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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 86: Entgeltumwandlung oder Riester-Rente? - Vorteile?

Der Fall:

    Arbeitnehmer Boris will eine betriebliche Altersversorgung, die alleine die Arbeitgeberin Steffi bezahlen soll, am besten eine Lebensversicherung. Steffi lehnt wegen der Kosten dankend ab. Sie schlägt sich auf die Seite der Mitarbeiterinnen Serena und Venus, die auf eine Entgeltumwandlung oder Riester-Rente reflektieren. Dabei trägt die Arbeitnehmerin alleine die Kostenbelastung. Arbeitgeberin Steffi fragt sich allerdings, warum sie dann überhaupt noch bei der Altersversorgung mit einsteigen soll. Wäre es nicht besser, wenn Venus und Serena gleich eine Eigenversorgung (3. Säule) betreiben und ihre Lebensversicherung etc. selbst abschließen?

Die Lösung:

1. Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung

    Die betriebliche Altersversorgung - egal in welcher Form - hat mittlerweile in Deutschland, aber auch in Europa oder den USA eine enorme wirtschaftliche Bedeutung in zweierlei Hinsicht erlangt. Zum einen stellt sie für viele Arbeitnehmer eine erhebliche Ergänzung der Sozialversicherungsrente oder der Eigenvorsorge im Alter dar. Zum anderen sind die Pensionsrückstellungen in Deutschland, wie auch weltweit zu einem bedeutenden Faktor auf den nationalen und internationalen Geldmärkten geworden. Alleine in Deutschland beträgt der Umfang der tatsächlich getätigten Pensionsrückstellungen mehr als 300 Mrd. Euro.

2. Warum Entgeltumwandlung mit Arbeitgeber?

    Sofern der Arbeitgeber die Altersversorgung nach dem Modell Boris ganz oder teilweise bezahlt, leuchtet seine zwingende Beteiligung ein. Bei Entgeltumwandlung aber trägt jedenfalls wirtschaftlich der Arbeitnehmer alleine die Lasten der Altersrückstellung. Wirtschaftlich ist soweit eine Ähnlichkeit zur Eigenvorsorge gegeben, bei der der Arbeitnehmer durch den Abschluß einer Lebensversicherung oder den Kauf einer Immobilie selbst die Lasten trägt.
    Der entscheidende Unterschied der Entgeltumwandlung und Eigenvorsorge besteht darin, daß die Eigenvorsorge stets aus dem schon versteuerten und verbeitragten Nettoentgelt geleistet wird.
    Im Falle der Entgeltumwandlung verzichtet dagegen der Arbeitnehmer auf bestimmte Brutto-Vergütungsbeträge. Der Arbeitgeber stellt dann Zahlungen in der Höhe des Entgeltverzichtes zugunsten des Arbeitnehmers in eine Altersversorgung ein. Durch den Verzicht entstehen keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Dies bedeutet im Ergebnis, daß die Altersversorgungsanlage zugunsten des Arbeitnehmers in Höhe des entrichteten Bruttoentgeltes vorgenommen wird. Damit ist die Rendite des Arbeitnehmers deutlich höher, als bei der Eigenvorsorge. Die so gewonnene betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung ist zwar später grundsätzlich auch zu versteuern (Prinzip der Nachversteuerung), die steuerlichen Lasten sind jedoch dabei deutlich geringer als im Erwerbsleben. Für die meisten Arbeitnehmer bleibt die Betriebsrente aufgrund der Freibeträge ganz oder nahezu steuerfrei.

3. Riester-Rente

    Im Falle der “Riester-Rente” verhält es sich dagegen zunächst wie bei der Eigenvorsorge. Die zusätzliche Altersversorgung aus der “Riester-Rente” kann nämlich nur aus dem Netto-Entgelt getätigt werden, für das schon Steuer und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurde. Im Unterschied zur außerbetrieblichen Eigenvorsorge jedoch zahlt der Staat nach dem Altersvermögensbildungsgesetz 2001 an den Arbeitnehmer, eine Zulage, falls dieser über den Arbeitgeber sein Entgelt umwandelt und anlegt. Diese Zulage ist je nach Einkommen und Unterhaltsverpflichtungen unterschiedlich hoch. Diese Zulage soll jedoch dem Arbeitnehmer jedenfalls eine höhere Rendite erbringen, als er sie im Wege der reinen Eigenvorsorge erlangen könnte. Hiermit schafft der Gesetzgeber einen Anreiz, Nettoentgelt umzuwandeln und für die Altersversorgung unwiderruflich fest anzulegen. Belohnung für diese langfristige Anlage wäre die gesetzliche Zulage. Das ganze wird im Volksmund “Riester-Rente” genannt.

4. Vorteile des Arbeitnehmers?

    Die Vorteile der betrieblichen Altersversorgung im Boris-Falle sind klar. Soweit die Arbeitgeberin Steffi die betriebliche Altersversorgung als betriebliche Leistung in vollem Umfange dotiert und bezahlt, hat der Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil erlangt, bzw. im Falle des Erreichens des Versorgungsfalles eine zusätzliche Entgeltleistung, die ihm im Alter zufließt.
    Im Falle der Entgeltumwandlung nach dem Modell Serena hat der Arbeitnehmer immer noch verschiedene Vorteile. Der eine Vorteil ist die schon ausgeführte Sozialversicherungsfreiheit. Diese soll allerdings nur bis zum Jahre 2008 einschließlich gelten. Ab dem Jahr 2009 tritt nach derzeitigem Stand Sozialversicherungspflicht auch für die Entgeltumwandlung ein. Der andere Vorteil ist die Steuerbegünstigung (Pauschalsteuersatz 20 %) oder in bestimmten Fällen völlige Steuerfreiheit. Ein dritter Vorteil wäre, die durch den Arbeitgeber zu erzielende günstigere Geldanlage, z.B. im Wege einer Gruppenversicherung. Der Arbeitgeber kann wegen der großen Zahl der beteiligten Arbeitnehmer generell günstigere Konditionen aushandeln, als der einzelne Arbeitnehmer.
    Auch im Falle der Mitarbeiterin Venus, die gerne die “Riester-Rente” möchte, ist wirtschaftlich ein Vorteil gegeben. Die staatlichen Zuschüsse werden nämlich nur dann gezahlt, wenn die Umwandlung des Netto-Entgeltes über den Arbeitgeber durch zertifizierte Anlagen geschieht.
    Zu prüfen ist allerdings, für wen die Vorteile bei der Entgeltumwandlung oder bei der “Riester-Rente” höher sind. Dazu Weiteres in den nächsten Folgen. Fest steht schon jetzt, daß nicht alle Arbeitnehmer sich durch die “Riester-Rente” besser stehen!

>> Nächste Folge: Definition der betrieblichen Altersversorgung
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug