeitgeber, Handwerker etc. diese Form.
6. Entgeltumwandlung
Nach § 1 a BetrAVG ist die Durchführung der Entgeltumwandlung vertraglich zu regeln. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß sie über einen Pensionsfonds
oder eine Pensionskasse durchgeführt wird. Gibt es keine Einigung, muß eine Direktversicherung abgeschlossen werden. Dies bedeutet, daß die Entgeltumwandlung in Form einer Lebensversicherung durchgeführt wird.
Dem Arbeitnehmer muß ein unwiderrufliches Bezugsrecht von Anfang an eingeräumt werden. Der Gesetzgeber wollte die Entgeltumwandlung damit für den Arbeitnehmer maximal möglich absichern.
7. Vor- und Nachteile
Die verschiedenen Durchführungswege haben verschiedene Vor- und Nachteile für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer. Die Direktversicherung /
Lebensversicherung, Pensionskasse und der Pensionsfonds geben dem Arbeitnehmer die größtmögliche Sicherheit, die Gelder für seine Anwartschaften sind aus dem Unternehmenskreislauf in fremde
Versicherungsunternehmen abgezogen. Der Arbeitgeber dagegen kann mit diesem Geld nicht mehr wirtschaften. Er kann die Beträge als Betriebsausgaben allerdings steuerlich absetzen. Bei der Direktzusage bleibt
der Arbeitgeber der Versorgungsschuldner, der später die Betriebsrente aus der eigenen Kasse zu zahlen hat. Er darf deshalb die Gelder in seinem Kreislauf behalten. Er kann steuerlich absetzbare Rückstellungen
tätigen. Allerdings wird er später mit der Auszahlung der Betriebsrenten direkt belastet. Für den Arbeitnehmer birgt dies das Risiko, daß entweder die notwendigen Rückstellungen gar nicht getätigt werden oder
die rückgestellten Gelder später nicht mehr zur Verfügung stehen. Ähnliches gilt für die unternehmenseigenen Unterstützungskassen. Regelmäßig gibt die unternehmens- oder konzerneigene Unterstützungskasse die
vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen als Kredite wieder an den Arbeitgeber zurück. Anders ist dies bei fremden Unterstützungskassen. Bei der Entgeltumwandlung muß der Arbeitgeber zwar die entsprechenden
Beiträge und Prämien an die Direktversicherungen oder die Kassen abführen. Gleichzeitig aber werden die Vergütungen der Arbeitnehmer entsprechend gemindert. Für den Arbeitgeber ist deshalb die Entgeltumwandlung
fast kostenneutral mit Ausnahme der Verwaltungskosten. Der Arbeitgeber muß sich insoweit kundig machen.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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